Was haben Sie erreicht, Herr Hilge?

29.01.2021 07:00

Sechs Jahre lang trug Alexander Hilge als Dezernent in der Stadtverwaltung Erfurt Verantwortung. Vor allem als Buga-Beigeordneter machte sich der Beigeordnete für Bau und Verkehr einen Namen. Bevor Hilge zum ersten Februar 2021 in die Geschäftsführung der Kommunalen Wohnungsgesellschaft Kowo wechselt, beantwortet er noch in einem ausführlichen Interview die Fragen von Rathaussprecher Daniel Baumbach. Wie sieht seine Bilanz aus? Auf welche Projekte ist er stolz? Was hat nicht geklappt? Und wer bringt nun die Baustellen auf dem Petersberg und in der Geraaue zu Ende?

Interview mit Alexander Hilge

Video: Was haben Sie erreicht, Herr Hilge?

Video: Interview mit Herrn Hilge © Stadtverwaltung Erfurt

Herr Hilge, wie fühlen Sie sich denn, wenn Sie am Montag nicht mehr in verantwortlicher Position für die Stadt Erfurt sind?

Da ist ein lachendes und ein weinendes Auge dabei. Natürlich haben mir die sechs Jahre hier total viel Spaß gemacht. Es war eine spannende Zeit und ich hatte total viele gute Kolleginnen und Kollegen, die mich unterstützt haben. Insofern ist natürlich ein bisschen Wehmut mit dabei. Aber ich freue mich auch auf die neue Aufgabe bei der Kowo, die vor mir liegt, und werde sie mit Sicherheit genauso gewissenhaft erfüllen wie bisher meine sechs Jahre hier.

Aber sie gehen aus freien Stücken. Sie sind nicht „abgesägt“ worden.

Nein, natürlich nicht. Ich sage mal: Man hat eine gewisse Abhängigkeit vom Stadtrat der Stadt Erfurt und ich habe den Stadtrat gefragt, wo er am besten möchte, dass ich meine Talente einbringe. Und der Stadtrat hat gesagt, ich soll das bei der Kowo tun. Insofern danke ich für das Vertrauen und freue mich auf das, was vor mir liegt."

Sie haben es schon angesprochen: Sie werden Geschäftsführer bei der Kowo, bei der kommunalen Wohnungsgesellschaft. Das heißt, Oberbürgermeister Bausewein wird immer noch irgendwie Ihr Chef sein?

Ja, irgendwie schon. Er ist schließlich Oberbürgermeister der Stadt Erfurt, die Stadt ist Gesellschafter. Er ist sozusagen Chef der Gesellschafterversammlung. Aber auch der Stadtrat, der ein wichtiges Wörtchen mitzureden hat, wird für mich genauso Chef sein wie der Aufsichtsrat der Kowo. Insofern viele gute Menschen, die mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Sie bleiben also der städtischen Familie irgendwie erhalten?

Ja, das war mir auch wichtig. Es ist meine Heimatstadt. Ich freue mich total, dass ich hier arbeiten und meine Geschicke für die Stadt mit einbringen darf. Und ob das jetzt bei der Stadt ist oder bei der Kowo, das ist für mich alles kommunale Familie.

Aber wir wollen zurückblicken, das ist ja der Sinn des Interviews. Sie sind 2015 als sogenannter „Super-Beigeordneter“ – die Presse hat Sie dazu gemacht – gestartet. Sie hatten damals neben den Dezernenten Bau und Verkehr auch noch die Bereiche Stadtentwicklung und Liegenschaften. Warum hatten Sie nicht die ganzen sechs Jahre all diese Bereiche? War es dann doch ein bisschen viel?" 

Es fing sogar noch ein bisschen komplexer an. Ich bin gestartet als Beigeordneter für Sicherheit und Ordnung. Ich hatte am Anfang die Feuerwehr und das Bürgeramt hier. Ich habe angefangen in der Hochzeit der Flüchtlingskrise. Wir hatten enorme Migrationsbewegungen. Wir mussten von heute auf morgen die Stadt darauf vorbereiten, wie wir Menschen unterbringen, die auf der Flucht gewesen sind. Das haben wir sehr gut geschafft, mit viel bürgerschaftlichem Engagement, auch mit viel Einsatz der Stadt. Nicht nur mit Personal, sondern auch tatsächlich mit Geld. Gleichzeitig hatten wir damals ein völlig anderes Kollegium an Beigeordneten im Haus. Ich habe parallel das Dezernat für Stadtentwicklung in Vertretung mit geleitet, da es dort auch einen Wechsel gegeben hat, und habe sozusagen jede Menge Ämter in mehreren Funktionen begleitet. Das hat mir diesen Titel eingebracht. Das macht einen natürlich immer ein bisschen stutzig, weil viele dann schauen, wie man die Aufgabe tatsächlich gemeistert bekommt.

Das ist dann ein hoher Anspruch – „Super-Beigeordneter“.

Ja, absolut. Ich habe auch damals schon zur Presse gesagt – also am Anfang wird man natürlich immer hochgejubelt und gelobt – und ich habe immer gesagt: „Warten Sie drauf, bis ich die ersten Fehler mache. Auch das wird passieren. Wir sind alle nur Menschen.“ Und ich freue mich, dass mich die Kollegen in den Ämtern wahnsinnig gut unterstützt haben. Wir haben die Aufgabe gemeinsam geleistet. Aber wie Sie schon sagen, es kommt auch irgendwann der Punkt, an dem man merkt, dass man natürlich nicht so viele Funktionen gleichzeitig erfüllen kann. Und es war dann auch Zeit, die Aufgabe noch einmal abzulichten und neu aufzuteilen.

Und Bau und Verkehr war dann sozusagen ihr Steckenpferd die ganzen letzten Jahre?

Ja. Wir haben dann bei mir im Dezernat die ganzen Bauthemen verortet. Ich hatte am Anfang noch das Stadtplanungsamt und das Bauamt dabei, neben dem Tiefbauamt, dem Gartenamt, dem Hochbauamt, dem Bereich Liegenschaften, der Buga-Stabsstelle, dem Amt für Geoinformation und dem Entwässerungsbetrieb. Sie sehen: Es ist eine riesige Bandbreite. Das hatte auch einen Riesenvorteil, denn wir haben tatsächlich bei mir im Dezernat begonnen, vom ersten Planungsschritt im Stadtplanungsamt bis zur tatsächlichen baulichen Umsetzung, sei es jetzt im Tiefbau oder im Hochbauamt. Das nimmt viele Schnittstellen weg. Insofern war das wirklich auch ein Segen. So konnten wir viele Themen, die vielleicht manchmal zwischen den Dezernaten zirkulieren, direkt bei mir am Tisch klären. Das hat den Kollegen auch viel geholfen. Es ist aber von der Personalverantwortung und von der Dichte an Themen einfach auch zu viel gewesen. Und deswegen habe ich mich dann entschlossen, den OB zu bitten, dass das Stadtplanungsamt und das Bauamt die Verantwortung wechseln. Sie sind heute bei dem Kollegen Dr. Tobias Knoblich, der noch die ganze Kultur bei sich hat. Ich finde, er macht einen super Job. Ich glaube, auch Frau Hemmelmann mit ihren Kollegen im Bauamt und Herr Börsch mit seinen Kollegen in der Stadtplanung sind dort gut aufgehoben. Insofern habe ich da überhaupt keine Bedenken. Und ich konnte mich die letzten Jahre auf ein super wichtiges Thema konzentrieren, die Bundesgartenschau, wo maßgeblich Tiefbau-, Garten und Hochbauamt tätig sind.

Auf die Buga kommen wir gleich zu sprechen. Auf welche Projekte aus dem Bau- und Verkehrsbereich, an denen Sie mitgewirkt haben und die auch zum Abschluss kamen, sind Sie besonders stolz?

Das Thema Bundesgartenschau ist eigentlich das wichtigste Projekt der letzten Jahre. Da können wir gerne gleich nochmal drauf eingehen, aber natürlich sind es auch die großen Straßen- und Brückenbauprojekte die wir gestartet haben. Das ist das Promenadendeck, wo wir jetzt die Bauausführung haben. Es ist noch nicht ganz beendet, aber es war sehr anstrengend, die Ausschreibung und die ganze Finanzierung auf die Beine zu stellen. Und ich bin wahnsinnig stolz darauf, dass wir es geschafft haben, das Technische Rathaus an der Warsbergstraße von der LEG zu erwerben und auch zu sanieren. Man sieht es heute: Dieses Gebäude hat einen Bauherrn wie die Stadt Erfurt gebraucht, der auch wirklich herausgekitzelt hat, was dort an DDR Architektur da war und wie man das auch transferieren kann in die neue Zeit. Und ich bin sehr stolz darauf, dass wir es geschafft haben, beim Schulsanierungsprogramm die ersten Schulen zu sanieren. Die ersten Ausweichquartiere zu schaffen und jetzt hier zu starten. Das ist eine Mammutaufgabe auch noch für die nächsten Jahre. Aber die ersten Schritte habe ich hier tatsächlich initiieren können.

Die Warsbergstraße ist ja richtig schick von außen. Das hätte man ja gar nicht gedacht, dass man aus diesem alten Gebäude noch so etwas herauskitzeln kann.

Ja, genau. Aber ich muss an dieser Stelle auch ehrlich sagen: Wir haben uns gute Unterstützung von der Fachhochschule geholt. Professor Mann, ein ausgezeichneter Planer, hat uns Hinweise gegeben, wie man diese DDR-Architektur sozusagen aufpoliert. Es ist ein besonderes Gebäude, das damals speziell für diesen Ort gebaut worden ist, für die Mikroelektronik an diesem Standort. Und es hat natürlich eine eigene Architektur und Formensprache. Wir haben diesem Gebäude eine tolle Aluminium-Fassade verpasst. Es unterstreicht die Architektur ganz besonders. Innen haben wir tolle Büroflächen geschaffen.

Natürlich muss man ein paar Abstriche machen, weil man in ein vorgefertigtes Gebäude hineingeht. Aber wir haben noch einen Mittelbau hinzugefügt, das wird zukünftig das Bauinformationszentrum sein. Ich hatte gestern die Chance, mir das anzuschauen. Es ist superschön geworden und es sind tolle, zukunftsfähige Arbeitsplätze. Und ich glaube, auch für das ganze Quartier ist es ein Gewinn.

In den letzten Jahren sind sie hier in der Stadt eher als Buga Beigeordneter aufgetreten. Täuscht denn der Eindruck, dass Sie von Anfang an unter einem ziemlichen Zeitdruck standen?

Nein, das täuscht nicht. Natürlich verfliegen zehn Jahre Entwicklungszeit, die man für so ein Projekt hat, wahnsinnig schnell. Wir haben noch vor zehn Jahren darüber gewitzelt und haben gesagt: Mensch, jetzt haben wir noch zehn Jahre Zeit, dann können wir das langsam angehen lassen. Und haben gesagt, wir werden dann kurz vorher merken, wie knapp die Zeit wird. Und so ist es natürlich auch am Ende der Tage. Wir sind in vielen Bereichen sehr gut unterwegs. Als ich das Beigeordnetenamt übernommen habe, waren viele Sachen bei der Buga schon vorbereitet. Aber der Petersberg war so ein Projekt, da ist uns die Zeit zum Schluss etwas knapp geworden. Wenn man in so einen Wechsel des Amtes hineinkommt, merkt man, dass man manchmal etwas braucht, um tatsächlich auch den richtigen Fokus zu entwickeln. Um herauszubekommen, wo man die Schwerpunkte setzen muss. Und das ist eine Lernkurve, die eingesetzt hat – dass wir beim Petersberg vielleicht ein paar Monate zu lange gewartet haben am Anfang, um die richtigen Ideen zu entwickeln.

Umso mehr bin ich stolz darauf, dass wir jetzt tatsächlich auch ein gutes Ergebnis am Petersberg haben. Es sind viel Kraft und persönliches Engagement nicht nur von mir, sondern auch von den Kollegen hineingeflossen, um dieses Ergebnis dort zu produzieren. Ich glaube, wir haben den Petersberg in eine ganz neue Zeit gebracht. Ich bin stolz darauf, dass wir ein sehr tolles Besucherzentrum haben werden, das rechtzeitig fertig ist zur Bundesgartenschau.

Es wird recht rechtzeitig fertig sein?

Definitiv. Das war auch viel Kraft die letzten sechs Monate, die ich da persönlich reingebracht habe. Ich weiß, ich habe die Kollegen auch gequält. Ich habe natürlich permanent hinterfragt, ob die Zeitpläne richtig sind. Wir haben Zeitpläne angepasst und haben auch Änderungen daran vorgenommen. Aber dieses permanente Hinterfragen und sich direkt hineinzubegeben in den Prozess, das war meine Aufgabe. Dafür bin ich angetreten und gewählt worden. Es hat dazu geführt, dass der Besucher mit dem Besucherzentrum als ganz wichtigem Nukleus auch ein paar ganz einfache Funktionen wie ein WC vorfindet Insofern brauchen wir uns nicht zu schämen mit dem, was wir anbieten können. Und es wird dort natürlich dauerhaft – nicht nur für die Bundesgartenschau, sondern die nächsten 20, 30 Jahre ein super Angebot werden. Ich bin sehr froh, dass wir Frau Dr. Hildebrandt von der Tourismus- und Marketing-Gesellschaft der Stadt Erfurt gewonnen haben, dort oben auch aktiv zu werden mit ihrem Team. Wir haben einen ganz neuen Anlaufpunkt für Touristen da oben geschaffen. Man kann also nicht nur die Geschichte des Petersbergs kennenlernen, man kann seine Führung dort oben buchen, man kann mit Reisegruppen hingehen und das ist einfach eine super Weiterentwicklung für den Petersberg, der natürlich in seiner Entwicklung an vielen Stellen trotzdem noch am Anfang steht.

Es gibt einen dicken Wermutstropfen, das ist der Bastionskronenpfad. Geben Sie da doch bitte mal eine Prognose ab: Wird der Buga-Besucher ihn beziehungsweise zumindest einen Teil noch während der Buga nutzen können?

Voraussichtlich nicht die allerersten Besucher, die kommen werden. Aber wir arbeiten ganz straff daran, dass wir ihn während der Buga auf alle Fälle noch eröffnen können. Der Bastionskronenpfad ist ja geteilt in zwei Bauabschnitte. Der erste Bauabschnitt läuft gerade, die Anbindung der Bastion Martin, der Erfurter sagt auch immer das Lauentor. Den wollen wir auf alle Fälle während der Buga noch fertigstellen und die Baufirmen und Bauleiter sind da auch hinterher. Natürlich haben wir dort ein paar Probleme, die geübten Erfurter wissen das. Das ist die ganze Frage, wie man durch das sogenannte Wäldchen mit dem zweiten Bauabschnitt durchkommt. Da gibt es eine Bürgerinitiative und auch Kritikpunkte seitens des BUND, die geäußert werden. Und da ist das Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Insofern konnten wir dieses Projekt einfach noch nicht vorantreiben. Da werden wir aber in Zukunft erfahren, wie es da weitergeht.

Sind Sie ein bisschen sauer auf die Bürgerinitiative und den BUND, dass sie der Stadt praktisch einen Strich durch die Rechnung gemacht haben und dieses Konzept des Umlaufes dadurch stören?

Sauer ist, glaube ich, das falsche Wort. Jeder Bürger in der Stadt hat das Recht, Themen zu hinterfragen. Und auch der BUND, der in seinem Nukleus enthalten hat, dass er für die Natur und für den Umweltschutz kämpft und solche Projekte hinterfragt. Das ist überhaupt kein Thema. Das ist ein gutes Recht. Und wenn etwas genehmigt werden muss und es eine gewisse Beteiligungsform gibt, dann sollen die Menschen auch gehört werden. Man kann gegen alles Mögliche klagen in Deutschland, das ist völlig in Ordnung.

Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass wir einen Kompromiss finden, um zu sagen, wir können das Projekt vielleicht in einer anderen Form irgendwie realisieren. Aber wir haben relativ früh gemeinsam in den Gesprächen gemerkt, dass wir es nicht schaffen, dort einen Kompromiss zu finden, der alle Interessen unter einen Hut bringt. Insofern waren wir uns relativ schnell einig – auch auf einem sehr guten Gesprächsniveau mit allen Beteiligten – dass wir sagen: Okay, wir ziehen dieses Genehmigungsverfahren ganz normal durch. Wir hören alle an und wenn der eine oder andere sagt, er möchte dagegen klagen, dann soll er dies auch gerne ausüben. Und vielleicht ist das eben ein Projekt, wo uns am Ende Gerichte sagen, ob das jetzt so realisierbar ist oder nicht.

Es ist schade, ich hätte es gern den Buga-Besuchern im Jahr 2021 präsentiert. Ich bin auch sicher, dass es ein gutes Projekt wäre für die Entwicklung des Petersbergs, denn wir haben ein Gesamtkonzept dahinter, das wir umsetzen wollen. Es fehlt jetzt sozusagen nur das Zwischenstück des Bastionskronenpfades durch den Wald. Wir werden dann sehen, wie da zukünftig die Entscheidungen laufen. Ich würde immer dafür werben, dass man an diesem zweiten Bauabschnitt festhält und tatsächlich versucht, im Einklang mit dem Baum- und Umweltschutz eine verträgliche Lösung zu finden.

Und die Fördergelder dafür sind ja auch da.

Ja, der Fördermittelbescheid ist da. Natürlich muss der Fördermittelgeber jetzt schauen, dass er nicht irgendwo Geld in Projekten parkt, die kurzfristig noch nicht umsetzbar sind. Insofern gehe ich davon aus, dass diese Fördergelder sozusagen zwischenzeitlich anderen zur Verfügung gestellt werden. Wir haben aber seitens des Fördermittelgebers die klare Aussage, dass er weiter für das Projekt steht und dann, wenn eine Genehmigung da ist, gerne auch konstruktiv mit uns die Realisierung bespricht.

Blicken wir nochmal in die Geraaue. Die ist ja auch ein großes Buga Projekt, wobei natürlich keine Bezahlflächen dort entstehen, sondern ein toller Landschaftspark für die Erfurterinnen und Erfurter gebaut wird. Wie stehen denn da die Arbeiten? Aus meinem Eindruck her ist da alles gut im Zeitplan und wird auch rechtzeitig fertig, oder?

Genau, das Gros wird rechtzeitig fertig, wir haben das ein oder andere ja schon die letzten Monate kommuniziert. Man wird – vom Nordpark angefangen, der superschön und deutlich größer geworden ist – mit dem Fahrrad auf dem neuen Gera-Radweg durch die Parkanlage fahren können. Wir haben uns, glaube ich, gut entschlossen, die Auenstraße aus dem Nordpark herauszunehmen. Das wird natürlich den einen oder anderen Autofahrer grämen. Ich glaube aber, jeder, der im Nordpark gerne mal auf einer Decke sitzt und dort mit den Kindern spielt, muss sich zukünftig keine Gedanken mehr machen. Wenn die Kinder sozusagen dem Ball hinterherrennen, muss man jetzt keine Angst mehr vor Autos haben.

Ich bin ganz stolz darauf, dass wir die letzten Reste des Klärwerks beseitigt haben, die unterirdisch gewesen sind. Wir haben diese tolle Uferabflachung dort an der Gera hinbekommen mit einem tollen öffentlichen Grillplatz. Da trägt auch die Geraaue eine Handschrift von mir selbst, denn ich habe mich in diesem Planungsprozess sehr tief mit eingebracht. Auf den Grillplatz dort an der Marie-Elise-Kayser-Straße bin ich besonders stolz, weil er auch auf mein Drängen, so wie er dort ist, mit hingekommen ist. Die Menschen wollen einfach eine Möglichkeit haben, wo sie draußen grillen können. Und natürlich wird die Parkanlage von der Warschauer Straße bis zur NQV komplett fertig sein. Der Teich wird fertig sein. Der Park am Heizkraftwerk ist heute schon eröffnet.

Ein bisschen wehleidig bin ich bei der Brücke über die Warschauer Straße. Da soll der Gera-Radweg unten drunter durchführen. Diese Brücke werden wir jetzt erst anfangen können zu bauen. Da hatten wir einfach unwahrscheinliche Herausforderungen, was die Planungen angeht. Da läuft unter anderem ein riesengroßes Glasfaserkabel der Telekom hindurch. Deswegen waren da wirklich Herausforderungen zu meistern, wie wir das dort irgendwie unten drunter durchbekommen. Denn in der Brücke selbst war kein Platz mehr für zusätzliche Kabel. Und wir mussten klären, wie wir die Straßenbahnen über die Gera bekommen. Das haben wir alles hingekriegt. Diese Brücke wird jetzt auch noch gebaut und dann ist der letzte Lückenschluss fertig. Der Parkbesucher im Erfurter Norden wird da, glaube ich, keine großen Einschränkungen haben und wir bauen es sukzessive raus. Ich denke, wir werden im späten Frühjahr auch die letzten Reste in Gispersleben, ganz am Ende im Kilianipark, auch noch schaffen. Der 23. April könnte knapp werden, aber die Baufirma ist gut dabei.

In der Geraaue gab es am Anfang Diskussionen wegen Baumfällungen. Wie ordnen Sie das heute ein? Also war da vielleicht auch ein bisschen viel Lärm um nichts? Ich denke jetzt auch mal an das alte Klärwerk. Da ist ja ein Großteil der Bäume gefallen, die wahrscheinlich aus Sicht der Baumschutzsatzung gar keine Bäume waren. Wie würden sie die Diskussion um die Bäume in der Geraaue heute sehen?

Es ist am Ende immer eine Frage der Kommunikation. Natürlich ist es erst einmal eine enorme Herausforderung, wenn man innerhalb kurzer Zeit 600 Bäume fällt. Da braucht man am Ende gar nicht darum streiten, ob ein Baum jetzt so oder so vom Umfang ist. Ich glaube, das ist am Ende eine schwierige Diskussion. Wir haben Bäume nicht einfach leichtfertig gefällt. Ich denke, man kann jetzt an den Ergebnissen sehen, dass das gute Entwicklungen sind. Und natürlich muss man sich irgendwann dafür entscheiden: Will ich die eine Entwicklung jetzt in diese Richtung treiben oder nicht?

Die größten und stattlichsten Bäume haben wir im Nordpark gefällt, an der Seite, wo es zum Klinikum hoch geht und wo wir den barrierefreien Weg gebaut haben. Die Frage, die wir uns vor einigen Jahren stellen mussten, war: Wollen wir den Nordpark barrierefrei anbinden, von der Baumerstraße aus? Ja oder nein? Oder wollen wir darauf verzichten? Und für uns war es ein klares Bekenntnis zu sagen: Ja, wir möchten das. Für uns ist das Thema Barrierefreiheit wichtig und es geht nicht darum zu sagen „Man kann ja gerne mit dem Rollstuhl ganz hinten rumfahren. Und wenn man über die Autostraße oder den Pappelstieg runterfährt, da kommst du vielleicht barrierefrei rein.“ Nein, es geht um die Menschen, die dort sind, die eben oben im Klinikum sind, vielleicht im Pflegeheim leben oder die dort sich auskurieren. Oder Menschen, die in der Andreasvorstadt leben. Wie kommen die von dort am günstigsten runter? Dieser Weg führt nun mal über die Baumerstraße und der war nicht barrierefrei. Es gibt klare Richtlinien, die sagen 3 Prozent Steigung durchgehend oder maximal 6 Prozent auf einem sehr kurzen Abschnitt. Das hat es notwendig gemacht, dass wir dort so ein Bauwerk errichten. Dann ist es natürlich schade, aber wir mussten an der Stelle die Bäume fällen, weil es anders nicht ging. Wir haben tatsächlich verschiedene Planungsvarianten durchgespielt und das war die an der Stelle mit dem geringsten Eingriff.

Und so können wir durch die gesamte Geraaue gehen. Natürlich ist die Gesamtzahl von 600 nicht schön, aber ich glaube, man sollte tatsächlich das daran messen: Wie viele Bäume haben wir jetzt zusätzlich gepflanzt? Wie viele Flächen haben wir entsiegelt? Wie viel Bitumen haben wir rausgenommen und welche Wege haben wir wie umgebaut? Ich glaube, daran muss man uns messen. Und natürlich, das Argument bekomme ich auch immer wieder zu hören: Ein junger Baum ist kein Ersatz für einen alten Baum, das ist doch völlig klar. Aber die Parkanlagen, die wir bauen, entwickeln wir natürlich für lange Zeiten. Und in 20 oder 30 Jahren wird es dann wieder so weit sein, dass wir ein adäquates Verhältnis haben. Und wir am Ende der Tage bauen wir für Generationen und die Stadt entwickelt sich weiter. Wir haben hier, glaube ich, ein gutes Ergebnis abgeliefert. Vielleicht muss man zukünftig, wenn man die Planungen vorstellt, noch mehr Augenmerk darauf legen, dass man genau erklärt, was mit der Einzelmaßnahme verbunden ist. Das ist ein Kritikpunkt, der angekommen ist, den müssen wir auch zu Herzen nehmen und das wird, glaub ich, zukünftig besser laufen.

Sie werden ab 1. Februar Geschäftsführer der Kowo sein. Sie werden aber trotzdem in den nächsten Monaten noch Buga-Beauftragter der Stadt sein, um die Projekte, die noch nicht abgeschlossen sind, fertig zu bringen. Wie wird das laufen? Sie haben doch eigentlich gar nicht mehr die Mittel und Möglichkeiten hier, mit städtischen Ämtern dann bestimmte Dinge zu klären. Oder wie wird das sein?

Das war eine Bitte, die aus dem Kollegium gekommen ist, denn wir befinden uns kurz vor der Eröffnung der Bundesgartenschau. Viele der Projekte begleite ich seit Jahren. Am Ende geht es darum, dass kein Wissen verloren geht. Viele Gespräche mit den Fördermittelgebern habe ich immer direkt geführt. Es ging darum, dass man die Möglichkeit eröffnet, dass die Ansprechpartner weiterhin da sind, und mein Nachfolger nicht gleich ins kalte Wasser hineingeworfen wird. Der OB macht mich zum Buga-Beauftragten. Ich werde weiterhin als Ansprechpartner da sein. Die Ämter kennen mich, sie vertrauen mir da und ich sage mir, am Ende geht es nicht um die Formalien. Wer ist da der, der sozusagen die meisten Sterne auf der Schulter hat? Sondern es geht eigentlich darum, dass die Projekte gut zu Ende gebracht werden und das Wissen nicht verloren geht. Und das will ich gerne einbringen. Hier geht es nicht darum, bis zum letzten Tag noch zusätzlich entscheiden zu dürfen, sondern wir wollen ein gutes Ergebnis abliefern. Und das eint uns sowohl mit allen Ämtern, die hier unterwegs sind in der Geraaue und auf dem Petersberg, als auch mit der Buga gGmbH und den Planern und den Bauleuten.

Das muss man nochmal klarstellen: Das wird ehrenamtlich sein?

Ja, definitiv. Ich glaube, ich bin in der Geschäftsführung der Kowo auch gut mit Arbeit versorgt. Aber an dem Buga-Projekt hängt natürlich mein Herz und ich will das auf alle Fälle noch gut mit zu Ende bringen. Ich glaube, insgesamt ist das in Ordnung.

Sie waren sechs Jahre Beigeordneter bei der Stadtverwaltung Erfurt. In einem Satz: Wie waren die sechs Jahre?

Ich würde sagen, das waren die besten sechs Jahre meines beruflichen Lebens bisher.