Jahresauftakt im Krönbacken mit Fotogrammen aus der Fachhochschule und kartografischen Abstraktionen aus Mainz

11.01.2008 00:00

Zeichnen mit Licht

Studierende des Fachbereichs Architektur an der FH Erfurt experimentierten im vergangenen Jahr mit einem alten fotografischen Verfahren. Ohne die Verwendung einer Kamera entstanden die Bilder direkt in der Dunkelkammer. Eine thematische Einschränkung bei der Auswahl der verwendeten Motive und Materialien gab es nicht. Es war erstaunlich, mit welcher Experimentierfreude und welchem Einfallsreichtum die Studenten dieses Thema bearbeitet haben: Unspektakuläre Alltagsgegenstände, die durch die fotografische Transformation interessante Bilder ergaben, Insekten, die während der Belichtung über das Fotopapier krabbeln und ihre Spuren hinterlassen, Experimente mit der Wirkung unterschiedlicher Flüssigkeiten auf das fotografische Papier.
Die Bildergebnisse, die von so vielen überraschenden und unkalkulierbaren Zufällen abhängen, wurden von den Studenten nach dem Dunkelkammerprozess am Computer bearbeitet und konkretisiert. Die Endergebnisse wurden mit Plottern auf großformatiges Fotopapier gedruckt.
Das Fotogramm kann als Urform der Fotografie bezeichnet werden. Fotopioniere begannen vor etwa 170 Jahren Papier mit lichtempfindlichen Substanzen zu beschichten und experimentierten dabei mit Gegenständen aus ihrem direkten Umfeld: Sie legten Blumen, Gräser, Stoffe und ähnliches auf das lichtempfindliche Papier. Unter Einwirkung von Sonnenlicht entsteht ein detailreiches negatives Abbild des Objekts. Natürlich sind nicht nur Pflanzen geeignet, um Fotogramme herzustellen. Eigentlich eignet sich alles, was auf ein Blatt Fotopapier passt: Knöpfe, Nähzeug, Glas, Nudeln, Schrauben, Papier oder Folien.
Man kann beobachten, dass experimentelle fotografische Verfahren, derzeit eine Renaissance erleben. In den letzten Jahren sind häufig Arbeiten zu sehen, die mit der Camera Obscura (Lochblendenkamera) oder mit Hilfe fotohistorischer Verfahren entstanden. Die digitale Fotografie hat die »alte analoge« Fotografie mittlerweile schon längst überholt. Die chemische Fotografie wird jedoch in einigen Nischenbereichen weiter existieren. Einer dieser Bereiche ist die Herstellung von Fotogrammen in der Dunkelkammer. Es hat etwas von Magie, wenn im Entwicklerbecken das »Röntgenbild« eines Gegenstandes auftaucht, den man kurz zuvor auf ein Blatt Fotopapier gelegt hat. Bei der Herstellung von Fotogrammen erlebt man immer wieder Überraschungen. Nichts kann vollkommen vorausgeplant werden. Jedes dieser Bilder ist ein Unikat. Nie wird man das Bildergebnis exakt wiederholen können.
Jörg Behrens, Diplom-Designer im FB Architektur der FH Erfurt, der die Studentengruppe anleitete und inspirierte, ist selbst schon sowohl im Haus Dacheröden (zum Thema "Nudel") als auch am selben Ort (zum Thema "Perpetuum mobile") mit seinen ebenso anspruchsvollen wie witzigen Fotoexperimenten von nachhaltiger Wirkung in Erscheinung getreten.
Kartographie und Abstraktion
Noch vor der offiziellen Jubiläumsausstellung anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft zwischen Mainz und Erfurt im Februar mit Mainzer Künstlern im gleichen Hause präsentiert sich ein Mainzer Künstler mit eigenwilligen Interpretationen urbanistischer Kunst - und hat sich natürlich auch mit der Partnerstadt Erfurt bildnerisch auseinandergesetzt.
Der 1961 in Bitburg geborene Joachim Kreiensiek absolvierte von 1983 bis 1993 ein Studium der Kunsterziehung und Politik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, bevor er 1994 ein Diplom in Freier Kunst bei Prof. Klaus Jürgen Fischer erwarb und neben zahlreichen Ausstellungen in Deutschland, Frankreich und Italien auch durch verschiedene Stipendien - zuletzt in den USA und Frankreich - auf sich und sein originelles Kunstkonzept aufmerksam machte.
Kreiensiek bemüht sich in seiner künstlerischen Arbeit um ein Spannungsverhältnis von Inhaltlichkeit und Abstraktion und bezieht sich auf Motivvorlagen wie Stadtkarten, Lötplatinen und Lochkarten, um Chiffren für unsere Gegenwart zu finden.
In ihrer formalen Präsenz erinnern die Lötplatinen als modernes Zivilisationsattribut an urbane Organisationsformen. Durch die malerische Behandlung der Struktur als Lichterscheinung auf schwarzen bzw. grauem Grund entsteht die Anmutung von Transzendenz und eine Abstraktion moderner Urbanität, ohne dass ein städtisches Motiv abgebildet wird.
Die dunklen deutschen Stadtbilder, die sich auf Straßenkarten als Motivvorlage beziehen, zeigen auch abstrakten Charakter. Auf Entfernung zeigen sie sich als tiefdunkle, monochrome Tafeln, als abstrakte Malerei, bei näherem Hinzutreten entdeckt sich dem Betrachter die Informationsfülle gegenwärtiger Infrastruktur in sinnlich schimmernder Verstecktheit. Das fossile Braun der Karten erdet die Strukturbilder, die als ätherische Lichterscheinungen angelegt sind. Die dunklen Stadtkarten sind in Tempera gehalten, die farbig monochromen italienischen Stadtbilder in Ölfarbe und in einem Maßstab, der den historischen Kern der Stadt und die architektonische Anlage der Gebäude erkennen lässt. Bei den italienischen Stadtkarten handelt es sich stets um einen pastos lebendigen, reliefartigen Farbauftrag,der das einfallende Licht vexierartig reflektiert.
Die Ausstellung ist dem Anlass entsprechend recht inhaltlich bestimmt. Die monochromen Stadtmotive wie Mainz, Dresden oder Siena sind in verschiedener Malweise angelegt, es geht auch immer um die Möglichkeiten von Malerei. Durch die besonderen Räumlichkeiten der mittelalterlichen Balkenarchitektur des Ausstellungsortes inspiriert, gab Kreiensiek die konzeptuelle Strenge auf und entschied sich eine grafische Arbeit einzubeziehen. Zentrales Motiv ist die Gegenüberstellung der transzendent wie marmorweißen Stadtkarte Rom mit Erfurt als großformatiger Bleistiftzeichnung. Eine Reihe kleinerer Formate fügt sich schön in die schwierige Architektur des Galerieraumes ein und zeigt ausschnitthaft Erfurt-Motive. Ein erheblicher Anteil an abstrakten Arbeiten gibt die wichtige Korrespondenz zu den monochromen Karten und erweitert die Präsentation zu Assoziations- und Beziehungsvielfalt.
17.01.2008, 11:00 Uhr - Pressegespräch zu beiden Ausstellungen,
18.01.2008, 19:00 Uhr Vernissage zum Studentenprojekt der FHE "Zeichnen mit Licht" - Fotogramme in der Galerie Waidspeicher. Die Ausstellung läuft vom 18.01. bis zum 17.02.2008.

19.01.2008, 19:00 Uhr Vernissage zur Ausstellung "Joachim Kreiensiek - Kartographie und Abstraktion - Zeichnung und Malerei" in der Galerie Waidspeicher. Diese Ausstellung läuft vom 19.01. bis zum 17.02.2008