"Kunstmärchen" - Installation/Malerei/Video/Fotografie der Künstlergruppe Sebastian Brandt, Carsten Weitzmann, Marcel Krummrich, Nadine Wottke

30.09.2010 10:52

Ausstellung ab 09.10.2010 im Kulturhof Krönbacken

Märchen (mittelhochdeutsch Maere = "Kunde, Bericht, Nachricht") sind Prosaerzählungen, die von wundersamen Begebenheiten berichten. Im Gegensatz zum mündlich überlieferten und anonymen Volksmärchen steht die Form des Kunstmärchens, von dem der Autor bekannt ist. Im Unterschied zur Sage und Legende sind Märchen frei erfunden und ihre Handlung ist weder zeitlich noch örtlich festgelegt. Allen bekannt und doch immer wieder rätselhaft, bieten sie eine wunderbare Möglichkeit spielerisch und poetisch elementare, zum Teil existenzielle Geschichten zu erzählen. Als Metaphern bzw. Stellvertretergeschichten umreißen sie eine Vielzahl menschlicher Grundfragen, wie "Erwachsenwerden", "Geschlechterrollen", "Heimat" u.v.a.. Gerade um den Begriff der "Heimat" bzw. einer regionalen und nationalen Identität, ging es bereits den Deutschen Romantikern, dies erklärt ihr Interesse an der Sammlung und Bewahrung der deutschen Märchen. In den Zeiten nach der napoleonischen Fremdherrschaft waren sie Teil einer freiheitlich, bürgerlichen Identifikation. In der heutigen Zeit fortschreitender Globalisierung ist es spannend und notwendig, sich mit Verortung und Identität zu beschäftigen. In der Ausstellung "Kunstmärchen" nähern sich vier Erfurter Künstler in ihrer eigenen Sprache und mit ihren künstlerischen Mitteln, von verschiedenen Blickwinkeln aus diesem Thema.
Der Absolvent der Bauhaus-Universität, Sebastian Brandt, schafft für diese Ausstellung eine große Rauminstallation, die Bodenlegung eines mäandernden Schlangenwesens, "Glatisant", ein Fabeltier aus der Artus-Sage, bestehend aus einigen Tausend handwerklich hergestellten Blaudruck-Stoffkaros. Dazu entsprechend einen Wandbehang und das Papierartefakt einer gefälschten mittelalterlichen Handschrift zum Glatisant, inszeniert als Museumsinventar. Mit einem Video lässt er uns am Leben in einem Dorf in Westnepal, in einer sehr abgelegenen Region des Hochhimalayas teilnehmen. Einheimische erzählen Märchen und Geschichten aus ihrer Tradition und über ihre Vorstellungen die sie von der westlichen Welt haben.
Der Fotograf Marcel Krummrich erarbeitet seit einiger Zeit großformatige Bilderserien, diese drehen sich immer wieder um die Themen "Wald" und "Heimat". So hat er über ein Jahr daran gearbeitet, gerade im Thüringer Wald mit exemplarischen Bildern sein Gefühl von Heimat greifbar zu machen. In der Ausstellung erzählt Krummrich in einer Fotoserie mit märchenhaften Mitteln, die Geschichte einer ungewöhnlichen und unmöglichen Liebe und der Angst vor dem Fremden. Die Bilder sind unterschiedlich gerahmt und gehängt wie in einer Sammlung alter Meister.
Carsten Weitzmann beschäftigen gesellschaftspolitische und philosophische Gesetzmäßigkeiten. Ähnlich den naturwissenschaftlichen Parametern, sieht er dort "Stellvertreterfiguren" am Werk, sein "Personal", wie er es nennt, die ihre (historisch) eigenen ideologischen (bild-wörtlichen) Systeme generieren. Bei all seinen Arbeiten kommt seit Jahren, egal in welchem Medium, ob Malerei, Zeichnung, Video etc. ausschließlich dieses zwanzigköpfige "Personal" zum Einsatz. Für diese Ausstellung arbeitet Weitzmann konsequent mit Silhouetten , in Cut-Outs, Zeichnungen und Video . Eine Reminiszenz an die Pionierin des Scherenschnittfilmes Lotte Reiniger, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts durch zahlreiche Märchenfilme bekannt geworden ist.
Die Kunst von Nadine Wottke ist von einer leidenschaftlichen Intuition geprägt und entzieht sich somit kokett dem konzeptionellen Mainstream der Kunst heutiger Tage. Ihre Arbeiten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Phantasie und Wirklichkeit und hinterlassen ein kafkaeskes Intermezzo. Geführt von einer romantischen Sehnsucht nach unkonventioneller Zügellosigkeit offenbaren ihre Figuren eine Essenz menschlicher Facetten. In der Ausstellung "Kunstmärchen" zeigt Nadine Wottke Porzellanplastiken aus den Serien "Spieluhrmadonnen" und "Cindy", welche von einer tiefen Sehnsucht nach dem Ungezähmten sprechen, wie auch großformatige grafische Arbeiten der Serie "Cindy" in denen sie eine aufblasbare Lustpuppe zum Leben erweckt und diese mit Eigensinn und der Suche nach Identität konfrontiert.
Pressegespräch: 07.10., 11 Uhr
Vernissage: 09.10., 19 Uhr
Ausstellungsdauer: bis 07.11.2010, Di - So 11-18 Uhr