Eröffnung der mittelalterlichen Mikwe: Neuer Bestandteil im Netzwerk "Jüdisches Leben in Erfurt"

11.08.2011 14:20

Am Sonntag, dem 4. September 2011 - dem Europäischen Tag der Jüdischen Kultur - wird dem Netzwerk "Jüdisches Leben in Erfurt" sowie der Unesco-Bewerbung ein neues wichtiges Puzzleteil hinzugefügt: Die museale Präsentation der mittelalterliche Mikwe in ihrem neu errichteten Schutzbau wird an diesem Tag der Öffentlichkeit übergeben.

2007 entdeckten Archäologen des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie die mittelalterliche Mikwe. Das Ritualbad stammt aus dem 13. Jahrhundert. Ein älteres Mauerstück vor der Südwand weist auf einen Vorgängerbau hin, den die Gemeinde wahrscheinlich im 12. Jahrhundert errichtete.
Eine Mikwe ist ein jüdisches Tauchbad, das der rituellen Reinigung dient. Neben der Synagoge und dem Friedhof gehört sie zu den wichtigsten Einrichtungen einer jüdischen Gemeinde. Das Netzwerk "Jüdisches Leben in Erfurt" wird somit um ein wichtiges Baudenkmal, das Einblick in die mittelalterliche jüdische Kultur Erfurts gibt, bereichert.
Zum Netzwerk gehören zahlreiche Zeugnisse jüdischen Lebens in Erfurt, unter anderem die Alte, Kleine und Neue Synagoge. Aus der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde haben sich sowohl das Gotteshaus - die Alte Synagoge - als auch das rituelle Bad - die Mikwe - erhalten. Für diese einzigartigen Baudenkmale strebt die Stadt Erfurt den Titel 'Unesco-Weltkulturerbe' an.
Jüdinnen und Juden nutzten das rituelle Tauchbad, wenn sie mit Toten, etwa bei der Vorbereitung einer Bestattung, mit Blut oder anderem, in religiösem Sinne Unreinen, in Kontakt waren. Rituelle Reinheit erlangte man durch das vollständige Untertauchen in "lebendigem Wasser", etwa Grundwasser, wie bei der Erfurter Mikwe. Noch heute funktioniert die Wasserversorgung im Becken. Der Wasserstand ist jedoch viel niedriger als im Mittelalter, da sich der Grundwasserspiegel inzwischen stark verändert hat.
Nach intensiven archäologischen Untersuchungen kann die mittelalterliche Mikwe am 4. September 2011 um 10:30 Uhr der Öffentlichkeit übergeben werden. Um ihre baulichen Überreste zu sichern und vor Witterungseinflüssen zu schützen, begann die Stadt 2008 mit der Planung einer baulichen Hülle: Eine besondere Herausforderung war dabei der Spagat zwischen "Zeigen" und "Verbergen", die Mikwe also einerseits angemessen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, andererseits aber ihrer ursprünglichen Funktion als intimer ritueller Raum Rechnung zu tragen. Abgesehen von notwendigen Sicherungsmaßnahmen an der baulichen Substanz erfolgte keine Rekonstruktion der Mikwe.
Errichtet wurde der Schutzbau durch das Büro Gildehaus.Reich Architekten aus Weimar. Das Material der Hülle setzt sich im Inneren und an den Schnittstellen zum Außenraum sichtbar von den baulichen Überresten der Mikwe ab und verzichtet so auf jegliche historische Reminiszenz.

Die Mikwe kann im Rahmen von gebuchten und öffentlichen Führungen besichtigt werden. Diese sind separat oder in Verbindung mit dem Besuch der Alten Synagoge buchbar. Ausstellungstafeln am Schutzbau der Mikwe informieren über den rituellen und geschichtlichen Hintergrund des Tauchbads. Außerdem ist das Wasserbecken des Ritualbads jederzeit durch ein Fenster auf dem Dach des Schutzbaus einsehbar.