Carl-Spier-Straße feierlich eingeweiht – Gedenken an Erfurter Holocaustopfer

13.10.2022 10:42

Der in der Lingelfläche zwischen „Martin-Andersen-Nexö-Straße“ und „Schützenplatz“ gelegene Teilbereich der Arnstädter Straße wurde in Carl-Spier-Straße umbenannt. Heute fand die feierliche Einweihung dieser Straße durch Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein statt. Die Stadt gedenkt damit Carl Spier, dem ehemaligen Direktor der Lingel Schuhfabrik, der 1945 dem Holocaust zum Opfer fiel.

Straße an der Lingelfläche erhält neuen Namen

Straßenschild mit dem Schriftzug Carl-Spier-Straße
Foto: Am 13. Oktober wurde die Carl-Spier-Straße eingeweiht. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt
Foto: Die Straße liegt zwischen Schützenplatz und Martin-Andersen-Nexö-Straße. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Carl Ludwig Spier (geb. 1900) war von 1931 bis 1935 als Direktor der Lingel Schuhfabrik AG tätig. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Hilde lebte er seit 1926 in Erfurt. Hier sind auch die beiden gemeinsamen Kinder Marianne und Rolf geboren. 1935 floh die jüdische Familie ins Exil nach Brüssel. Carl Ludwig wurde im Mai 1940 verhaftet und nach Frankreich abgeschoben. Hilde floh mit den Kindern nach Südfrankreich, sie gelangten ins Lager Gurs. Ende Juli 1940 kamen sie nach Saint Cyprien. Dort war Carl Ludwig interniert, wurde jedoch kurz darauf nach Gurs verlegt. Nach mehreren Monaten der Trennung und des gemeinsamen Aufenthalts in Meillon lebten sie in der unbesetzten Zone Frankreichs bis zur großen Razzia im August 1942. Die Familie wurde in Nizza in einem Sammellager für ausländische Juden interniert. Dort trennten sich die Eltern später von ihren Kindern. Sie taten das im Bewusstsein, dass Marianne und Rolf daraufhin in der Obhut vertrauenswürdiger Menschen und in Sicherheit waren. Über das Internierungslager Drancy wurden Hilde und Carl Ludwig Spier in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Hilde starb 1942. Carl Ludwig wurde in verschiedene Konzentrationslager verlegt, am 20. Januar 1945 in das Konzentrationslager Buchenwald. Er starb am 1. Februar 1945 auf einem Todesmarsch nach Buchenwald.

Seine Kinder Marianne und Rolf Spier Donati überlebten den Krieg und wohnen heute in Frankreich. Beide konnten aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Straßeneinweihung anreisen, sind aber sehr dankbar für die Ehrung ihres Vaters, wie sie in einem Schreiben an den Oberbürgermeister betonten.

Spiers Tochter Marianne unterstützte ebenso wie der „Kommunale Arbeitskreis Erfurter GeDenken 1933 – 1945“ den konkreten Benennungsvorschlag. Auch die Straßennamenkommission befürwortete diesen, „da mit dem Namen Carl Ludwig Spier sowohl ein gebietsbezogener, als auch ein thematischer Zusammenhang zur Lingelfläche herstellbar ist“. Der Ausschuss für Bildung und Kultur stimmte im April der Umbenennung der Straße zu, sodass diese 14 Tage nach der im Amtsblatt erfolgten Veröffentlichung in Kraft trat.

Die drei weiteren neuen Straßennamen für das „Quartier Lingel am Steigerwald“ sind ebenfalls beschlossen: Lingelstraße, Zäunemannweg und Dacherödenweg. Nach Abschluss der Bauarbeiten werden auch diese offiziell eingeweiht.