Bilder-Geschichten: Eine phantasievolle Erfurter Stadtansicht des 21. Jahrhunderts

22.02.2016 07:00

Die Malerei von Stadtansichten erreichte ihren Höhepunkt im 17. Jahrhundert und zählt zum Genre der Landschaftsmalerei. Die realistische Wiedererkennbarkeit der Stadt hatte dabei den höchsten Stellenwert. Wie können Stadtansichten in der heutigen Zeit aussehen? Eine interessante Antwort gibt der Maler Anthony Lowe.

Wie können Stadtansichten in der heutigen Zeit aussehen?

Bild: Anthony Lowe: Ausschnitt Erfurt (Panorama, Von Eisenach über Altenburg bis zur Sächsischen Schweiz) Grafik, ohne Maße, 2013 Bild: © Anthony Lowe

Bildbeschreibung

Erfurt liegt hier in einer hügeligen Landschaft, die durch verschiedene Grüntöne der Natur strukturiert ist. Im Mittelpunkt des Ausschnitt-Bildes drängt sich eine Komposition von Erfurter Sehenswürdigkeiten zusammen. Die Wahrzeichen der Stadt Erfurt anhand ihrer Konturen und charakteristischer Eigenheiten recht gut zu erkennen, doch werden sie in ihrer Form stark verändert. Den Domberg mit  dem Sankt-Marien-Dom und der Severikirche hat Anthony Lowe etwas erhöht über den anderen Gebäuden platziert. Der Dom neigt sich nach links und seine Turmspitzen ragen weit und dabei nicht immer geradlinig in den Himmel. Dagegen sind die Turmspitzen der Severikirche so schmal gezeichnet, dass sie kaum zu erkennen sind. Bunte Fachwerkhäuser, die die Altstadt von Erfurt charakterisieren, nehmen den meisten Raum des Bildes ein. Dabei sind berühmte Gebäude sofort erkennbar, wie zum Beispiel das „Haus zum Breiten Herd“ und das angrenzende „Gildehaus“, die sich rechts im Bild befinden. Diese Bauwerke wölben oder biegen sich in verschiedene Längen: Es wirkt so, als würden sie auf der Stelle tanzen, und diese Bewegung ließe sie wie eine zerlaufende Eistorte aus der Form gleiten. Dennoch halten sie unverbrüchlich zusammen und ergeben so ein farbenfrohes und lebhaftes Stadtbild.

Der Künstler

Anthony Lowe ist ein englischer Maler, der im Altenburger Land lebt und arbeitet. Er befasst sich mit Städten und ihrer Wirkung auf die Betrachter und Besucher. Die Ansicht von Erfurt ist Teil eines Panoramas, das sich im sogenannten Flaschenturm des Residenzschlosses in Altenburg befindet. Seit April 2013 können Besucher das zwanzig Meter lange und sechs Meter hohe Panorama besichtigen. Lowe nennt sein Werk „Von Eisenach über Altenburg bis zur Sächsischen Schweiz“; es zeigt Stadtansichten aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das Panorama ist ein Kunstwerk aus verschiedenen Fotografien, die der Künstler digital bearbeitet und neu zusammengesetzt hat, um das Besondere jeder Stadt aufzuzeigen. Dabei handelt es sich nicht um eine traditionelle Panorama-Form. Vielmehr hat Lowe in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Falk Zenker und dem Lichtingenieur Mario Bösemann eine moderne Variante mit einer Multimedia-Installation kombiniert. Lowe spricht selbst von einem „märchenhaften Grundton“ in seinen Werken, und genau dieses Gefühl vermittelt er dem Besucher im Flaschenturm zu Altenburg.

Lowe zeigt insofern keine realen Darstellungen von Städten, vielmehr transportierte Stadtdetails, die in verschiedenen Ansichten präsentiert werden. Dabei handelt er nach dem Grundsatz „Bilder die ich male, sind nicht für Galerie-Menschen“. Es ist ihm wichtig, Werke zu schaffen, die wirklich jeder neugierige Mensch erfassen kann.

Lesen Sie einige Kommentare des Künstlers

1. Stil:

Ich möchte den Betrachter ins Bild locken. Dazu platziere ich ein Bild in jede Stadt und dann verändere ich die Stadt. Stille ist auch sehr schön. Sie ist aber nicht meine Priorität. Meine Priorität ist rastlose Bewegung. Auch die rastlose Bewegung der Augen des Betrachters über der Bildfläche. Das steuere ich mit Farbe, mit Licht und Schatten, mit unterschiedlichen Effekten und kleinen Details, zum Beispiel enge Straßen und Multiperspektiven.

2. Thüringen als Bildmotiv:

Thüringen hat eine über tausendjährige Geschichte und seine eigene kulturelle Identität. Es ist nicht zweiter Klasse, es hat seine unbestreitbaren Eigenarten. Thüringen hat viele historische Gebäude, Dörfer und viele Leute sind heimatverbunden. Ich finde, dass es eine Geschichte ist, die man erzählen kann.

3. Werk und Intension:

Ich verstehe mich als Portraitmaler der urbanen Umwelt. Es stört mich nicht, dass manche Leute meine Arbeit als konservativ verstehen. Die Bilder, die ich male, sind nicht für Galerie-Menschen. Sie sind für 99 Prozent der Bevölkerung, die nicht professionell tagtäglich mit Gemälden umgehen. Ich möchte Bilder malen, die Leute verstehen. Ich könnte für Monate in einer Bibliothek sitzen und mit einem ganz philosophischen Thema ankommen. Aber nur eine Handvoll Leute würden mich verstehen. Jedoch ein Bild von einer Stadt können viel mehr verstehen.

Anthony Lowe, Jäger im Dschungel der Stadt, 1999