Stadtgoldschmied 2009 - Ausschreibung bis 30.11.2008

06.10.2008 00:00

Anknüpfend an eine Tradition seit 1994 schreibt die Stadt Erfurt für das Jahr 2009 das Stipendiat für den Erfurter Stadtgoldschmied aus.

Stadtgoldschmied in Erfurt? Was ist das eigentlich? Stadtschreiber kennt man allenthalben, auch in Erfurt begleiten ausgewählte Literaten zweijährlich für einige Monate das Stadtgeschehen, arbeiten mit Unterstützung eines Stipendiums und anderer Leistungen der Stadt an ihren Werken und reflektieren ihre Erlebnisse öffentlich.
Stadtgoldschmiede gibt es seltener, in Deutschland nur noch in Städten mit einschlägigen Ausbildungseinrichtungen wie Hanau und Schwäbisch-Gmünd, wo 1988 der erste Stadtgoldschmied bundesweit ernannt wurde. Die Geschichte der Erfurter Stadtgoldschmiede dagegen ist untrennbar mit der des auch überregional legendären Erfurter Schmucksymposiums verbunden, das seit 1984 im Zweijahresrhythmus stattfindet. Von den drei Erfurter Schmuckkünstlern Uta Feiler, Rolf Lindner und Helmut Senf initiiert und zunächst in ihren eigenen Werkstätten durchgeführt, findet inzwischen unter Trägerschaft des Verbandes Bildender Künstler Thüringen statt und wird von Felix Lindner, Heike Gruber, Nina Klatt-Starke und dem jeweiligen Stadtgoldschmied geleitet. Durch die Stadt Erfurt und wechselnde weitere Partner unterstützt, hat sich dieses Projekt nicht nur in Fachkreisen und weit über Thüringens Grenzen hinaus einen guten Ruf erworben und strahlt anregend auf die Entwicklung der Schmuckkunst aus. Die Arbeitsergebnisse belegen: Das konkrete Objekt, oft zeitgenössisches Kunstwerk und funktioneller Schmuck zugleich, manifestiert nicht nur die künstlerische Umsetzung einer individuellen philosophischen Weltsicht, sondern schreibt ebenso ein Kapitel Erfurter Stadt- wie auch internationaler Kulturgeschichte.
Seit 1994 das Symposium seinen Veranstaltungsort in den Künstlerwerkstätten der Stadt Erfurt hat, wird durch die Stadt Erfurt auf Anregung der Initiatoren des Symposiums ebenfalls zweijährlich bundesweit ein Arbeitsstipendium für einen Erfurter Stadtgoldschmied ausgeschrieben - bis zum Jahr 2002 im gleichen Jahr wie das Symposium, seit 2007 ein Jahr davor, alternierend mit dem Stadtschreiber, so dass die vorausgehende Tätigkeit des Stadtgoldschmiedes wie auch seine gesetzte Teilnahme daran zusätzlich bereichernde Impulse in das Symposium einbringen kann. Nach einer personellen und konzeptionellen Neuorientierung des Symposiums ab 2002 wurden auch für den Stadtgoldschmied neue Modalitäten beschlossen. Die Richtlinie zum Stipendiat Erfurter Stadtgoldschmied wurde als Stadtratsbeschluss Nr. 177/06 am 27.10.06 im Amtsblatt der Stadt Erfurt veröffentlicht. Die Richtlinie mit allen Konditionen sowie weitere Informationen über Geschichte und Inhalt des Stipendiums Erfurter Stadtgoldschmied, über bisherige Stipendiaten und das Online-Tagebuch der letzten Stipendiatin sind auch unter Erfurter Stadtgoldschmiede zu finden.

Der Stadtgoldschmied arbeitet vom 1. Mai bis 31. Juli in den Künstlerwerkstätten der Stadt Erfurt und erhält während dieser Zeit ein Stipendium in Höhe von 4.000 Euro sowie die Bereitstellung eines kostenlosen Appartements. Er verbindet eigene künstlerisch-konzeptionelle Wege mit den neuen Erfahrungen aus der Begegnung mit der Stadt und Region, ihrer Geschichte und Gegenwart und vor allem mit ihren Menschen. Über sein Online-Arbeitstagebuch auf der Webseite der Stadt Erfurt können Interessierte sein Schaffen verfolgen und mit ihm in Verbindung treten. Nach einer Auftaktvorstellung in der Galerie des VBK Thüringen werden die Resultate des Aufenthalts vom 1.bis 30.08. in der Galerie Waidspeicher des Kulturhofs Krönbacken präsentiert.

Schon viele Stadtgoldschmiede weilten seither in Erfurts Mauern: 1994 Katrin Lucas aus Deutschland/Hamburg mit dem Arbeitsthema "Siegel", 1996 Karl Fritsch aus Deutschland/München auf "Goldsuche in Thüringen" und die Schweizerin Brigitte Moser aus Zug, die hintergründige "Orden-Zeichen-Signale" schuf, 1998 die in Großbritannien lebende Japanerin Masako Hamaguchi, um "Trauerschmuck für Familie und enge Freunde Noahs, zum Gedenken an die Zurückgelassenen der Arche Noah" zu kreieren, 2000 Katja Korsawe aus Deutschland/ Düsseldorf, um "Brücken" zu schlagen, 2002 Felix Lindner, der sich mit seinen Erfurter Wurzeln wie auch seiner Bindung an Orte über Zeichen und Symbole beschäftigte, und zuletzt 2007 nach eine Pause wegen einer Neuorientierungsphase beim Symposium die in München ansässige Australierin Helen Britton, die in Lauschaer Glaswerkstätten "Tiere aus der Ferne" entdeckte.

Die Arbeit der Stadtgoldschmiede hinterlässt Spuren in der Stadt und unserem Land, fordert zu Debatten über Rolle und Positionen von Gegenwartskunst heraus, regt an und zuweilen auch auf – und so soll es sein! Stadtgoldschmied 2002 Felix Lindner konstatierte in seiner Laudatio für Helen Britton aber auch, dass "nicht allein der `Import’ einer Künstlerpersönlichkeit mit allem, was diese in 3 Monaten zu geben vermag, sondern vor allem der `Export’ – nämlich das, was der Künstler aus Erfurt an Positivem in der Welt zu berichten weiß - nachhaltig zum Gelingen dieses Konzeptes beiträgt". Und auch der Stadtgoldschmied selbst kann einen Schatz nach Hause tragen. Helen Britton formuliert in ihrem Dank an die Stadt Erfurt und viele andere, auch neue Partner und Freunde: "Diese Erfahrung ist für mich prägend, als ein Baustein in meinem Gesamtwerk." Und in ihrem letzten Tagebucheintrag heißt es: "Es war so toll bei dir zu sein, der Anfang einer langen Beziehung. Bis bald, Stadt Erfurt, und mach’s gut!!! Deine Stadtgoldschmiedin 2007 Helen"