Der Nachwende-Oberbürgermeister: Manfred Otto Ruge
In der Ehrenurkunde heißt es:
"Mit dieser ganz besonderen Auszeichnung wird die Lebensleistung von Manfred Ruge gewürdigt, der auf vielfältige Weise das Leben der Landeshauptstadt gefördert und bereichert sowie die Weichen für die positive Entwicklung Erfurts maßgeblich gestellt hat", erklärte Oberbürgermeister Andreas Bausewein in der Laudatio auf seinen Amtsvorgänger.
„Der Pessimist klagt über den Wind,
der Optimist hofft, dass er dreht,
der Realist richtet das Segel aus.”
Sir William Ward (1837 - 1924)
"Die Landeshauptstadt Erfurt
verleiht
Manfred O. Ruge
für seine Verdienste
zum Wohle
seiner Wahl-Heimatstadt
das Ehrenbürgerrecht
Sie ehrt damit die Lebensleistung eines Mannes, der auf vielfältige Weise das Leben der Landeshauptstadt gefördert und bereichert sowie die Weichen für die positive Entwicklung Erfurts maßgeblich gestellt hat.
Manfred O. Ruge hat als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Erfurt das Leben der Stadt nachhaltig mitbestimmt. Als Zeugnisse gener Zeit sind besonders hervorzugeben die Rettung und Sanierung der Erfurter Altstadt, die Gründung der Universität Erfurt, der Bau der Leichtathletik- und der Eissporthalle, der Neubau des Theaters Erfurt im Brühl oder auch der Auf- und Ausbau des Wirtschaftsstandortes Erfurt sowie die zukunftsweisende Ausrichtung der Verkehrsinfrastruktur.
Das Engagement für seine Heimatstadt Erfurt und die Erfurter Bürgerinnen und Bürger war für Manfred O. Ruge nicht nur als „oberster Bürger” selbstverständlich, bereits vor seiner Zeit als Oberbürgermeister brachte er sich in die friedliche Revolution 1989/1990 ein und half, ein neues demokratisches Gemeinwesen aufzubauen. Sein Wirken war und ist immer auch geprägt von seiner Liebe zu Erfurt."
Manfred Otto Ruge wurde 7. Oktober 1945 in Erfurt geboren. In Ilmenau studierte er Theoretische Elektrotechnik und arbeitete anschließend als Diplomingenieur im VEB Optima Büromaschinenwerk Erfurt. Ab 1987 war er mit dem Aufbau einer neuen Ölmühle als Technischer Leiter betraut. Politisch aktiv wurde er im Zuge der Friedlichen Revolution 1989. Bis dahin parteilos trat er zunächst dem Neuen Forum und dann der CDU bei.1990 kandidierte Ruge erfolgreich für das Amt des Erfurter Oberbürgermeisters, in das er zwei Mal wiedergewählt wurde. Zur Oberbürgermeisterwahl 2006 trat er nicht mehr an und wechselte auf einen neu geschaffenen Posten als dritter Geschäftsführer zu den Erfurter Stadtwerken. In dieser Funktion war er unter anderem für die Erfurter Garten- und Ausstellungs GmbH (ega) und die Thüringer Freizeit und Bäder GmbH zuständig.
Dass er zum Oberbürgermeister seiner Stadt gewählt wurde, das habe nichts mit seinem politischen Engagement während der Wende zu tun gehabt, sagte Manfred Ruge einmal in einem Fernsehinterview. Eher sei es eine "praktische Entscheidung" gewesen. Er sei prädestiniert für das Amt, habe es geheißen, weil er schon so vieles in Erfurt habe – ein Haus, ein Auto, ein Telefon, die erste Frau plus vier Kinder. All das habe im Frühjahr 1990 nicht mehr beschafft werden müssen.
Wenn Ruge diese Geschichte erzählt, wird nicht ganz klar, wie ernst er sie meint. Fast immer schwingt in seinen Erzählungen eine etwas melancholische Selbstironie mit. „Ich nehme mich selbst nicht so wichtig“, soll das wohl bedeuten. Aber natürlich weiß er selbst, wie wichtig er war als Oberbürgermeister nach der Wende.
„Da brannte in dieser Stadt die Luft”
Nach knapp 40 Jahren DDR war Erfurt eine kleine, graue Großstadt - mit einer mittelalterlichen, aber total kaputten Altstadt, mit Industriebetrieben, die nicht mehr konkurrenzfähig waren und einer Arbeitslosenquote, die in die Höhe schnellte. Der Aufbruch in die neue Zeit war überaus steinig.
Manfred Ruge beschreibt sie so: "Wenn heute in einer Stadt 3.000 bis 4.000 Leute arbeitslos werden, geht die Welt unter. Hier wurde das Bekleidungskombinat zugemacht, das waren 11.000 Frauen. Die Optima, Paul Schäfer, das waren 20.000 bis 30.000, die innerhalb von ein, zwei Jahren arbeitslos wurden. Da brannte in dieser Stadt die Luft. Und alles andere schrie nach Veränderung: Alles sollte geregelt werden. Wir sollten die Altstadt retten, wir sollten eine neue Infrastruktur aufbauen. Es war einfach nur Arbeit. Und alles, was wir angefasst haben, musste grundhaft neu geregelt werden". Als Vorbild galt damals Augsburg in Bayern. Auch dort gab es einen mittelalterlichen Stadtkern, der dennoch von verschiedenen Akteuren rege genutzt wurde. Die nötige Expertise kam aus der westdeutschen Partnerstadt Mainz.
Auch die Verwaltung selbst war im Umbruch. Nach der Wende hatte die Stadtverwaltung noch rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vieles war in der DDR-Zeit der Stadt zugeschlagen worden, auch Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte. Letztere sollten sich nun selbständig machen. In Personalversammlungen ging es hoch her, die Menschen hatten Angst davor, was die Zukunft ihnen bringt. Ruge als Oberbürgermeister musste Rede und Antwort stehen für Dinge, die der gesellschaftliche Umbruch mit sich brachte. „Die ersten Wochen im Amt waren die schwersten“, bekannte er später. Mit ihm kam aber Anfang der 1990er-Jahre ein agiler Mitte 40-Jähriger an die Macht, der geradezu beseelt davon war, gestalten zu können. Sieben Tage die Woche, manchmal 14 Stunden am Tag war er für seine Stadt unterwegs. Der Stadtrat war mit 150 Mitgliedern das größte Parlament in der untergehenden DDR. Seine Sitzungen waren immer turbulent und gingen oft bis weit nach Mitternacht. Vor der Stadtspitze lag ein riesiger Berg an Arbeit. Es gab aber auch jede Menge Gestaltungsmöglichkeiten und noch keine eingefahrenen bürokratischen Prozesse. Ruge genoss auch diese Freiheiten.
Unweigerlich verbunden mit seiner Amtszeit ist aber auch der Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium am 26. April 2002. „Im Einsatzzentrum habe ich dann gehört, ‚Ja, wir haben jetzt den neunten Toten, den zehnten Toten, jetzt den elften‘ und dann sagte einer der Beamten richtig verzweifelt: ‚Wann hört der Wahnsinn denn hier auf?‘ Das war schon schlimm“, sagte Ruge in einem Zeitungsinterview 15 Jahre nach der Tat. In der Nachbetrachtung gab es ein Davor und ein Danach in Ruges Amtszeit. Seinem Einsatz ist es aber auch zu verdanken, dass das Gymnasium nicht – wie vom Land gewollt – aufgelöst, sondern mit Bundesmitteln umfangreich saniert wurde.
Zu seinen größten Verdiensten zählt die Rettung und Sanierung der mittelalterlichen Erfurter Altstadt. „wir haben eine der schönsten Altstädte in Deutschland“, sagte Ruge einst selbst. Aber auch die Wiedergründung der Universität, der Bau der Leichtathletik- und der Eissporthalle, der Neubau des Theaters im Brühl, der Auf- und Ausbau des Wirtschaftsstandortes Erfurt sowie die moderne Ausrichtung der Verkehrsinfrastruktur fallen in seine Amtszeit. Nicht alles sei Ruges Werk, aber fast nichts sei ohne ihn geschehen. So schätzte es der frühere Thüringer Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel in seiner Laudatio auf Ruge anlässlich dessen Amtsaustrittes 2006 im Großen Saal des Theaters ein.
Als größte Niederlage wertete Ruge einst selbst, dass die medizinische Akademie, also die Medizinerausbildung, nicht in Erfurt gehalten werden konnte: „Das hat mir sehr zu schaffen gemacht. Wir wollten die Universität, aber das war ein hoher Preis, den wir dafür zahlen mussten. Und ich habe damals sehr gehadert.“.
In seine Amtszeit fällt auch der Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium am 26. April 2002.
Manfred Ruge war als Bürgermeister auch Mitglied im Präsidium des Deutschen Städtetags und Vizepräsident des Weltbundes der Partnerstädte.
In der Amtszeit Manfred Ruges trugen sich 187 Persönlichkeiten in das Goldene Buch der Stadt Erfurt ein. Sein Name ist seit dem Tag seines Austrittes auch in diesem Buch verewigt.