Der Erinnerungsort trauert um Esther Bejarano

12.07.2021 16:18

Die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano starb am 10. Juli 2021 im Alter von 96 Jahren. Vor neun Jahren war sie zum ersten Mal als Zeitzeugin Gast des Erinnerungsortes Topf & Söhne und der Landeszentrale für politische Bildung. Das Gespräch und ihr gemeinsam mit der Hip-Hop-Band Microphone Mafia gestaltetes Konzert „Per la Vita“ (Für das Leben) waren Höhepunkte der Gedenktage an die Ermordung der Thüringer Juden im Mai 2012.

Filminterview mit Auschwitz-Überlebender bald online

Foto: Esther Bejarano im Filminterview, Mai 2012 Foto: © Erinnerungsort Topf & Söhne

Bei diesem Besuch in Erfurt berichtete Esther Bejarano ausführlich vor der Filmkamera über ihr Leben. Sie wuchs mit drei Geschwistern als Tochter des Kantors der jüdischen Gemeinde in Saarbrücken auf. Nach dem Anschluss des Saarlandes an das Deutsche Reich 1935 wurde die Familie verfolgt, zwei Geschwister konnten noch emigrieren. Ihre Eltern und ihre Schwester wurden ermordet, sie selbst überlebte als 18-jähriges Mädchen das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau als Mitglied des sogenannten Mädchen-Orchesters.

Foto: Esther Bejarano und der Rapper Kutlu Yurtseven von der Microphone Maphie am 7. Mai 2012 in Erfurt Foto: © Erinnerungsort Topf & Söhne / Boris Hajdukovic

Im Interview beschrieb sie ihre Befreiung nach ihrer Flucht von einem Todesmarsch im April als ihre „zweite Geburt“. Ihre Forderung, den Tag des Kriegsendes am 8. Mai als „Tag der Befreiung“ zu einem Feiertag zu machen, wurde im letzten Jahr zur Initialzündung für die bundesweiten glänzenden Aktionstage „Gold statt Braun“. Am 8. Mai 2020 beteiligten sich mehr als 70 und am 8. Mai 2021 mehr als 100 Kultureinrichtungen sowie Künstlerinnen und Künstler in Erfurt und webten ein goldenes Band durch die Stadt, als Symbol für Vielfalt und Freiheit, gegen Hass und Ausgrenzung.

In ihrem eigenen unermüdlichen Engagement gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus vertraute Esther Bejarano auf die Kraft der historisch-politischen Bildung. „Wenn man aber weiß, was damals geschah und warum das geschah, dann habe ich die Hoffnung, dass so etwas nie wieder passieren kann“, sagte sie im Filminterview mit dem Erinnerungsort.
 

Foto: Junge Menschen im Zeitzeugengespräch mit Esther Bejarano Foto: © Stadtverwaltung Erfurt, Boris Hajdukovic

Auf die Frage, wie Deutschland sich erinnern solle, wenn sie einmal nicht mehr am Leben sei, antwortete Esther Bejarano in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit im Jahr 2015: „Wir haben ein bisschen vorgesorgt. Wir haben Filme gedreht, Bücher geschrieben. Das muss dann helfen.“

Im Sinne dieses Vermächtnisses arbeitet der Erinnerungsort Topf & Söhne derzeit das Filminterview mit ihr sowie mit neun weiteren Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtung für die Veröffentlichung auf seiner Website auf. Noch vor wenigen Tagen hat Esther Bejarano ihre Zustimmung für diese Veröffentlichung erklärt. Bisher waren die Filminterviews nur in einer Wanderausstellung zugänglich. Zu Beginn des nächsten Schuljahres werden sie online sein. In Seminaren am Erinnerungsort wird die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit diesen Interviews pädagogisch begleitet.

Gemeinsam mit der Familie und dem Auschwitz-Komitee, deren Vorsitzende Esther Bejarano bis zu ihrem Tod war, trauert der Erinnerungsort Topf & Söhne um eine große Kämpferin für Demokratie und Menschenrechte. Ihre Botschaft ist heute wichtiger denn je.