erwicon 2009: Standort Erfurt präsentierte sich fachkräftig gebildet und zukunftsorientiert

12.06.2009 15:21

242 zufriedene Gäste, Referenten und Aussteller; Impulsvorträge des Bundesministers für Arbeit und Soziales, zweier Landesminister und von Vertretern aus Wirtschaft und Bildung sowie die gestellten Weichen für drei Neuansiedlungen – so lautet die positive Kurz­bilanz des Erfurter Wirtschaftskongresses erwicon, der heute en­dete. Unter dem Motto "Erfurt – fachkräftig gebildet" präsentierte sich der Wirtschafts­standort Erfurt mit seinen Potenzialen hin­sichtlich Fach­kräften, Bildung, Ausbildung und Qualifizierung.

Bundesminister Olaf Scholz zu Gast bei erwicon:
"Wir diskutieren hier das wichtigste Thema unseres Landes"
Erfurt hätte verstanden, wie wichtig das Thema Bildung sei, leitete Bundesminister Olaf Scholz seinen heutigen Vortrag ein, nachdem er sich in das Goldene Buch der Landeshauptstadt Erfurt einge­tragen hatte. Gerade jetzt in der wirtschaftlichen Krise sei es wichtig sich bewusst zu machen, was die Perspektive ist, so der Minister und verwies darauf, den Blick nach vorn zu richten. "Heute kämpfen wir noch für genügend Ausbildungsplätze. 2020 werden wir nicht mehr genügend Schulabgänger haben, die vorhandenen Ausbil­dungsplätze zu besetzen", blickte Olaf Scholz in die Zukunft.  

Weiterhin erklärte er, dass es ein Trugschluss sei zu glauben, dass man die vielen Arbeitslosen aufgrund des nahenden Fachkräfte­mangels in Arbeit bringen könne. Denn: "Voraussetzung für die Vermittelbarkeit ist, dass man zu den qualifizierten Fachkräften gehört. Wir haben die Chance, die Arbeitslosigkeit abzubauen – aber der Schlüssel dafür ist Qualifikation." In diesem Zusammen­hang verwies der Bundesarbeitsminister auf die grundlegende Bedeutung von Bildung. Ein Viertel aller Langzeitarbeitslosen hätte keinen Schulabschluss und rund die Hälfte keine Berufsausbildung, hier müsse man ansetzen.  

Außerdem betonte Olaf Scholz, dass der Fokus nicht allein auf den Spitzen­kräften und damit den Studierenden liegen dürfe. "Die qualifizierte Berufsausbildung wird auch in Zukunft die wichtigste Ausbildung in Deutschland sein." Zum einen müsse sie für jeden offen sein. Zum anderen müsse es analog der Schweiz oder Österreich möglich werden, aus der Berufs­ausbildung und -praxis heraus aufzusteigen und beispielsweise studieren zu können.  

Abschließend richtete er ein kritisches Wort an die anwesenden Unternehmer: "Einen Fachkräftemangel in Ausbildungsberufen gibt es nur, weil man nicht genügend ausgebildet hat." Darum würde sich sein Ministerium auch nicht vorrangig dafür einsetzen, Arbeitslose ohne oder mit schlechter Ausbildung in Arbeit mit Niedriglohn zu bringen sondern darauf konzentrieren, Bildung und Ausbildung zu fördern. Man müsse sich darauf besinnen, dass der gute Ruf deut­scher Produkte auch auf die hiesige Bildung zurückgehe und sie da­mit unverzichtbar für das Qualitätszeichen "Made in Germany" sei.  

Bericht aus den Plenarsitzungen und Foren
In 15 Plenarvorträgen und 27 Impulsreferaten in sechs Foren wurden Wege und Projekte präsentiert, die die Sicherung des Fach­kräftebedarfs eines modernen und aufstrebenden Wirtschafts­standortes unterstützen und sichern. Oberbürgermeister Andreas Bausewein hielt den Eröffnungs­vortrag: " Die Verfügbarkeit von Fachkräften wird, verstärkt durch den demografischen Wandel, mehr und mehr zum Wettbe­werbsfaktor der Standorte werden. Die Vorteile, Fachkräfte auf die eigenen Bedarfe hin und den indivi­duellen Anforderungen angepasst selbst auszubilden, liegen auf der Hand. Ebenso ist es wichtig, den Auszubildenden Fachkräften Perspektiven – in Form eines Arbeitsvertrages, der Möglichkeit des beruflichen Aufstieges und der Weiterbildung – zu bieten. Ohne Perspektiven wandern die Fachkräfte ab. Das gilt auch, wenn die gute Arbeit nicht gut entlohnt wird." Auch in den Foren herrschte Konsens darüber, dass die Vermarktung Thürin­gens als Niedriglohnland dem Wirtschaftsstandort auf die Dauer nicht zuträg­lich ist – auch im Hinblick auf die Demografische Entwicklung – , da Fachkräfte dort arbeiten, wo ihre Arbeit angemes­sen entlohnt wird.       

Zu den Referenten zählte ebenfalls Thüringens Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz. Er forderte, insbesondere in den gegenwärtig schwierigen Zeiten Fachkräfte für die Zukunft auszubilden und damit für Zeiten mit vollen Auftragsbüchern gerüstet zu sein. Dr. Holger Schmidt von der TNT Akademie in Bonn stellte in seinem Vortrag verschiedene Modelle betrieblicher Weiterbildung gegenüber. Er resümierte, dass Bildung und Weiterbildung die Unternehmen viel Geld kosten, noch teurer sei aber keine Ausbildung. Denn qualifizierte und kompetente Mitarbeiter seien die wichtigsten Bausteine für das Image und den Erfolg eines Unternehmens. Auch Rainer Weißenborn von der EO.N Thüringen unterstrich die praxis­orientierten Aspekte in den Ausbildungen und die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens.  

In den vergangenen zwei Tagen erörterten Experten aus Unter­nehmen und Vertreter aus Politik und Bildungseinrichtungen verschiedene Ansätze und Konzepte, die sich auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Branchen fokussieren. Insbesondere die natur­wissenschaftlich und technologisch orientierten Anforderungen an die Fachkräfte von heute und morgen stellen besondere Herausforderungen dar. Wenn ein Technologieland wie Deutschland seine internationale Spitzenstellung verteidigen wolle, müsse es diesen Anforderungen Rechnung tragen - so der Grundtenor des Kongresses. Besondere Bedeutung kommt dabei der Zusammen­arbeit von Unternehmen und Hochschulen bei der Ausformung neuer Bildungsangebote zu, insbesondere bezüglich des Bachelor-Studiums, betonte die Vizepräsidentin der Fachhochschule Erfurt, Dr. Ines Kadler. Auch hinsichtlich des Zusammenwachsens Europas muss die Ausbildung eine entsprechende Ausrichtung erfahren. Gisela Heubach vom ECCE Europa Service Büro Mittelthüringen betonte die Chancen, die in einer Ausbildungsphase im benach­barten Ausland bestehen.  

Die Chancen, dass Thüringen und seine Landeshauptstadt Erfurt diese Herausforderungen meistern werden, sind gut. Die traditionell verwurzelte Technologieorientierung der Region, die sich in dem hohen derzeitigen Niveau der Fachkräfte widerspiegelt, ist eine solide Basis für Zukunft. Darauf aufzubauen und innovative Ansätze zu entwickeln ist das Anliegen, dem sich mehrere vorgestellte Initiativen widmen. Der engen Kooperation von schulischen und beruflichen Bildungseinrichtungen mit den Unternehmen kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu. Berufsorientierung und praxis­orientierte Inhalte des Lernens sind dabei wichtige Aspekte.

Weichen für drei neue Ansiedlungen gestellt
Am Rande des Erfurter Wirtschaftskongresses fanden außerdem zahlreiche Gespräche mit potenziellen Investoren statt. Für drei Vorhaben konnten die Weichen gestellt werden, die mit der Schaffung von rund 250 neuen Arbeitsplätzen einhergehen. So ist unter anderem in Kürze mit dem Baubeginn für ein Logistikzentrum zu rechnen, allerdings möchte der Investor zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genannt werden. Insbesondere die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte aber auch die sehr gute verkehrliche Anbindung sowie die Flächenverfüg­barkeit waren die ausschlag­gebenden Faktoren für die positiven Ansiedlungsent­scheidungen.  

Ein Ausblick
Wie in den vergangenen Wirtschaftskongressen wurde auch in diesem Jahr die Bedeutung von Netzwerken deutlich. Im Laufe des Kongresses wurden viele Kontakte zwischen Unternehmen und aus­stellenden Bildungsträgern vermittelt. Seitens der Kongressteil­nehmer wurde die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, die Inten­sivierung der Kontakte und die Notwendigkeit von Kooperationen vorangetrieben. Der kommende Wirtschaftskongress wird sich darum dem branchenübergreifenden Thema Netzwerke widmen.     

Wie in den zurückliegenden Jahren werden in Kürze Präsentationen zu den Vorträgen unter www.erfurt.de/erwicon aufrufbar sein, eben­so wie das zum Kongress herausgegebene Kongressjournal. Die Vor­träge des Plenarteils werden als Mitschnitt im Internet bereitgestellt.