Erfurter Stadtgrünkonzept

Für das Vorhaben „DAS: SiKEF-BUGA-2021: Stadtgrün im Klimawandel – Erfurter Stadtgrünkonzept – ein Buga 2021-Begleitprojekt“ erhält das Dezernat Sicherheit und Umwelt der Landeshauptstadt Erfurt Fördermittel des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU).

Projektziel

Grafik: © BMU-NKI

Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich ein Forschungsprojekt, das für die Stadt Erfurt und die zukünftig hier herrschenden Klimaverhältnisse ein Stadtgrünkonzept erstellen soll.

Das Projektziel ist es, ein Klimawandelanpassungskonzept für die städtischen Grünstrukturen der Stadt Erfurt zu erstellen, das die zwei zentralen Gesichtspunkte des Stadtgrüns vor dem Hintergrund des absehbaren Klimawandels miteinander vereint; also eine Anpassung des Stadtgrüns an die Auswirkungen des Klimawandels genauso wie die Möglichkeiten der Anpassung durch Stadtgrün beinhaltet.

Das Konzept soll als Grundlage für zukünftige Pflanzentscheidungen der Erfurter Stadtverwaltung, für die Fortschreibung des Handlungskonzeptes 2020 zum Klimaschutz in Erfurt, für die Fortschreibung des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) und für die Erarbeitung von Bebauungs- und Grünordnungsplänen dienen. Gleichermaßen sollen kommunale Unternehmen (Wohnungsgesellschaft, Verkehrsbetriebe, Stadtwerke), genossenschaftliche und private Wohnungsgesellschaften aber auch private Grundstückseigentümer (etwa im Rahmen von notwendigen Neu- und Ersatzpflanzungen nach Maßgabe der Baumschutzsatzung) eingebunden werden, um den privaten und öffentlichen Gehölzbestand, aber auch Gebäudebegrünungen in der Stadt Erfurt langfristig standortgerecht und klimaangepasst zu gestalten und auf dieser Grundlage Initiativen zur Anpassung insbesondere von hitzebelasteten Stadtgebieten ergreifen zu können.

Erste Analyseergebnisse und die resultierenden Pflanzempfehlungen können zudem kurzfristig bereits in den übergeordneten Planungsprozess der Buga 2021 einfließen.

Projektinhalt

Laubbaum steht an Straßenkreuzung im Sonnenlicht, im Hintergrund Einfamilienhäuser.
Foto: Stadtgrün übernimmt wichtige gestalterische, aber auch klimatische Funktionen Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Durch den Klimawandel werden sich die Umweltbedingungen künftig dynamischer verändern als bisher bekannt. Unsere Umwelt wird durch den Klimawandel verletzlicher. Planungen und Entscheidungen müssen diese Veränderungen beachten und aufnehmen.

Eine klassische Anpassungsmaßnahme ist die Vermeidung von Überhitzung von Städten.

Im Rahmen dieser förderpolitischen Zielsetzung will das Projekt eine Anpassung des Stadtgrüns an die Auswirkungen des Klimawandels genauso wie die Möglichkeiten der Anpassung durch Stadtgrün erreichen.

Städtisches Grün sieht sich wegen der besonderen Bedingungen im urbanen Raum bereits einer erhöhten physiologischen Belastung ausgesetzt. Mit fortschreitendem Klimawandel wird die ökologische Toleranz des Stadtgrüns zunehmend strapaziert werden. So zeitigen heute bereits einige in Mitteleuropa bewährte Stadtbaumarten deutliche Probleme aufgrund der sich ändernden Verhältnisse. Nur durch eine Umstellung des Grünbestandes hin zu stadtklimatauglichen, trockentoleranten und insgesamt standortgerechten Pflanzenarten bzw. durch eine Streuung des Ausfallrisikos durch Ausweitung des Artenspektrums können auch Anpassungseffekte durch Grünstrukturen erzielt werden!

Durch das Projekt sollen standortspezifische Pflanzenarten ausgewählt werden, deren Eigenschaften ihre Funktionalität am besten gewährleisten und dadurch auch Kosten für Neupflanzungen und Pflegemaßnahmen einsparen. Hieraus sollen stadtquartierbezogene Pflanzlisten resultieren, die bei Neupflanzungen zur „Richtschnur“ werden.

Weiterhin werden drei Modellquartiere mit jeweils unterschiedlichen stadtstrukturellen Eigenschaften ausgewählt werden, in denen exemplarisch Begrünungsmaßnahmen geplant, dargestellt und langfristig auch umgesetzt werden. Dabei gilt es mithilfe einer Simulation der klimatischen Auswirkungen nicht nur die Adaptionseffekte zu optimieren, sondern eine für den jeweiligen Standort gestalterisch adäquate Lösung zu entwickeln.

Die drei Modellstandorte stellen durch die Verknüpfung von klassischen grünbezogenen Klimaanpassungsstrategien mit städtebaulich/freiraumplanerisch-gestaltenden Ansätzen einen besonderen Mehrwert dar und sollen sozusagen als „best-practice“-Beispiele für zukünftige stadtplanerische Fragestellungen in jeweils ähnlichen Stadtquartieren fungieren.

Mit regelmäßigen Workshops innerhalb des Projekts, der Beteiligung relevanter Stakeholder, der Einbindung in die wesentlichen Strukturen der Stadtverwaltung Erfurt und eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit – nicht zuletzt befördert durch die Buga 2021 – soll die Sensibilisierung für den Klimawandel und die Notwendigkeit einer aktiven Klimaanpassung in die breite Öffentlichkeit getragen, aber vor allem bei den aktiven Entscheidern erreicht werden. Hierbei hat das Projekt vor allem auch eine Multiplikatorfunktion.

Wissenswertes

Am 9. Oktober 2019 fand im Erfurter Rathausfestsaal im Rahmen des Projekts ein Vortragsabend zum Thema „Bäume in Erfurt“ statt. Prof. Wolfgang Borchardt (ehemals FH Erfurt) und Prof. Andreas Roloff (TU Dresden) informierten anschaulich zu Ansprüchen und Schwierigkeiten von Bäumen in Städten sowie zum Trockenstress von Bäumen und geeigneten Baumarten für Erfurt. Nachfolgend finden Sie die Vorträge.

Projektbearbeitung

Nadelbaum steht an Straßenrand vor Reihenhaus.
Foto: Stadtgrün unterliegt jedoch auch dem Klimawandel und muss fit gemacht werden, um seine Funktionen weiter zu erfüllen Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Das Projekt „Stadtgrün im Klimawandel – Erfurter Stadtgrünkonzept – ein Buga 2021-Begleitprojekt“ (SiKEF-BUGA-2021) wird insgesamt durch vier Partner bearbeitet. Der Stadt Erfurt als Projektträgerin und -verantwortlichen obliegt im Wesentlichen mit eigenem Personal die Projektleitung. Diese verantwortet konkret das Umwelt- und Naturschutzamt.

Weitere Projektpartner sind das Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz (ThINK), die FH Erfurt (Prof. Dr.-Ing. Doris Gstach, Fachgebiet Freiraumplanung – Landschaftsplanung) und Prof. Dr. Andreas Roloff (TU Dresden).

Die Projektlaufzeit beträgt zwei Jahre, beginnend im Frühjahr 2018.

Gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

Förderlaufzeit: bis 30.11.2021
Förderkennzeichen: 67DAS135
Fördermaßnahme: Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
Förderbereich: Förderung von lokalen und regionalen Kooperationen zur Anpassung an den Klimawandel

Projektergebnisse

Sonnenaufgang mit Blick vom Domplatz in Richtung Kettenstraße.
Foto: Auf dem Domplatz stehen neben neu gepflanzten und vitalen Linden auch stark geschädigte und beeinträchtigte Altbäume (Hintergrund). Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Das Projekt endet planmäßig am 30.11.2021. Die Ergebnisse wurden zuvor der interessierten Öffentlichkeit sowie dem Fachpublikum in einem Onlineformat vorgestellt und diskutiert. Auch im Amtsblatt der Stadt Erfurt werden sie einer breiteren Öffentlichkeit nahe gebracht. Unter dem nachfolgenden Link finden Sie die Ergebnisbroschüre, die die wesentlichen Ergebnisse und auch die Methodik wiedergibt. Weiterhin werden Empfehlungen zum Umgang mit den Ergebnissen sowie ein Ausblick zur praktischen Umsetzung gegeben.

Als weiteres Ergebnis des Projekts wurde eine kleine Postkartenserie erstellt, die in der Stadt in Umlauf gebracht werden soll und für das Thema Stadtgrün und Stadtbäume sensibilisieren soll. Ebenso wie ein Faltblatt, das einige Informationen knapp zusammenfasst.

Baumbestand muss vielfältiger und stabiler werden

Der Klimawandel hat bereits seit 2018 spürbar Spuren hinterlassen. Hitze und Trockenheit haben zu einer bisher nie dagewesenen Dürre geführt. Die Untersuchungen des Projektes zeigen, dass sich diese Verhältnisse in der Zukunft mutmaßlich verstetigen und weiter an Dramatik zunehmen. Gleichzeitig ist der Baumbestand Erfurts nicht an diese Verhältnisse angepasst. Bereits jetzt sterben viele Bäume ab oder vermindern zusehends ihre Vitalität und können ihre Funktionen nicht mehr erfüllen. Die meisten einheimischen Baumarten sind in der Stadt nicht ausreichend klimastabil. In Erfurt entfallen über die Hälfte aller Bäume auf nur drei Gattungen – Ahorne, Eschen und Linden.

Um mit dem künftigen Klima zurechtzukommen, wurden für insgesamt 15 Betrachtungsräume und die spezifischen Standortverhältnisse Baumartenvorschläge erarbeitet. Gleichzeitig wurde für Erfurt eine Gesamtbaumartenliste mit 150 bekannten und bewährten, als auch neuartigen Baumarten zusammengetragen, die grundsätzlich geeignet erscheinen. Diese gilt es nun anzuwenden und für Neupflanzungen eine möglichst gute Mischung an Baumarten zu wählen.

Hierbei wurden auch die Faktoren Invasivität und Allergenität diskutiert und berücksichtigt.

Möglichkeiten zur Reduzierung von Hitzeinseln

Neben der Entwicklung von Vorschlägen für die Zukunftsbäume wurde anhand von drei Modellquartieren in der Krämpfervorstadt, am Johannesplatz und in Gispersleben untersucht, welche Begrünungsmaßnahmen besonders effektiv sind. Die Ergebnisse der Computersimulation sind dabei auf andere Stadtquartiere und Städte übertragbar. Neben Baumpflanzungen rücken auch Dach- und Fassadenbegrünung in den Fokus. Aber auch die Farbgebung von Straßenbelägen oder Dächern hat Einfluss auf Erwärmung bzw. Abkühlung. Auch die Wahl der richtigen Baumart und des Standorts sind wichtig. Bäume sind bei schlechter Positionierung auch in der Lage, Kaltluftströme zu blockieren und so zur Hitzekonzentration beizutragen oder zumindest nicht spürbar zu verbessern.

Hemmnisse und Chancen

Bei der Umsetzung von mehr Stadtgrün gibt es durchaus zahlreiche Hemmnisse, die tlw. rein technischer Natur sind und tlw. auch rechtliche Gründe haben. Auch die jeweilige Prioritätensetzung spielt eine Rolle. Letztere bedarf einer politischen Aushandlung. Erstere lassen sich ggf. technisch lösen und die rechtlichen Rahmenbedingungen durch die Ausgestaltung von Satzung, Anpassung von geltendem Recht oder dem Erlass neuer Gesetze.

In diesem Zuge wurde auch durch die Befragung einiger Kommunen in Deutschland der aktuelle technische Standard und die gängige Praxis zur Etablierung von Stadtgrün erarbeitet. Dabei zeigten sich durchaus unterschiedliche Niveaus. Für Erfurt wurde die Überarbeitung der Begrünungssatzung und der Baumschutzsatzung in den Fokus genommen. Weiterhin helfen Förderprogramme und Anreize bei der Umsetzung auch im privaten Bereich. Auch die Änderung der Landesbauordnung verspricht eine Verbesserung in Sachen Stadtgrün. Technische Lösungen beim Baumschutz und auch bei der Baumneupflanzung sind relativ zahlreich, jedoch überwiegend in der Erprobungsphase. Gerade auch was die Bewässerung angeht und die Entflechtung von Wurzel- und Leitungsraum gibt es viele gute Beispiele, die auch in er Erarbeitung eines weiteren Grünkonzeptes durch das Garten- und Friedhofsamt für Erfurt betrachtet werden.

Bestandsgrün sichern

Bis der Baumbestand von Erfurt zukunftssicher umgebaut ist, wird es noch einige Jahre dauern. Darüber hinaus ist ungewiss, wie sich das Klima tatsächlich entwickelt. Daher kommt es umso mehr darauf an, das Bestandsgrün zu sichern. Baumschutz hat daher oberste Priorität. Sei es bei Bauarbeiten oder beim privaten täglichen Umgang. Parken auf Baumscheiben muss tabu sein, genauso wie Sperrmüll abstellen usw. Auch Hundeurin und Salz sind tabu auf Baumstandorten. Gleichzeitig gilt es, Altbäume bei Planungen und Bauvorhaben zu integrieren. Dies gelingt nicht immer. Daher muss auch der Augenmerk auf den Ausgleich durch ausreichend Grün liegen.