Visuelle Poesie aus Deutschland, Frankreich und Österreich: Ausstellung im Forum Konkrete Kunst auf dem Petersberg

05.06.2008 00:00

Vom 15. Juni bis zum 27. Juli 2008 findet im Forum Konkrete Kunst in der Peterskirche auf dem Petersberg die Ausstellung "Worte von und für Ilse und Pierre Garnier" statt. Geöffnet ist die Exposition, die von der Kulturdirektion und vom Förderverein Forum Konkrete Kunst Erfurt initiiert wurde, Mittwoch bis Sonntag jeweils von 10 – 18 Uhr. Die Eröffnung findet am 15. Juni, 11 Uhr, statt. Es sprechen Thomas Jahn, Kulturdirektion, und Heidi Bierwisch, Forum Konkrete Kunst, die auch die Projektleitung inne hat. Josef Linschinger, der Projektleiter der Gmundner Symposien/Oberösterreich, führt in die Ausstellung ein. Ein Katalog liegt vor.
Die Ausstellung mit visuellen Texten von 18 Künstlern aus Österreich und Deutschland sowie Ilse und Pierre Garnier selber wurde 2007 anlässlich des 80. Geburtstages der Künstlerin Ilse Garnier bei den Gmundner Symposien in Österreich gestartet. Sie erfährt in Erfurt eine Erweiterung auf Pierre Garnier, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert.

Mit der Übernahme der Hommage für zwei Wegbereiter der visuellen Poesie in den 60er Jahren setzt das Forum Konkrete Kunst seine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Organisator der Gmundner Symposien Josef Linschinger fort. Josef Linschinger wird auch in die Ausstellung einführen, zu der er Künstlerkollegen unterschiedlicher Generationen eingeladen hatte, die das Künstlerpaar Ilse und Pierre Garnier persönlich kennen oder als ihre Vorbilder schätzen. So nehmen die Arbeiten Bezug auf Begegnungen, spielen auf geistige Verwandtschaft an, intellektuell oder auch humorvoll. Die Ausstellung zeigt einen interessanten Überblick über die Entwicklung und die unterschiedlichen Konzepte der visuellen Poesie. Sie macht aber auch deutlich, welch kommunikativen, aktiven Part beide Künstler innerhalb dieser Kunst einnehmen, immer offen für neue Ideen und junge Künstler, sensibel für die künstlerische Qualität anderer Konzepte.

Josef Linschinger ist es zu verdanken, dass diese geistige Kommunikation über Grenzen hinaus zum einen in einer Ausstellung zusammengeführt wurde und zum anderen über mehrere Stationen, mehrere Städte ihre Botschaft vielen Interessenten bringen kann, oft auch Menschen, die visuelle Poesie noch kaum kennen.
Ilse und Pierre Garnier
Pierre Garnier, der als junger Mann den Krieg und die Auswirkungen des deutschen Faschismus in seinem Heimatland Frankreich erlebt hatte, verschaffte sich erstaunlich zeitig eine eigene Sicht auf Deutschland. Er suchte Kontakt zu Kunst und Kultur im Nachkriegsdeutschland, zu allen Menschen, die neue Wege suchten – sowohl im Osten wie im Westen. An der Sorbonne in Paris lerne er seine Frau Ilse kennen, eine gebürtige Deutsche, die nun aber nach fast 60 Jahren eher Französin ist – oder besser: sie sind beide Europäer, so wie sie es empfinden.

Gemeinsam suchten sie in den 60er Jahren einen neuen Weg für die Poesie. Es war ein Aufbruch aus der literarischen Tradition in den Freiraum des Experiments, des poetischen Abenteuers voller Visionen. Was charakterisiert diese neue Form der Dichtung:

"Im Mittelpunkt der Dichtung steht die Beziehung von Sprache und Raum. Die Gedichte erscheinen als Konstellationen im Bildraum, die Linearität der Schrift ist aufgehoben zugunsten einer … spatialen Syntax. … Es sind nicht mehr Gedichte auf einer Buchseite, sondern Bilder mit Zeichen im Raum." (Gaby Gappmayr)

Ilse und Pierre Garnier nannten auch ihre Dichtung "Spatiale Poesie". Die Absicht dieser Gedichte liegt nicht in einer inhaltlichen Abfolge, sondern in der Konstruktion unseres Denkens, in dem sich sprachliche und visuelle Aspekte und Erinnerungen durchdringen.

Liegt bei Ilse Garnier der Reiz vorrangig im Spiel der beiden Sprach- und Schriftsysteme – Deutsch und Französisch, um Empfindungen und Erkenntnisse zu vermitteln, so spielen bei Pierre Garnier Zitate von visuellen Eindrücken in Form von einfachen Strichzeichnungen in nicht immer offen liegenden Verbindung mit Worten die prägnante Rolle.

Beide haben gemeinsam eine neue Richtung der visuellen Poesie entwickelt, den "Spatialismus", sind jedoch in ihrem jeweiligen Schaffen eigenständig und signifikant.
Fototermin mit Josef Linschinger, Projektleiter der Gmundner Symposien/ Oberösterreich am Freitag, dem 13.06.2008, 13 Uhr.