"Am lauten Ort ist die Stille das Spektakuläre": Sonderausstellung im Angermuseum

12.07.2012 12:13

Ausstellung "Regine Bonke | Vom Denken im Raum | Konkrete Papierobjekte". Im Kabinett: František Drtikol | Fotografien

Mit Boden ‐ und Wandobjekten, mit Winkeln, Stelen und Kuben gestaltet Regine Bonke behutsam, niemals laut, Dialoge mit dem Raum. Ihre Formen und Formenreihungen beziehen sich auf universell gültige, geometrische Proportionen. Die Künstlerin trotzt so der Welt ein bisschen System ab und setzt dem alltäglichen Chaos Geradlinigkeit, Klarheit und Harmonie entgegen. Dabei begegnet die nüchterne Variation des rechten Winkels der haptischen Sinnlichkeit eines manuellen Verfahrens. Eine zuvor hergestellte und eingefärbte Papiermasse wird in einem ununterbrochenen Arbeitsgang auf geometrische Holzobjekte geschöpft. Getrocknet gibt die so gewonnene Beschichtung in ihrer Unregelmäßigkeit der strengen Geometrie eine lebendige Haut. In den vergangenen Jahren hat Regine Bonke in der Reihe der "Stapelstücke" ihr außergewöhnliches Material u.a. um Corten ‐ Stahl, Plexiglas und Gummi erweitert. In einem letzten, entscheidenden Schritt eignet sich die Künstlerin den Ausstellungsraum an. Die vorher in Skizzen geahnte Raumwirkung muss ihre Tauglichkeit unter realen Bedingungen erweisen. Erst in dieser Phase vollendet sich der Werkprozess. Axiale Bezüge werden nachgezeichnet, Nischen besetzt, Raumkanten akzentuiert und der Lichteinfall zur endgültigen Gestaltung genutzt, wodurch ein faszinierendes Zugleich von geometrischer Eindeutigkeit und visueller Vieldeutigkeit sichtbar wird.
In Erfurt ist Regine Bonke seit vielen Jahren dem Forum Konkrete Kunst verbunden, wo sie (zusammen mit Ulrich Otto) 2001 erstmals ausgestellt hat. 2004 trug sie dann mit ihren plastischen Arbeiten in einer Gruppenausstellung dazu bei, im Angermuseum eine "kleine Kathedrale der Moderne" (TLZ v. 10.04.04) entstehen zu lassen. Über 200 Einzel ‐ und Gruppenausstellungen in Deutschland und weltweit haben ihr Werk weit überregional bekannt gemacht, besonders eindrucksvoll im Zuge ihrer Beteiligung an mehreren Ausstellungen der Teilnehmerinnen des Gabriele ‐ Münter ‐ Preises im Martin ‐ Gropius ‐ Bau Berlin und im Frauenmuseum Bonn. Zum ersten Mal seit der Wiedereröffnung des Angermuseums werden im großen Sonderausstellungsraum ausschließlich Objekte und Rauminstallationen präsentiert, darüber hinaus wird man auch in anderen Räumen und an der barocken Fassade des Angermuseums kleine Interventionen der Künstlerin finden, welche die Wahrnehmung herausfordern und längst bekannt Geglaubtes ins Blickfeld rücken.
Parallel zur Ausstellung "Vom Denken im Raum | Konkrete Papierobjekte" zeigt das Angermuseum in den Kabinetten des Sonderausstellungsbereichs:
František Drtikol. Fotografien
František Drtikol (1883–1961), gilt als der erste tschechische Fotograf von internationaler Bedeutung. Sein für kurze Zeit in Vergessenheit geratenes fotografisches Werk wurde 1972 durch eine legendäre Ausstellung von Anna Fárová in Prag wiederentdeckt. Die Ausstellung, zusammengetragen von der Galerie Kicken Berlin, widmet sich der Aktfotografie, einem Schwerpunkt der Arbeiten Drtikols. Seine frühen Fotografien, in denen er seine Akte abwechselnd als Traumnymphe oder Femme fatale inszeniert, sind stark vom Jugendstil und Symbolismus beeinflusst. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entwickelte er einen eigenen faszinierenden fotografischen Stil, der von geometrischen Elementen, expressiv ‐ dynamischen Posen und dramatischen Lichtinszenierungen geprägt ist. Als "Fotograf des Art Déco", so Anna Fárová, fand Drtikol zu einer eigenständigen, vom Futurismus, Expressionismus und Kubismus inspirierten, dennoch stets lyrischen Formensprache.
Ausstellungsinformationen

22.07.2012 ‐ 23.09.2012
Eröffnung am 21.07. um 16 Uhr
Regine Bonke | Vom Denken im Raum | Konkrete Papierobjekte
Im Kabinett:
František Drtikol | Fotografien
Begleitend zur Ausstellung liegen Kataloge im Verlag der Kunst Dresden und im Hatje Cantz Verlag vor.
Öffnungszeiten: Dienstag ‐ Freitag 13 ‐ 19 Uhr, Samstag/Sonntag 11 ‐ 19 Uhr