Jüdischer Grabstein geht in Kur. Restaurierung in der Fachhochschule Erfurt. Weitere Neufunde-nun ältester in Erfurt erhaltener jüdischer Grabstein von 1244

27.06.2012 11:30

"Seit auf dem Gelände zwischen der Andreasstraße, der Großen Ackerhofgasse und der Moritzstraße neue Wohnungen gebaut werden, kamen zahlreiche mittelalterliche jüdische Grabsteine neu zu Tage," beginnt Ingo Mlejnek, Beigeordneter für Bau und Verkehr der Stadt Erfurt die Erläuterungen anlässlich eines Ortstermins im Depot des Angermuseums in der Salinenstraße. In der Nähe des Fundorts befand sich bis zum 15. Jahrhundert der Friedhof der Jüdischen Gemeinde. A n seiner Stelle errichtete die Stadt eine städtische Scheune und später den großen Kornspeicher, der noch heute steht. Die Grabsteine wurden als Baumaterial wiederverwendet. Gerade in unmittelbarer Nähe wurden in der letzten Zeit zahlreiche dieser Steine wieder entdeckt.

"Unter den Neufunden waren einige ganz besondere Steine", setzt Mlejnek fort. So konnte bereits im Februar der bis dahin älteste bekannte Grabstein, gesetzt für Dolce im Jahr 1259, der Presse vorgestellt werden.

Unter den neu entdeckten Steinen waren jedoch sogar zwei noch ältere Steine: Drei Grabsteine waren Anfang des Jahres geborgen worden, sie waren allerdings sehr stark verschmutzt und dadurch nicht lesbar. Erst nach der groben Reinigung durch Restauratoren der Zentralen Restaurierungswerkstätten der Stadt Erfurt konnten die Inschriften gelesen werden.
"Danach stammt der nun älteste Erfurter Grabstein aus dem Jahr 1244, durch eine Bruchstelle ist der Name ist nicht lesbar. Der zweitälteste Stein ist derjenige des David aus dem Jahr 1250," informiert der Beigeordnete.

Auch der dritte Stein ist etwas ganz Besonderes. Es ist der Grabstein der Hanna, der vermutlich aus dem Jahr 1340 stammt. Bei diesem Stein ist die Inschrift für Erfurt außergewöhnlich. Sie umfasst neben den gängigen Angaben zum Namen der Verstorbenen, ihrem Vatersnamen und dem Sterbedatum einen langen, poetischen Segensspruch. Dieser Stein ist allerdings noch immer schwer lesbar, die Oberfläche teilweise von einer Sinterschicht überzogen. Aus diesem Grund wurde der Stein heute (28.6.12) in die Fachhochschule (FH) Erfurt transportiert, wo die Oberfläche gereinigt werden soll. "Es geht nicht um eine vollständige Reinigung des Steines", sagt Thomas Staemmler, Professor für Konservierung und Restaurierung von Plastischem Bildwerk und Architektur aus Stein an der FH Erfurt. "Wichtig ist die Lesbarkeit der Inschrift. Das ist eine gute Übung für meine Studierenden."
Im Fachbereich Konservierung und Restaurierung der FH Erfurt wurden in den vergangenen Jahren bereits eine ganze Reihe mittelalterlicher jüdischer Grabsteine bearbeitet, darunter auch einer der Steine, die im Hof der Alten Synagoge ausgestellt sind. Der Doppelgrabstein zweier Knaben wurde 2009 konserviert und aus zwei Teilen zusammengesetzt, andere Steine und Fragmente konnten gefestigt werden. Möglicherweise schließen sich weitere Projekte an. "Es bietet sich an, Studierende ein Konzept zur Restaurierung der erhaltenen jüdischen Grabsteine erstellen zu lassen, unter Berücksichtigung des zukünftigen Umgangs mit den Steinen. Auch eine Untersuchung zur Werktechnik ist denkbar", so Thomas Staemmler.

Insgesamt sind heute 58 mittelalterliche jüdische Grabsteine und Grabsteinfragmente erhalten. Zumeist handelt es sich dabei um kleinere Bruchstücke, auf denen nur einzelne Buchstaben oder wenige Wort zu lesen sind. Andere haben sich komplett erhalten. Drei Steine werden in der Alten Synagoge ausgestellt, die übrigen befinden sich im Depot des Angermuseums in der Salinenstraße. Weitere 92 Grabsteine sind von Beschreibungen, Abschriften oder Fotografien bekannt.
Die Erfurter Grabsteine stammen aus der Zeit zwischen der Mitte des 13. und dem frühen 15. Jahrhundert und damit aus einer Zeit, aus der sich nur wenige jüdische Grabsteine erhalten haben. Ingo Mlejnek erklärt dazu abschließend: "Die Steine sind ein wichtiges Zeugnis für die jüdische Vergangenheit wie die Erfurter Stadtgeschichte – und ein integraler Bestandteil des Jüdisch-mittelalterlichen Erbes von Erfurt, für das der Titel "Unesco-Welterbe" beantragt wird."