Lebendige Erinnerung: Schüler-Radioprojekt im Erinnerungsort Topf & Söhne

27.01.2012 15:17

Anlässlich des heutigen Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus ist Éva Pusztai aus Budapest zu Gast in Erfurt . Annegret Schüle, die Leiterin des Erinnerungsortes, empfindet diesen Besuch als großes Geschenk.

Die heute 85-Jährige wurde im Juni 1944, drei Monate nach der Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht, mit ihrer Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Nur sie überlebte. In diesem Sommer 1944 wurden in wenigen Wochen fast 440.000 Menschen aus Ungarn in Auschwitz-Birkenau ermordet, in   Gaskammern, die mit Be- und Entlüftungsanlagen von Topf & Söhne ausgerüstet waren und dadurch nach dem Morden schnell geräumt und wieder genutzt werden konnten. Danach wurden die Toten in den Öfen von Topf & Söhne verbrannt. Unter ihnen waren die Eltern, die Schwester und fast fünfzig Verwandte von Eva Pusztai. Das Motiv für den Vernichtungswillen der Nationalsozialisten: Diese Menschen gehörten der jüdischen Religion an oder sie wurden von den Nazis per Gesetz zu "Juden" gemacht und deshalb verfolgt.
Eva Pusztai ist nach Erfurt gekommen, weil sie der jungen Generation mit auf den Weg geben will, wie existentiell Demokratie und menschliches Miteinander sind. Am Donnerstag sprach sie im Erinnerungsort zu Jugendlichen aus der Berufsbildenden Schule für Gesundheit und Soziales und im Königin-Luise-Gymnasium. Schüler dieses Gymnasiums erarbeiten seit einer Woche Beiträge für die Radiosendung "Lebendige Erinnerung" , die am Samstag, 28. Januar, um 19:30 Uhr live im Erinnerungsort vor Publikum produziert wird. Die Schüler dokumentieren die Zeitzeugengespräche mit Eva Pusztai und anderen ehemaligen Häftlingen, die zum Gedenken im Thüringer Landtag eingeladen wurden, erforschen Dokumente der Firma Topf & Söhne in der Ausstellung im ehemaligen Verwaltungsgebäude und befragen Passanten auf Erfurter Straßen, was sie von Topf & Söhne und dem Gedenktag wissen. Am   28. Januar wird Éva Pusztai bei der Produktion der Radio-Sendung anwesend sein. Der lebendigen Erinnerung dient auch das Konzert "Komponisten im Holocaust" am selben Abend um 17:00 Uhr. Das Musica-rara-Ensemble bringt mit Kompositionen von Erwin Schulhoff, Hans Krása, Hugo Distler und Gideon Klein Werke zur Aufführung, die zum Bedeutendsten der europäischen Musikgeschichte gehören und nur deshalb vom Vergessen bedroht sind, weil ihre Schöpfer in Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet wurden.

Die Veranstaltungen des Erinnerungsortes finden in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, Radio F.R.E.I. und der Landeszentrale für politische Bildung statt. Eintritt frei. Spenden sind willkommen.