Artikelreihe zum Stadtumbau - Nr. 6

05.07.2005 00:00

Voraussetzungen für den Stadtumbau in Innenstadtgebieten

Im letzten Beitrag haben Sie einiges über die besonderen Bedingungen für den Stadtumbau in Großsiedlungen erfahren. Wie könnte man aber in anderen Gebieten, die auch von Einwohnerrückgängen betroffen sind oder sein werden, Stadtumbau betreiben? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst die Voraussetzungen in diesen Gebieten untersuchen.

Erfreulicherweise gibt es in Erfurt fast keine Gebiete, in denen schon heute die Zukunftsaussichten von Wohnhäusern offensichtlich hoffnungslos sind. Fast nirgendwo sind ganze Gebäudegruppen so verfallen, dass sie nicht mehr saniert werden können. Es gibt auch keine Gebiete, in denen sich nach einer Sanierung unter keinen Umständen mehr Mieter finden ließen. In allen innerstädtischen Straßen sind Häuser saniert oder instand gesetzt worden. Meistens wechseln sich in einer Straße kleine Gruppen sanierter Gebäude mit einzelnen unsanierten in dichter Folge ab. Die Stadt besitzt nur noch unter 5 Prozent der Gebäude in diesen Gebieten. Nur bei einzelnen Häusern sind die Eigentumsverhältnisse noch ungeklärt.

Das unterscheidet Erfurt grundsätzlich von Städten wie Leipzig oder Halle. Dort ist die Stadt noch häufig Grundstückseigentümer. Der Verfall der Gebiete hat schon in den 60er Jahren begonnen und ist inzwischen viel weiter fortgeschritten. Zahlreiche Quartiere sind dort völlig unbewohnbar und wurden aufgegeben. Das ergibt einen viel größeren Spielraum für Stadtumbauprojekte. In Leipzig wurden ganze Quartiere mit verfallenen Häusern oder alten Fabrikanlagen in den Gründerzeitgebieten abgerissen. An deren Stelle sind große neue Parkanlagen wie das "Hirschgehege" oder der "Eilenburger Bahnhof" entstanden. Die verbleibenden Stadtviertel liegen dadurch plötzlich am Park und sind wieder gefragte Wohnadressen.

In Erfurt würde der vergleichsweise gute Zustand der Innenstadtgebiete solche Projekte nur in ganz kleinem Maßstab ermöglichen. Damit lässt sich nur punktuell eine Verbesserung für das Gebiet erreichen. Voraussetzung für einen Rückbau ist nämlich der Verzicht des Hausbesitzers auf sein Eigentum. Wenn er nur ein Haus oder eine Wohnung besitzt, macht eine Leerstandskonzentration oder ein Rückbau für ihn so lange keinen Sinn, wie er noch auf einen Mieter oder einen Verkauf hoffen kann. Erst wenn ein Gebäude vollkommen wertlos und ohne jede Zukunftschance ist, könnte der Eigentümer zu einem freiwilligen Abriss bereit sein. Häufig gehört ein Haus mehreren Einzeleigentümern. Solange nur einer von ihnen nicht zu einem Verzicht bereit oder unauffindbar ist, ist ein Eingreifen nicht möglich.

Öfters liegen die Gebäude, die abgebrochen werden könnten, an stark befahrenen Straßen. Wenn hier tatsächlich abgerissen würde, würde der ganze Straßenlärm in den ruhigen Innenhof eindringen und die Wohnqualität deutlich verschlechtern. Dann wäre dem Gebiet auch mit einer kleinen Grünfläche nicht geholfen. Natürlich könnte man trotzdem einen ganzen Häuserblock abreißen, um einen schönen Stadtteilpark anzulegen. Dafür müsste die Stadt aber unverhältnismäßig viel Geld ausgeben, um die Eigentümer der erst vor wenigen Jahren sanierten Häuser zu entschädigen. Wenn die Eigentümer trotz Entschädigung und gegebenenfalls einer Umverlagerung nicht dazu bereit wären, müsste die Stadt sie in einem aufwändigen Verfahren enteignen.

Aus einer Modellrechnung geht hervor, dass unabhängig von den städtebaulichen Auswirkungen in allen unsanierten Häusern der Erfurter Gründerzeitgebiete noch etwa 3500 Wohnungen abgerissen werden könnten. Reduziert man das auf die Häuser, deren Rückbau städtebaulich zu verkraften wäre oder zu einer Aufwertung führen könnte, blieben etwa 1000 Wohnungen übrig. Das ist so viel, wie jedes Jahr in den Großsiedlungen zurückgebaut wird. Allein dafür wären aber zusätzlich zu den Abbruchkosten etwa neun Millionen Euro an Entschädigungen zu zahlen. Ein großflächiger Rückbau in den Innenstadtgebieten kann also weder finanziert werden, noch bringt er einen großen Nutzen für den Stadtumbau.

Das bedeutet, dass für den Stadtumbau in den Erfurter Innenstadtgebieten andere Ansätze gefunden werden müssen. Damit wird sich der nächste Artikel befassen.