Geschichte der Leitstelle vor 1910

„Feuer – es brennt“

Der Ruf  „Feuer – es brennt“ verbreitete, bis weit in das Mittelalter hinein, einen großen Schrecken unter den Bürgern. An das Löschen dachte jedoch niemand, galt es doch das eigene Leben, Kinder und Kranke zu retten. Die Häuser von einfacher Bauart, zumeist mit Stroh gedeckt, wurden nur allzu leicht ein Raub der Flammen.

In der Feuerordnung von 1429 findet man den Hinweis, dass zwei Wächter nachts auf den Türmen wachen mussten. Wörtlich steht dort geschrieben: Auch soll man die Wachen bestellen auf den Türmen.
Aus dem 17.Jahrhundert ist bekannt, dass die Feuerordnung von 1617 festlegte, der Betroffene sollte laut Hilfe schreien. Unterließ er das, sollte er den Schaden ersetzen.

Die Nachtwächter und Türmer trugen eine besondere Verantwortung. Sobald ein Türmer auf dem Allerheiligen, Wigberti-, Nicolai- oder dem Kaufmännerturm ein Feuer bemerkte, schlug er sechsmal hintereinander die Glocke an, um damit das Sturmzeichen zu geben. Mit einem Sprachrohr rief er dem nächsten Nachtwächter zu, wo es brennt. Dem Nachtwächter kam die Aufgabe zu den Brand durch lautes Rufen weiterzumelden und durch laute Hornstöße die Schläfer zu wecken.

Am Tag wurde die Richtung der Brandstätte durch eine rote Fahne angezeigt, nachts wurde eine rote Laterne mit drei Lichtern als Signal genutzt.

Bemerkte man das Feuer von der Cyriaksburg aus, wurde eine Lärmkanone mit zwei, drei oder einem Schuss angezeigt, wo sich das Feuer in der Stadt, in einem zu Erfurt gehörenden Dorf oder einer fremden Gemeinde ausgebrochen war.

Noch Ende des 18. Jahrhunderts zeigten Kanonenschüsse vom Petersberg und das Läuten der Brandglocken von den Türmen der Stadt den Brandherd an.

Die Turnerfeuerwehr besteht bereits 5 Jahre als freiwillige Wehr im Einsatz, da wurde erst 1867 das Lärmschießen vom Petersberg als Zeichen für den Ausbruch eines Brandes abgeschafft und hierfür weitere Kirchtürme in die Alarmierungsordnung aufgenommen.

Feuermeldestellen

In der Stadt wurden 1879 32 Meldestellen errichtet. Hierzu wurden die Wohnhäuser der freiwilligen Feuerwehrleute mit einem Schild versehen, das die Aufschrift "Feuermeldestelle" trug. Diese Meldestellen waren mit der Telefonzentrale des Rathauses verbunden. Telegraphen-Inspektor Meyl ist es zu verdanken, dass das Telefon für Feuermeldezwecke genutzt wurde und die Alarmierungszeit enorm verkürzt werden konnte.

Die erste telegrafische Feuersignalleitung mit Telefonbetrieb wurde vom Wigberti-, Allerheiligen- und Nikolaiturm nach dem Rathaus, sowie nach den Wohnungen des technischen Dirigenten des Feuerlöschwesens und des Oberführers der Turner-Feuerwehr angelegt. Vom Rathaus aus wurden die Türmer zum Alarmgeben aufgefordert und auch nahe am Brandort wohnende Feuerwehrleute über den brand in Kenntnis gesetzt.

Durch eine Weckerlinie, d. h. mittels Draht verbundenen Alarmglocken, die in jedem Bezirk zu einer Schleife verbunden waren, wurden die Kameraden vom Ausbruch eines Brandes informiert und eilten dann zur nächsten Telefonstelle, um den Ort des Brandes zu erfahren.

Zum königlichen Divisionsgebäude, zur Hauptwache am Petersberg und zum Wachlokal der Martini-Kaserne, wurden 1886 drei weitere Leitungen geschaltet. 1888 ist die Stadt in fünf Bezirke eingeteilt und zwar umfasst der erste Bezirk den Stadtkern, der zweite Teil vom Andreas- bis zum Johannestor, der dritte Teil vom Johannes- bis Schmidtstedter Tor, der vierte Teil bis zum Pförtchen und der Fünfte bis zum Andreastor. Es gab 25 Sprechapparate und 16 Klingeln zum Wecken. In der gesamten Stadt stehen 79 Stationen zur Brandalarmierung zur Verfügung.

Tabelle: Aufgliederung nach Bezirken
Bezirk Telefone Wecker
1 5 5
2 7 5
3 2 3
4 9 1
5 2 2

Probeweise wurden 1894 je zwei Feuermelder der Fa. Richard Hegelmann an der Kaufmannskirche und am Johannesturm aufgestellt. Diese waren mit dem Zentralapparat der Telefonzentrale in Rathaus verbunden. Damit konnte jeder Bürger durch drücken eines Knopfes einen Brand melden. Jeder Feuermelder gab eine bestimmte Anzahl von Stromstößen ab, so dass der Standort genau zu lokalisieren war.

Auch 1902 waren noch zwei Türmer, auf dem Nikolaiturm in der Augustinerstraße und dem Wigbertiturm in der Regierungsstraße, im Einsatz. Auf sie konnte trotz der Alarmanlage und Weckerlinie nicht verzichtet werden.

Vorgestellt wurde 1905 das Modell eines selbsttätigen "Feuermelders von Schöppe-Leipzig". Der Melder konnte auf eine Auslösetemperatur von 10-100°C eingestellt werden. Diese Feuermeldeanlage mit über 30 Meldern war in der "Raben-Mühle" auf der Langen Brücke installiert.

Im Statut der freiwilligen Turner-Feuerwehr von 1905 ist nachzulesen: "Im Rathaus wird ein Telefonbeamter eingesetzt, welcher jede Feuermeldung entgegenzunehmen hat." Bei der Meldung "Großfeuer" wurden von ihm sofort die beiden Turmwächter der Stadt befragt, welche erst mit direktem Auftrag zum Stürmen läuten durften. Für die Vorgehensweise bei "Klein-, Mittel- und Großfeuer" gab es exakte Festlegungen. Die Art des Stürmens (Sturmläutens) war in der Sturmordnung beschrieben. 1906 wurden alle Kameraden der Turnerfeuerwehr an die telefonische Alarmleitung angeschlossen.

Erfurter Feuerlöschwesen

Über das Erfurter Feuerlöschwesen erstellte der Königliche Branddirektor Reichel ein Gutachten. Darin führte er zur Brandalarmierung aus:

Die Feuermeldung erfolgt lediglich auf telefonischen Wege. An den Gebäuden, in denen freiwillige Feuerwehrmänner mit Telefonanschluß wohnen, befinden sich elektrische Druckknöpfe mit Klingeln. Will jemand Feuer melden, so drückt er auf den Knopf und wartet bis der Inhaber der Meldestelle erscheint. Andernfalls muss er die nächste Meldestelle aufsuchen und so fort. Erscheint der Inhaber, so erkundigt der sich bei dem Meldenden eingehend nach Art, Umfang, Lage etc. der Brandstelle und gibt dann die Meldung telefonisch an die im Rathaus befindliche Telefon-Zentrale weiter. Hat sich der Beamte ausreichend informiert, so alarmiert er die in der Neuerbe 30 belegte Feuerwache mittels Wecker und teilt ihr telefonisch das bezüglich des Brandes bisher Erkundete mit. Die Alarmierung der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr erfolgt nach der Dienstanweisung für die Telefonzentrale im Rathaus vom 4. Juli 1908.

Die vorstehend geschilderte Unsicherheit des Melde- und Alarmierungsverfahrens wird noch erheblich vermehrt durch die unvermeidlichen Irrtümer im telefonischen Verkehr und die häufigen Störungen, denen Telefonanlagen ausgesetzt sind ...