"Christophorus" mit "Nebenwirkungen": Zwei neue Ausstellungen im Kulturhof Krönbacken

07.07.2008 00:00

Kornelia Mittelstädt: "Nebenwirkungen"

Mindestens doppelbödig ist der Titel der Exposition: "Nebenwirkungen", die zugleich Wechselwirkungen sind, kann man es auch nennen, wenn eine künstlerische Lehrtätigkeit von intensiver eigener bildnerischer Arbeit so begleitet wird, dass ein Synergieeffekt für Kunst und Lehre entsteht.

Kornelia Mittelstädt, 1961 in der Altmark geboren, 1983 mit Diplomabschluss für Deutsch und Kunsterziehung der Pädagogischen Hochschule zunächst Lehrerin in Riethnordhausen, künstlerisch tätig seit Mitte der 80er Jahre, ist seit 1994 an der Walter-Gropius-Gestaltungsoberschule Erfurt für die Bereiche Keramik, Papiergestaltung, Typografie und Kunstgeschichte verantwortlich - daher hat sie ihre eigenen künstlerischen Schwerpunkte konsequenterweise nach langjähriger Auseinandersetzung mit der Grafik bei Collagen und Keramik angesiedelt.

Sie verbindet beide Metiers und ihre weiteren beruflichen Avancen an die Typografie durch eine ausgeprägt grafische Zeichensprache, indem sie einerseits schlicht geformte keramische Gefäßkörper als Bildträger nutzt, andererseits gefundene und selbst geformte Schrift- und Bildzeichen nach den Erfahrungen mit dem rauen Werkstoff Ton bruchstückartig zueinander fügt - zugleich ein wertvoller Fundus an Inspirationen für die Lehrtätigkeit, die wiederum ebenso Impulse für die eigene bildnerische Konzeption und Praxis liefert. Sie schreibt: "Meine Bilder entstehen aus Papieren, Fundstücken, Materialien, Fragmenten... Geschnittene oder gerissene farbige Papiere türmen sich übereinander, schmiegen sich aneinander, vertragen sich manchmal ganz plötzlich. Vor dem Collagieren steht der Prozess des Zerstörens, indem die Teile aus ihrem bisherigen Bildzusammenhang gerissen und damit auch ihres konkreten erzählerischen Gehaltes beraubt werden. Der Tonwert des Fragmentes, eine gewisse Struktur oder Textur initiieren die Gestaltung. Später überarbeite ich die Collagen mit Farben oder Schraffuren und greife vorhandene Strukturen auf, zerstöre absichtsvoll, nähe, kratze, ritze, so dass Bestehendes immer wieder in Frage gestellt wird und die manchmal reliefartigen Oberflächen der kleinen Bilder entstehen, deren poetische Titel sich während des Arbeitsprozesses wie von selbst konkretisieren und formulieren.

Auch in der keramischen Arbeit reizt mich immer wieder das unkonventionelle Erproben und Kombinieren von Techniken und Materialien. Dabei geht der Impuls weniger von der plastischen Form des Gegenstandes als von seiner Oberfläche aus, welche ich mit Fayence-Malerei oder Ausspartechniken gestalte. Abstrakte Zeichen und Kürzel, vor allem Typografisches, inspirieren mich hierbei."

Wichtig erscheint über den rein ästhetischen Ausdruck hinaus in beiden Genres aber auch die Möglichkeit, mehr oder weniger verschlüsselte Botschaften ihres persönlichen Wertekanons auszusenden - in all der herausfordernden Widersprüchlichkeit von spielerisch spontanen Spuren auf der einen und streng und straff formulierten Konstruktionen auf der anderen Seite, die eine individuelle Welt aus Zahlen, Buchstaben und Symbolen entstehen lassen, changierend zwischen heiterer Gelassenheit und kritischer Nachdenklichkeit, kraftvoller Emotionalität und offensiver Rationalität.

"Mit Christophorus durch die Zeit"
Nicht nur in Erfurt berufen sich Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Altenpflege wie auch der Behindertenfürsorge unter dem Namen Christophoruswerk auf den hilfreichen Riesen, der Christus, das Lamm Gottes, durch die Flut trug - ein bekanntes Motiv der Kunstgeschichte. Wie viele Suchende unter diesen Dächern aktive Hilfe fanden, ist zwar auch durch konkrete Zahlen zu belegen, aber ebenso durch die positive Ausstrahlung auf die Stadt in vielen wirkungsvollen Projekten.

Allein Erfurt verfügt heute über ein reiches Netz unterschiedlicher Werkstätten, Heimen und Tagesstätten, die sich mit ihrer Arbeit bewusst in die Stadtöffentlichkeit stellen.

1968 als kleine Kindertagesstätte gegründet, entwickelte sich ein Werk, das inzwischen etwa 650 Menschen mit Behinderung in verschiedenen Diensten Assistenz, Hilfen und Begleitung anbietet.

Die Ausstellung will frühere Zeugnisse vom Leben und Wirken in der Christophorus-Tagesstätte zeigen und einen Eindruck von der aktuellen Arbeit im Christophoruswerk vermitteln.

Klein und bescheiden begann es: Die Erfurter Kinderärztin Frau Dr. Pudschies nahm sich einst in ihrer Praxis der Probleme von Kindern mit geistiger Behinderung und deren Eltern an und suchte für diese Kinder nach gezielten Fördermöglichkeiten. Bei dem katholischen Bischof Hugo Aufderbeck und dem evangelischen Propst Dr. Verwiebe stieß sie mit ihrem Anliegen auf Gehör - es wurde gemeinsam mit der Christengemeinschaft die Tagesstätte gegründet, zunächst in den Räumen der Stadtmission, mit Eurythmie und Musik, Pflanzenkunde und Rechnen. Das 1978 erworbene "Haus zum Sternberg", Allerheiligenstraße 8 wurde 1986 fertig gestellt und schrittweise von nunmehr 40 jungen Erwachsenen und einer Gruppe von etwa zehn Kindern bezogen. Behinderte Kinder wurden durch individuelle pädagogische Förderung zur größtmöglichen Selbständigkeit geführt. Der Tagesablauf für die jungen Erwachsenen beinhaltete Angebote zur produktiven Arbeit, für begleitende Förderung und zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Zudem wurden handwerkliche Begabungen unter der Anleitung von Fachpersonal im Keramikbereich und in der Handweberei unterstützt.

Unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen gründete sich 1991 die Christophoruswerk Erfurt gGmbH und es vollzog sich der Wechsel hin zu einer Werkstatt für Behinderte (WfB) und einer Förderschule. "Christophorus" profilierte sich als dritter Gesellschafter neben Caritas und Kirchenkreis. Bis zum heutigen Tag wird mit dem Segen Gottes, der alle Menschen liebt - jeden so, wie er ist, mit seinen Fähigkeiten und Grenzen - das Werk von den beiden Gesellschaftern Caritasverband für das Bistum Erfurt e.V. und dem Evangelischen Kirchenkreis Erfurt getragen.
Ein Schwerpunkt ist von Beginn an die Förderung kreativer und künstlerischer Begabungen zur allseitigen Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung, zum Beispiel in den Bereichen Keramik, Textil und Kerzenproduktion, deren Verkaufserlöse die Arbeit der Bereiche wiederum unterstützen. Eine besondere Betonung erfährt die Förderung künstlerischer Talente seit einigen Jahren in dem Projekt "Farbartisten".
Durch künstlerische Arbeit können in ihrem sonstigen Lebensfeld durch ihre Erkrankung eingrenzte Erwachsene sich und anderen neue Empfindungswelten erschließen, ungeahnte Fähigkeiten entwickeln und sich heilende Erfolgserlebnisse in der Gemeinschaft selbst erarbeiten. In eigenen Ausstellungen oder bei Ausstellungsbeteiligungen konnten seit 1999 regelmäßig die entstandenen Werke einem breiten öffentlichen Publikum vorgestellt werden.

10.07.2008, 11 Uhr
Pressegespräch
11.07.2008, 19 Uhr
Vernissage Kornelia Mittelstädt: "Nebenwirkungen" - Collagen und Keramiken
12.07.2008, 19 Uhr
Vernissage "Mit Christophorus durch die Zeit" - Objekte und Bilder. Ausstellung zum 40-jährigen Bestehen des Christophoruswerkes.
Beide Ausstellungen sind dienstags bis sonntags 11 - 18 Uhr bis zum 17.08.2008 eintrittsfrei zu sehen.