Tag des Gedenkens: Mahnung und Erinnerung an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte
In etlichen deutschen Städten brannten in jener grausamen Nacht Synagogen, jüdische Betstuben und Geschäfte - so auch in Erfurt: Die Synagoge am Kartäuserring ging in Flammen auf, zahlreiche Geschäfte und die Halle des jüdischen Friedhofs wurden verwüstet. Fast 200 Erfurter jüdische Männer wurden inhaftiert und anschließend nach Buchenwald verschleppt.
74 Jahre später hob Oberbürgermeister Andreas Bausewein in seiner Rede die besondere Verantwortung in Erfurt hervor, der Stadt, in der durch die Firma Topf & Söhne die Krematorien für den systematischen Massenmord erdacht wurden: "Es ist ein Kapitel Erfurter Stadtgeschichte von dem wir uns wünschten, dass es nie geschrieben worden wäre – aber zu dem wir stehen und dem wir uns mit dem Erinnerungsort Topf & Söhne stellen."
Holocaustüberlebende Eva Pusztai in Begegnung mit Erfurter Schülern
Unersetzbar für die Erinnerung ist die Begegnung mit Überlebenden der Shoah. Eva Pusztai hat überlebt. Heute nun, im Alter von 85 Jahren, traf sie im Festsaal des Rathauses mit Erfurter Schülern zusammen und berichtete von den Gräueln des Naziregimes. Als Jüdin wurde sie nach der deutschen Besetzung Ungarns mit ihrer Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort wurde sie im Juli 1944 von ihren Eltern, ihrer elfjährigen Schwester und weiteren Verwandten getrennt. Alle außer ihr wurden ermordet, insgesamt 49 Mitglieder ihrer Großfamilie.
In der Begegnung mahnt sie immer wieder an, die Erinnerung und Wachsamkeit weiter zu tragen. Daher hat sie nach 59 Jahren ihr Schweigen gebrochen: um Zeugnis abzulegen von dem, was den Juden Europas angetan wurde. Für Ihr Engagement um die Erinnerungskultur wurde Eva Pusztai im Anschluss mit der Eintragung in das Goldene Buch der Stadt geehrt. Am Abend wird sie im Erinnerungsort Topf & Söhne an der Podiumsdiskussion mit dem Thema "Vom jahrzehntelangen Schweigen und der Kraft des Sprechens" teilnehmen.
Denknadel für die Brüder Erich und Wilhelm Dublon
Ausdruck einer lebendigen Erinnerungskultur sind die im Stadtgebiet aufgestellten Denknadeln, die an Menschen erinnern, deren Leben wegen ihrer jüdischen Religion ausgelöscht wurde. Heute kam am Anger 46 die achte Denknadel für die Brüder Erich und Wilhelm Dublon hinzu, beide betrieben dort bis 1938 ein Schuhgeschäft. Im Mai 1939 gingen sie mit ihren Familien in Hamburg an Bord eines Flüchtlingsschiffes. Tragischerweise scheiterte die Flucht, so dass sie 1939 in Belgien lebend in den Herrschaftsbereich des Faschismus gerieten. Erich Dublon wurde am 11. August 1942 nach Auschwitz deportiert und dort am 3. September 1942 ermordet. Sein Bruder Wilhelm wurde am 23. Dezember 1943 in das selbe Vernichtungslager verschleppt und ermordet.
Initiator der Denknadeln ist der "Arbeitskreis Erfurter GeDenken 1933 - 1945", der seit 2006 die Erinnerung an verfolgte und ermordete jüdische Mitbürger im Nationalsozialismus in der Stadt fest verankern möchte.