Überraschender Fund auf dem Areal des Großen Hospitals

18.07.2023 08:54

Bau- und Sicherungsarbeiten am denkmalgeschützten Pfründnerhaus im Innenhof des Museums für Thüringer Volkskunde haben Zeugnisse eines längst vergessenen Lebens ans Tageslicht gebracht.

Grabplatten liefern Hinweise zur Baugeschichte

mehrere große Steine mit Inschrift
Foto: Die Grabplatten, die im Großen Pfründnerhaus gefunden wurden, stammen vermutlich aus der Hospitalkirche. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt/Dirk Urban

Die Gäste des Museums für Thüringer Volkskunde, der beiden Musikclubs und die Bewohner des angrenzenden Seniorenpflegeheims der Awo haben es längst bemerkt: Seit einigen Monaten wird das Pfründnerhaus auf der Ostseite des malerischen Museumsinnenhofes unter denkmalpflegerischer Hand baulich gesichert.  Durchgeführt werden dringend nötige Reparaturen an „Dach und Fach“.

Es ist ein Reihenhaus der besonderen Art, errichtet auf dem Spitalgelände Mitte des 16. Jahrhunderts direkt zum Zwecke „betreuten Wohnens“ für einigermaßen begüterte Personen, die Pfründer. Gegen Antrittsgeld und Abtritt des Nachlasses zugunsten des Großen Hospitals bot es komfortable Unterkunft mit Küche, Holzgelass, Stube und Kammer. Jeweils vier Parteien nutzten einen Eingang, weshalb das Gebäude noch heute fünf Zugangstüren auf der Westseite hat. Auch als das Hospital in den 1820er Jahren seine Autarkie verliert, bleibt der Bedarf an Wohnraum für Pfründner, später für Mieter auf Lebenszeit, noch über viele Jahrzehnte hinweg bestehen.

Aus diesem Grund hielt man das Haus instand, wofür sich bei den aktuellen Bau- und Sicherungsarbeiten ein besonderes Indiz fand: Als im Erdgeschoßbereich für Reparaturarbeiten an der Fachwerkschwelle die Oberseite des Werksteinsockels teilweise freizulegen war, waren darauf Ansätze von Inschriften erkennbar. Eine erste Bewertung durch Tim Erthel, Spezialist für Erfurter Stadtgeschichte und Sepulkralkultur, ergab, dass es sich bei diesen Steinen um Fragmente mindestens einer Grabplatte aus dem Jahr 1531 handelt. Vermutlich stammen sie aus der benachbarten Hospitalkirche. Deren Innenraum war 1862 „aufgeräumt“ worden, wobei man mittelalterliche Stifterfiguren, Bilder und eben auch Epitaphe entfernte. Obgleich überliefert ist, dass zahlreiche Erfurter Patrizier hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten, sprach damals nichts gegen eine solche Zweitverwendung der Fragmente als Baumaterial bei Reparaturen am benachbarten Pfründnerhaus. Eine nähere Zuordnung ist momentan noch nicht möglich.

Ungeachtet dessen sind sie ein aufschlussreiches Detail im Nutzungszusammenhang des Hospitalgeländes. Sie lassen eine männliche Person und deren Sterbejahr erkennen. Die Erfurter Denkmalbehörde, die Zentralen Restaurierungswerkstätten der Erfurter Museen und das Museum für Thüringer Volkskunde bereiten die museale Präsentation der Fragmente vor.