Landeshauptstadt ehrt Christian Reichart, den Begründer des Erfurter Erwerbsgartenbaus, anlässlich seines 325. Geburtstages

01.07.2010 16:54

Am 04.07.2010 gedenken die Gärtner und Bürger der Landeshauptstadt Erfurt sowie die Gemeinde der Reglerkirche des 325. Geburtstages Christian Reicharts. Die Erfurter setzten ihm im Jahre 1867 ein Denkmal, das heute nahe der Pförtchenbrücke steht.

Zu den Aktivitäten der Landeshauptstadt zum Jubiläum Reicharts zählt die Sanierung dieses Denkmals von Christian Reichart und seines Umfeldes an der Pförtchenbrücke durch das Garten- und Friedhofsamt Erfurt sowie Erfurter Gartenbaubetriebe und OBI. Am 04.07.2010, 11:00 Uhr begehen Erfurter und Thüringer Gärtner dort seinen 325. Geburtstag mit einer Gedenkfeier und einer Kranzniederlegung.
Am gleichen Tag findet um 17:00 Uhr in der Reglerkirche ein Orgelkonzert mit   Prof. Matthias Dreißig, Organist der Predigerkirche, sowie eine Einführung zum Leben und Wirken Christian Reicharts als Organist von Dr. Eberhard Czekalla in der Reglerkirche zu Erfurt, Bahnhofstraße, statt. Ebenso am 04.07.2010 wird 18:30 Uhr im Deutschen Gartenbaumuseum Erfurt auf dem Gelände der Ega ein Vortrag "Zum Leben und Wirken Christian Reicharts als Gärtner in und für Erfurt" von Dr. Eberhard Czekalla, Erfurt, gehalten. Am 20.08.2010 findet 17:00 Uhr die Eröffnung der Ausstellung des Deutschen Gartenbaumuseums Erfurt zum Wirken Christian Reicharts im Alten Archiv des Erfurter Rathauses am Fischmarkt statt. Die Ausstellung ist vom 21.08.bis 05.09.2010 während der Öffnungszeiten des Rathauses zu besichtigen. Die Erfurt Tourismus & Marketing GmbH organisiert am 22./29.08 und 05.09., 10:30 Uhr, Treffpunkt Touristinformation, Benediktsplatz 1, Führungen per Fahrrad zu den wichtigsten Wirkungsstätten Christian Reicharts. Höhepunkt der Ehrung Reicharts zu seinem Jubiläum ist die Festveranstaltung am 27.08.2010, 15:30 Uhr im Festsaal des Erfurter Rathauses, Fischmarkt, zu der der Erfurter Oberbürgermeister Gäste aus ganz Deutschland, z. B. den Präsidenten des Zentralverbandes Gartenbau Herrn Heinz Herker und Nachfahren Reicharts aus Dänemark eingeladen hat und begrüßen wird. Die Festansprache wird vom Stellv. des Vorsitzenden des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt e. V., Herrn Dr. Steffen Raßloff, gehalten. Die künstlerische Umrahmung erfolgt durch den Männerchor "Liedertafel Tiefthal 1857" und das Kinderballett der Musikschule Erfurt.
In der Staatlichen Grundschule 19 "Christian Reichart", Erfurt, Im Gebreite 34, arbeiten Schüler und Lehrer gemeinsam mit dem Thüringer Ökoherz e. V. an einem Bildungsprojekt: "Die Erfurter Puffbohnen – Gärtnern wie Christian Reichart". Das Projekt wird am 27.08.2010 vor dem Festsaal des Erfurter Rathauses vorgestellt. Am gleichen Tage wird auch das zehnjährige Bestehen des Deutschen Gartenbaumuseums Erfurt begangen. Am 28. und 29.08.2010 finden die 10. Thüringer Gärtnertage mit Raritätenbörse, Veranstaltungen des MDR und Fachvorträge auf dem Gelände der Ega (Cyriaksburg) sowie   am 28.08.2010 der "Tag der offenen Tür" der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt, Leipziger Straße 75, von 9:00 Uhr bis 17:00 statt.

Christian Reichart wirkte in Erfurt in einer Zeit, in der die Wiederbelebung der Wirtschaft und des Handels wichtiges Ziel der Mainzer Erzbischöfe war. Er wurde im gleichen Jahr wie J. S. Bach und G. F. Händel geboren und er wohnte gegenüber der Reglerkirche. In dieser ist er im Taufregister eingetragen, hier wurde er 1711 getraut und hier war er ehrenamtlicher Organist (1718 bis 1734).

Nachdem sein Vater 1689 verstarb, heiratete seine Mutter den Landwirt Christoph Engelhart, der ihm eine umfassende Allgemeinbildung ermöglichte. Reichart lernte in der Reglerschule, erhielt Klavier- und Orgelunterricht sowie kaufmännischen Privatunterricht bei seinen Hauslehrern in Mathematik, Schreiben, Latein, Geschichte und Geographie.

Ab Juli 1705 besuchte er die akademischen Lektionen in Naturwissenschaften, Logik, Philosophie und Jura an den Universitäten in Erfurt und Jena. Reisen ergänzten seine Bildung. Reichart war Jurist und hatte keine gärtnerische Ausbildung als er den umfangreichen Garten- und Ackerbaubetrieb seines schwer erkrankten Stiefvaters 1721 in Obhut nahm. Im täglichen Gespräch gab der Stiefvater Hinweise. Reichart erprobte diese in der täglichen Praxis. Die Ergebnisse und seine Erkenntnisse dazu schrieb er auf.

Nach dem Tod des Stiefvaters 1722 führte er den Betrieb mit Erfolg weiter, las Bücher und Zeitschriften, korrespondierte mit Gärtnern und Landwirten auch über die Grenzen Deutschlands hinaus, analysierte kritisch Produktionsbedingungen, -mittel und -verfahren, die er bei Bedarf veränderte. Er erprobte Neues und stellte seine Erkenntnisse in seinen umfangreichen praktischen und wissenschaftlichen Informationen zur Diskussion – ein für die damalige Zeit ungewöhnlich praktisch-wissenschaftlicher Arbeitsstil.

Seine Veröffentlichungen umfassen mehrere Tausend Seiten. Sein Gesamtwerk ließ ihn zu einem Wegbereiter des intensiven Erwerbsgartenbaus nicht nur in Erfurt werden. Reichart erwarb sich nachhaltige Verdienste im Garten- und Ackerbau, z. B. durch: Nutzung und Publikation einer 18jährigen Fruchtfolge ohne Brache mit gärtnerischen und landwirtschaftlichen Gliedern, Erkenntnisse zur intensiven Bodennutzung durch Bodenbearbeitung, Düngung und Bewässerung im Obst-, Gemüse- und Weinbau als auch im Ackerbau, gezielte Selektion als Züchtungsmethode und effektive Verfahren der Saatgutvermehrung bei Gemüse und Zierpflanzen, Anbau damals wenig bekannter Gemüsearten – z. B. Blumenkohl, Artischocken, Brokkoli, Entwicklung neuer Anbausysteme, z. B. bei Brunnenkresse und Blumenkohl, Einführung von Arbeitsgeräten und –verfahren für die Steigerung der Arbeits- und Flächenproduktivität, arbeitswirtschaftliche Studien und Empfehlungen zur Gestaltung von Arbeitsprozessen, aber auch zur Entwicklung der Betriebs- und Volkswirtschaft und Vorschläge zur Bildung von Gärtnern sowie zur Einführung praxisnaher Bildung an Realschulen und zur effektiveren Gestaltung des Studiums an den Universitäten.
Christian Reichart war nicht nur Wegbereiter intensiven Erwerbsgartenbaus sondern eine bedeutende Persönlichkeit der Stadt Erfurt im 18. Jahrhundert: Er übte wichtige Funktionen bei der Feuerrüstung, in der Bürgerwehr, als Stadtrat und Vormundschaftsbeamter, als Oberbauherr und Oberfeuer-Comissarius, als "Jüngerer Bürgermeister" und "Anderer Ratsmeister", als Ministerialassessor und Inspektor des Evangelischen Rats-Gymnasiums und im Vorstand des Evangelischen Waisenhauses aus. Er war Mitglied der Chur-Fürstlichen Mainzischen Akademie der nützlichen Wissenschaften sowie Mitglied der Merkantil-Kommission. Über 30 Jahre schrieb er die Erfurter Stadt-Chronik.

Als Reichart am 30.07.1775 verstarb, hatte er mit zahlreichen Veröffentlichungen ein umfangreiches wissenschaftlich-praktisches Lebenswerk hinterlassen, dass die Basis für die Entwicklung Erfurts als Blumen- und Gartenbaustadt war.