Lesen, Spazieren

12.05.2014 14:00

Ich verlaufe mich nicht mehr so oft wie in der ersten Woche. Lerne neue Wörter. Gehe ins Kino. Und lese viel.

Woche 2 (5. Mai bis 11. Mai)

Neun Bücher auf einem Stapel, rechts der Benutzerausweis der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt. Auf dem Bücherstapel sind Titel, wie "Erfurt anders entdecken. Ein grüner Stadtführer", das Buch "Ute Rasch: Erfurt mit Stadtplan", "Antje Wagner: Mottenlicht", "Matthias Nawrath: Wir zwei allein" und Gesammelte Werke von Hemningway zu sehen.
Foto: Erste Lektüren in Erfurt: Ernest Hemingway, Clemens Meyer, jede Menge Reiseführer Foto: © Katharina Bendixen

Irrweg

Wie erkundet man eine Stadt, in der man vier Monate bleibt? Wie eine Touristin? Als würde man hier leben? Ich irre durchs Internet: Waschsalon. Copyshop. Kommunales Kino. Stadtbibliothek. Alles kommt mir wahnsinnig kompliziert vor. Als ich nach draußen trete, ist alles wieder ganz leicht: Augen auf und spazieren.

Petersberg

Annäherung an den Petersberg: Ein Spaziergang entlang des Festungsfuß‘. (Festungsfuß – ein neues Wort! Und dazu so schön.) Mir gefällt, dass das Denkmal für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur versteckt liegt, genau wie der Deserteur sich verstecken musste. Während ich den Weg um die Festung suche, geht mir auf: Flanieren, beobachten, Beobachtetes notieren, das gehört für vier Monate zu meinem Berufsbild. Ich habe jetzt eine Legitimation zum Bummeln, was für ein Glück!

Aufgeschnappte Gespräche 2

Garagenanlage unterhalb der Festung, mittags, zwei grauhaarige Männer
„… man musste nur mit denen verwandt sein … da wurden etliche fälschlicherweise hingerichtet …“

Vor dem Fest

In meinem Kopf überschlagen sich Empfehlungen: Schotte, Kunsthaus, Tikolor. Bei Hilgenfeld verstehe ich – ganz Autorin – zuerst Silbenfeld. Der Kaffee schmeckt gut. Ich lege die Reiseführer zur Seite, schließe das Mailprogramm, nehme wieder "Vor dem Fest" von Sasa Stanisic vor. Für Stunden bleibt mein Kopf in diesem Buch.

Selbstironie?

D. und ich sehen Ida im Kinoklub am Hirschlachufer. Der Film ist ruhig, langsam, sehr ästhetisch. Bemerkenswerter aber finde ich, was wir während der Vorschau erleben: "Zeit der Kannibalen" wird angekündigt, ein deutscher Film, der Ende Mai anlaufen soll. Neben schnellen Bildern wird ein Dialogfetzen eingespielt:

Sebastian Blomberg: Die Ossis haben doch keine Ahnung.

Devid Striesow: Du bist wohl Zonenexperte?

Sebastian Blomberg: Ich bin aus Erfurt.

Das gesamte Kino lacht – bis auf D. und mich. Offenbar müssen wir noch einiges über Erfurt lernen.