Neue Perspektiven für Erfurter Klärschlamm: Trocknungsanlage für 20.000 Tonnen pro Jahr geht in Betrieb

02.03.2015 16:02

Kosmetika, Medikamente, Nanopartikel, Reinigungsstoffe oder Hormone – alles was wir zu uns nehmen oder im Haushalt benutzen, landet am Ende im Abwasser. Mit modernsten Reinigungsverfahren gelingt es heute viele - aber längst nicht alle - Schadstoffe herauszufiltern. Nach der Abwasserbehandlung sammeln sich diese im Klärschlamm. Die Auswirkungen dieser Reststoffe auf die Umwelt sind nicht komplett erforscht.

Außenansicht der neuen Anlage zur Klärschlammtrocknung
Foto: Jährlich 20.000 Tonnen Klärschlamm aus Erfurter Abwässern erzeugen künftig Strom. Foto: © Stadtwerke Erfurt GmbH

Die Kläranlage Erfurt-Kühnhausen reinigt das Abwasser aus fast dem gesamten Einzugsgebiet des Entwässerungsbetriebes der Landeshauptstadt für mehr als 200.000 Einwohner. Die Erfurter erzeugen ca. 18 Mio. Kubikmeter Abwasser im Jahr. Die im Kanalnetz gesammelten und zur Kläranlage geleiteten Abwässer aus Haushalten und Betrieben aber auch ein großer Teil des Regenwassers aus Straßeneinläufen und Dachentwässerungen werden in der modernen Kläranlage in Erfurt-Kühnhausen mit einer Kombination aus mechanischen, chemischen und biologischen Verfahren behandelt. Ca. 20.000 Tonnen Klärschlamm fallen dabei jährlich an.

Klärschlamm aus der modernen Anlage wurde lange Zeit landwirtschaftlich genutzt. Dem Klärschlamm aus Erfurt-Kühnhausen  bescheinigten Fachverbände bereits 2007 seine ausgezeichnete Qualität und Eignung zur landwirtschaftlichen Nutzung.  In den vergangenen Jahren erfolgte bundesweit ein Umdenken, auch wenn der Schadstoffgehalt in kommunalen Klärschlämmen in den letzten Jahren z.T. um über 90 Prozent zurückgegangen ist. Die Nutzung in der Landwirtschaft ist nicht mehr die Vorzugsvariante für die Entsorgung des Reststoffes aus Kläranlagen, um die Belastung der Böden mit Schadstoffen oder zu viele Düngemitteln zu verhindern. Die Gewinnung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors steht zukünftig angesichts weltweit begrenzter Reserven an Phosphat-Mineralien verstärkt im Fokus.

Auch heute noch gibt es Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung. Allerdings mit Einschränkungen. Von giftigen Schwermetallen über Krankheitserreger bis zu Rückständen von Arzneimitteln kann die Palette der ungewünschten Stoffe im Klärschlamm reichen. Deshalb ist die Aufbringung auf die Felder mittlerweile streng geregelt. Auf Grünland, Obst- und Gemüseanbauflächen und im Forst darf beispielsweise gar kein Klärschlamm mehr verwendet werden. Für andere landwirtschaftliche Flächen gelten strikte Mengenbegrenzungen und enge Grenzwerte für die Schadstoffbelastung des Klärschlamms.  „Ein Umdenken ist gefragt, als Aufgabenträger der Abwasserentsorgung suchen wir als Landeshauptstadt nach neuen Entsorgungsmöglichkeiten für die kontinuierlich anfallenden Mengen“, betont Oberbürgermeister Andreas Bausewein.

„Bereits 2010 gab es erste Gespräche zwischen dem Entwässerungsbetrieb der Landeshauptstadt und der Stadtwerketochter TUS Thüringer UmweltService GmbH (TUS GmbH), um neue Wege bei der Entsorgung des Klärschlamms zu beschreiten, der nicht nur ein Abfallprodukt, sondern auch ein Energieträger ist“, ergänzt Erfurts Stadtoberhaupt.

Aus dem Gedankenmodell, den Klärschlamm in der Restabfallbehandlungsanlage (RABA) der TUS GmbH zu trocknen und thermisch zu verwerten, folgte ein Fachkonzept. Mit einer Investition von 5,2 Mio. Euro entstanden auf dem Gelände der TUS GmbH in der Schwerborner Straße direkt neben der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung eine Klärschlammannahme, Anlagen für die Klärschlammzufuhr zur Trocknung und ein Trocknungsaggregat. „Künftig werden 20.000 Tonnen Klärschlamm aus dem Erfurter Entwässerungsbetrieb angeliefert, mit Dampf aus der thermischen Verwertung getrocknet und in der thermischen Verwertungsanlage der RABA gemeinsam mit dem aufbereiteten Abfall verbrannt. Die modernen Filteranlagen halten die Schadstoffe zurück. Die in der RABA vorhandene Abgasbehandlung garantiert die strikte Einhaltung der strengen gesetzlichen Grenzwerte“, erklärt TUS-Geschäftsführer Marco Schmidt den Prozess.

Die Vorteile für beide Partner liegen auf der Hand. Die Landeshauptstadt ist ein großes Problem los und die Stadtwerketochter TUS GmbH kann langfristig die Auslastung der Anlage mit kommunalen Abfällen sichern. Die Transportwege von Kühnhausen in die Schwerborner Straße sind kurz. Die Klärschlammtrocknung und Entsorgung lässt sich gut in die Prozesskette der Restabfallbehandlungsanlage integrieren, das wirkt positiv auf die Wirtschaftlichkeit. Die wenige, nach der Verbrennung noch verbleibende Schlacke gelangt dann auf die Deponie. Von einstmals 20.000 Tonnen Klärschlamm bleiben am Ende max. noch 1000 Tonnen Schlacke übrig und die werden sicher in Erfurt-Schwerborn gelagert.