Kunstwettbewerb zur Erinnerung an Willy Brandt und das Erfurter Treffen 1970

06.03.2007 00:00

Nach einer gut achtstündigen Beratung gab die Jury gestern den Sieger des zweistufigen und deutschlandweiten Ideenwettbewerbes zur Ehrung des Engagements von Willy Brandt zur Annäherung beider deutscher Staaten anlässlich seines Treffens mit dem Ministerpräsidenten der damaligen DDR, Willi Stoph, am 19. März 1970 in Erfurt bekannt.

Die Leuchtschrift „Willy komm ans Fenster“ des Berliner Künstlers David Mannstein überzeugte die Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Kai Uwe Schierz (Kunsthistoriker und Direktor der Kunsthalle) und setzte sich mit elf von 13 Stimmen klar gegen die vier Mitbewerber der letzten Auswahlrunde durch. Insgesamt beteiligten sich 123 Künstler an dem Wettbewerb. 

Noch in diesem Jahr soll das Kunstwerk umgesetzt werden. Mögliche Termine sind der 8. Oktober, an diesem Tag jährt sich zum 15. Mal Brandts Todestag, oder sein Geburtstag am 18. Dezember.

Begründung der Jury:
Kunstwettbewerb zur Erinnerung an Willy Brandt und das Erfurter Treffen 1970

Die dreizehnköpfige Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Kai Uwe Schierz hat mit großer Mehrheit den Entwurf von David Mannstein „Willy komm ans Fenster“ der Stadt Erfurt zur Realisierung empfohlen.
Der Entwurf kombiniert eine Leuchtschrift auf dem Dach des ehemaligen Hotels Erfurter Hof mit einem erleuchteten Fenster (dem historischen Willy-Brandt-Fenster) und einem Brandt-Info-Terminal.

Der besondere Wert der künstlerischen Arbeit „Willy komm ans Fenster“ liegt in der Vielschichtigkeit ihrer Bezüge. Sie referiert auf das historische Ereignis des Erfurter Treffens zwischen Willi Stoph und Willy Brandt 1970 aus der Perspektive der Erfurter Bevölkerung. Zugleich bettet sie den historischen Vorgang mit Hilfe einer poetischen Umdeutung der Rufe, mit denen die Erfurter Bevölkerung Willy Brandt gegen alle Regeln des diplomatischen Protokolls an das Fenster bat, in einen weiten kulturgeschichtlichen Rahmen ein, der mit der Troubadour-Lyrik ansetzt und im Minnesang weiter entwickelt wurde, sich als Motiv aber auch in William Shakespeares Romeo and Juliet und in Mozarts Don Giovanni finden lässt: Ein Liebender bittet die Geliebte, am Fenster zu erscheinen. David Mannsteins Schriftzug „Willy komm ans Fenster“ ehrt Willy Brandt und die rufenden Menschen.

Der Beitrag füllt eine Fehlstelle im Stadtbild, die mit der Umnutzung des Gebäudekomplexes mit dem Hotel Erfurter Hof zu einem multifunktionalen Dienstleistungszentrum entsteht, indem der Schriftzug auf dem Dach in Form und Dimensionierung die alte Leuchtschrift „Hotel Erfurter Hof“ ersetzt. Mannsteins Schriftzug ähnelt einer Leuchtreklame, hat jedoch, das wird beim Lesen offensichtlich, mit Werbung nichts zu tun. Vielmehr nimmt der Künstler eine Umdeutung vor und ersetzt die werbende Schrift durch eine poetische Sentenz, die ein historisches Ereignis wachruft.
Der Satz „Willy komm ans Fenster“ macht neugierig und lädt zu weiterem Nachdenken ein – unter anderem über unser Verhältnis zu Willy Brandt heute, ob wir ihm eher als Politiker oder als Mensch nachrufen wollen.

Von allen eingereichten Beiträgen strahlt die Arbeit von David Mannstein am direktesten und weitesten in die Öffentlichkeit hinein – in den umgebenden Stadtraum und in den ICE-Bahnhof, wo auch Reisende den Schriftzug entdecken können.