Internationales Forschungsprojekt vor dem Abschluss

16.11.2009 16:00

Präsentation der Ergebnisse bei Kolloquium in Erfurt

Grundlegend für die Ende Oktober in der Alten Synagoge Erfurt eröffnete Ausstellung zur mittelalterlichen jüdischen Kultur waren intensive wissenschaftliche Vorarbeiten, die mehr als zehn Jahre andauerten. Aus Einzelarbeiten zum Bauwerk Synagoge und zum Erfurter Schatz entwickelte sich ein interdisziplinäres Projekt, an dem Historiker, Bauforscher, Archäologen, Judaisten und Vertreter vieler weiterer Wissenschaftsdisziplinen aus dem In- und Ausland beteiligt waren – ein in dieser enormen Bandbreite weltweit einzigartiges Projekt. Die Ergebnisse der langjährigen Forschungsarbeit werden nun in einem Kolloquium vom 16. bis 18. November im Erfurter Rathaus präsentiert, veranstaltet vom Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt Erfurt. 

Alles begann 1998 mit der Entdeckung eines Schatzes in der Erfurter Michaelisstraße. Drei Jahre dauerte alleine dessen Restaurierung. Anschließend untersuchten Restauratoren und Naturwissenschaftler in den Werkstätten der Archäologischen Denkmalpflege Weimar die Schatzobjekte auf Materialzusammensetzungen und Herstellungsschritte. Dank internationaler Kooperationen konnten auch Aussagen zu Farb- und Duftstoffen, Steinschliff und zur Herkunft von Edelsteinen gewonnen werden. Im Laufe der Untersuchungen verglichen die Wissenschaftler des Landesamtes die kostbaren Fundstücke mit den wenigen vergleichbaren Schatzfunden aus dem In- und Ausland, um die Erfurter Objekte hinsichtlich ihrer Materialien, Technik und ihres kunstgeschichtlichen Stellenwertes einordnen zu können. Die historische und kunsthistorische Auswertung des Schatzes erfolgte im Rahmen einer Dissertation an der Universität Erfurt. Die Bearbeiterin Maria Stürzebecher konnte vor kurzem sogar den Namen des Schatzbesitzers ermitteln und wird ihre Forschungen zur Tagung präsentieren.
Entscheidende wissenschaftliche Impulse erfuhr das Projekt durch die Unterstützung des emeritierten Heidelberger Kunsthistorikers Prof. Dr. Dr. theol. Johann Michael Fritz, der seine weltweiten Kontakte nutzte, um viel beachtete Ausstellungen des Schatzes in Paris, New York und London zu ermöglichen. Prof. Fritz spricht am Dienstag um 20 Uhr in einem öffentlichen Vortrag über den Schatz selbst und die europäische Goldschmiedekunst der Gotik.

Bedeutende Aspekte zur ersten jüdischen Gemeinde Erfurts erbrachte eine Analyse der historischen Schriftquellen und baulichen Zeugnisse. Der Erfurter Schatz ist weltweit der einzige, dessen genaue Verbergungsumstände aus den Grabungsdokumentationen erschlossen werden können. Er wurde in einem Viertel vergraben, in dem über Jahrhunderte Juden und Christen eng zusammenlebten. Die archivalische Aufbereitung steht nun der Öffentlichkeit nicht zuletzt in der Ausstellung Alte Synagoge zur Verfügung. 

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt bildete die erstmalige systematische Erfassung und Analyse der jüdischen Erfurter Grabsteine. Diese befinden sich an unterschiedlichen Standorten, weshalb es erst jetzt möglich ist, einen Überblick über erhaltene und verlorene Stücke zu geben. Der Umfang des ursprünglichen Bestandes konnte aus Fotos und dokumentierten Inschriften erschlossen werden. Heute sind noch etwa 30 Grabsteine aus der Zeit der ersten jüdischen Gemeinde des 13. und 14. Jahrhunderts vollständig oder fragmentarisch erhalten.

Nahezu gänzlich in Vergessenheit geraten war, dass Erfurt im Mittelalter zu den bedeutendsten Zentren jüdischer Gelehrsamkeit gehörte. Aus der Stadt stammen einige der weltweit bedeutendsten mittelalterlichen hebräischen Handschriften. Sie werden heute in der Staatsbibliothek in Berlin aufbewahrt, ein Teil von ihnen zeigt die Ausstellung Alte Synagoge. Die bisherigen Erkenntnisse zu den Erfurter Handschriften stellt einer der besten Kenner, Prof. Jordan Penkower aus Israel, im Rahmen des Kolloquiums vor.

Schirmherrin der Tagung ist die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. h.c. Charlotte Knobloch. Insgesamt stellen zwölf Referenten ihre Ergebnisse aus elf Jahren interdisziplinärer Forschung zur mittelalterlichen jüdischen Kultur in Erfurt vor.
Nachzulesen sein werden diese Ergebnisse in einer vom Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie herausgegebenen fünfbändigen Publikation. Als erstes ist vor kurzem deren vierter Band zur bauhistorischen Untersuchung der Alten Synagoge erschienen.  

Ansprechpartner:

Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
Dr. Karin Sczech
Humboldtstraße 11
99423 Weimar
Tel. 03643 818342
E-Mail: SczechK@tlda.thueringen.de

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