1141 – 1251 | Der Rat drängt die erzbischöfliche Stadtherrschaft zurück

Die 1165 zerstörte Stadtbefestigung wird als Stadtmauer 1168 wieder errichtet. Die Emanzipation der Bürgerschaft von der Stadtherrschaft führt zu den Anfängen der Ratsverfassung. Das Pfarrnetz fächert sich weiter auf, und mit den Franziskanern und den Dominikanern kommen die ersten Bettelordenskonvente in die Stadt.

1141 bis 1255

In diesem Zeitraum kommt es zur Herausbildung eines bürgerlich-patrizischen Rates und dem Kampf des Rates und der Bürgerschaft um die kommunale Autonomie. Der Erzbischof bleibt jedoch Grund- und Stadtherr. Es folgt der Beginn des Baus eines durchgängigen Mauerringes um die Stadt, nachdem die Stadtumwallung von 1162 bereits wenige Jahre später durch Landgraf Ludwig II. von Thüringen zerstört worden ist.

Die mächtige Stadtmauer von etwa acht Kilometer Länge mit zahlreichen Wehr- und Wachtürmen sowie acht Haupttoren war in ihrem Verlauf identisch mit dem heutigen Juri-Gagarin-Ring. Die eingeschlossene dicht bebaute Stadtfläche betrug 133 Hektar.

12. Jahrhundert

1151

König Konrad III., der erste Staufer auf dem deutschen Thron, kommt nach Erfurt.

1154

Im Dom werden die Gebeine der Heiligen Adolar und Eoban aufgefunden und feierlich erhoben. Diese zwei Heiligen, Gefährten des Bonifatius, werden später als Stadtheilige verehrt.

1160

2. Juli: Versammlung zahlreicher geistlicher und weltlicher Großen des Reiches in Erfurt. Dabei wird über die Bürger der Stadt Mainz, die den Erzbischof Arnold getötet hatten, die Acht verhängt.

um 1160

Der romanische Altaraufsatz im Dom, die sogenannte Stuckmadonna - heute an der Ostwand des Südquerarms aufgestellt - entsteht. Maria mit dem Kinde sitzt auf einem großen Thron. Ein tympanonartiger Halbkreisbogen umrahmt die Gruppe. Am Fuße des Bogens stehen auf jeder Seite vier heilige Gestalten mit Märtyrerpalmen. Darüber sind die heiligen Bischöfe Adolar und Eoban zwischen Sternen dargestellt. Im Scheitel des Bogens thront auf den Wolken eine Christus-Halbfigur.

Der romanische Lichterträger, „Wolfram“ genannt, entsteht im Dom. Die massive Bronze-Großplastik ist laut Inschrift am Gürtelband eine Stiftung des Wolfram und der Hiltiburc. Sie verkörpert einen Büßer, mit einem schlichten Gewand bekleidet und durch einen Gürtel geschnürt. Der „Erfurter Wolfram“ stellt das erste vollplastische, lebensgroße Bild eines zeitgenössischen mittelalterlichen Menschen in Deutschland dar.

1168 bis 1196

Mitte des 12. Jahrhunderts Gründung der Neuwerkskirche, auch Kirche „Zum hl. Kreuz S. Crucis“ genannt. Vermutlich erfolgt die Gründung im Zusammenhang mit der Errichtung der Stadtmauer im Jahre 1168, als man mit der Trockenlegung des sumpfigen Geländes und der Gründung der „Neustadt“ beginnt. Um 1194/1196 Verlegung des Augustiner-Chorfrauenstifts vom Hospital zum Heiligen Geist und Einbeziehung der Kirche in das neue Kloster. Von 1466 bis 1473 Umbau zu einer spätgotischen Kirche. Von 1710 bis 1731 Erneuerung der Klostergebäude. Von 1731 bis 1735 Neubau der Kirche unter Einbeziehung der gotischen Bausubstanz.

1181

Während des Reichstags auf dem Petersberg unterwirft sich Heinrich der Löwe, Herzog von Bayern und Sachsen, der dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa zuvor die Gefolgschaft verweigert hat. Als in Thüringen die Entscheidung in den Machtkämpfen zwischen Hohenstaufen und Welfen fällt, ist Erfurt der bevorzugte Aufenthaltsort des Kaisers und damit Mittelpunkt der Zentralgewalt. Friedrich Barbarossa besucht Erfurt mehrmals: 1161, 1170, 1172, 1179, 1180 und letztmals zum Hoftag von 1181.

1183 bis 1200

Eidesformel der jüdischen Bürger. Sie bringt die Gleichstellung jüdischer Kaufleute im Wirtschaftsleben Erfurts zum Ausdruck. Das an der Urkunde angebrachte Siegel ist das älteste der Stadt und bis zur ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Gebrauch. Das Siegelbild zeigt den Stadtheiligen Martinus im Bischofsornat ohne Mitra. Die Umschrift lautet: „Erfordia fidelis est filia Mogontine sedis“ (Erfurt ist die treue Tochter des Mainzer Stuhls). Die Eidesformel verweist auf eine namhafte jüdische Gemeinde in der Stadt im 12. Jahrhundert.

1183

29. Januar: Kaiser Friedrich I. Barbarossa nimmt das Hospital zum Heiligen Geist vor Erfurt in seinen Schutz.

1183 bis 1200

Neubau einer Pfarrkirche in der Michaelisstraße als Saal auf trapezförmigem Grundriss, der durch den Verlauf der Straße bestimmt wird. Der Neubau des heutigen Hauptschiffes der Michaeliskirche erfolgt von 1278 bis 1290. Im Jahr 1451 Erweiterung zur Universitätskirche durch den Anbau des nördlichen Seitenschiffes. Um 1500 Anbau der Dreifaltigkeitskapelle mit reliefgeschmücktem Chorerker.

Der Michaelisturm trägt die älteste, 1380 am Sonntag Palmarum gegossene, Glocke der Stadt.

1184

26. Juli: Bei einer Versammlung von thüringischen Großen, die im Beisein des späteren Kaisers Heinrich VI. stattfindet – wohl im Krummhaus auf dem Domhügel – und die der Beilegung eines Streits zwischen dem Erzbischof von Mainz und dem Landgrafen Ludwig III. dienen soll, finden viele Edle infolge eines Deckeneinsturzes den Tod.

Seit 1192

Bürger treten als Zeugen in erzbischöflichen Urkunden auf. Die finanzkräftigen Kaufleute, die sich zu einer gleichbedeutenden Gemeinschaft, den Gefrunden, wie das Patriziat genannt wird, zusammengeschlossen haben, drängen zur politischen Herrschaft im städtischen Machtbereich.

1196

Konrad I. von Wittelsbach, Erzbischof von Mainz, bestätigt die neue Anlage des Augustiner-Chorfrauenstifts S. Mariae zum Neuen Werk in Erfurt.

13. Jahrhundert

1200 bis 1204

Der staufisch-welfische Thronstreit beeinträchtigt die Entwicklung der Stadt. Im Jahr 1203 belagern böhmische, landgräflich thüringische und welfische Truppen die Stadt Erfurt, wohin sich der Stauferkönig Philipp von Schwaben zurückgezogen hat, einen Monat vergeblich. Schließlich beugt sich 1204 der welfisch gesinnte Landgraf Hermann von Thüringen dem deutschen König Philipp von Schwaben in Ichtershausen nahe Erfurt.

1203

8. Dezember: Siegfried II. von Eppstein, Erzbischof von Mainz, beschwert sich beim Marien- und beim Severistift zu Erfurt über die Untreue der dortigen Bürger.

Seit dem 13. Jahrhundert

Erfurt entwickelt sich zu einem der größten Waidmärkte des Reiches. In etwa 300 Dörfern Thüringens wird die Waidpflanze (Isatis tinctoria) angebaut, aus deren Blättern man ein begehrtes und gewinnbringendes Blaufärbemittel gewinnt und das mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt eng verbunden ist. Ein Waidregister von 1579 weist Waidanbau in 49 Erfurter Dörfern nach.

1208

Im Peterskloster, einem Zentrum der Bildung von regionaler und überregionaler Bedeutung, entsteht die bekannteste und bedeutendste Erfurter Chronik des Hochmittelalters, die Chronica S. Petri Erfordensis moderna. Sie wird bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts fortgesetzt.

13. Jahrhundert

Erfurt ist bereits im 13. Jahrhundert zu einem Bildungszentrum von weit ausstrahlender Bedeutung herangewachsen. Keine andere Stadt in Deutschland hat in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mehr Studenten. Im „carmen satiricum“ von 1281/1283 wird die Zahl von 1.000 Erfurter Scholaren angegeben. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entwickelt sich das Erfurter „studium generale“ zur bedeutendsten Bildungsanstalt im Römisch-Deutschen Reich.

Anfang des 13. Jahrhunderts

Baubeginn der alten Andreaskirche. Nach 1325 Neubau eines Kirchengebäudes bei Übernahme des Turmes. 1399 bis 1687 Inkorporation der Pfarrkirche St. Andreas in das Kloster der Benediktinerinnen auf dem Cyriaksberg, das 1482 an die Westseite der Andreaskirche verlegt, 1688 aber wieder abgerissen wird. Dann 1416 Beschädigung der Kirche durch einen Großbrand im Andreasviertel und Umbau der Kirche von 1485 und 1688. Im Jahr 1806 kommt es zur teilweisen Zerstörung durch die Explosion eines französischen Waffenlagers.

Zwischen 1210 und 1217

Gründung des Martinshospitals auf dem Fischmarkt. Im Jahr 1223 wird die Kapelle des Hospitals dem Heiligen Martin geweiht (Martini intra auf dem Fischmarkt). Das Hospital wird vom Mainzer Erzbischof Siegfried II. von Eppstein mit Liegenschaften und Zinsen bedacht, die durch Papst Honorius III. bestätigt werden.

1210

Früheste Erwähnung der Wigbertkirche in der Regierungsstraße als Kapelle. Wahrscheinlich ist sie eine Gründung des Klosters Hersfeld und gehörte zu dessen Erfurter Hof. Brand und Zerstörung 1291, anschließend Neubau in mehreren Etappen: 1409 der Turm, 1472 das Langhaus und 1472 der für das heutige Aussehen der Kirche bestimmende Chor. Schließlich 1668 Überlassung der Kirche an den Augustiner-Eremitenorden. Seit 1664 auch Hofkirche der Statthalterei.

1210

Lambert II., Graf von Gleichen, überträgt dem neuen Hospital Sankt Martini in Erfurt das Vogteirecht an den Gütern des Hospitals, soweit dies nicht bereits festgelegt ist.

1211

Erste Erwähnung der Gotthardtkirche in Marbach. Um 1841/42 Neubau des Kirchenschiffes und des Turmes unter Einbeziehung älterer Teile. Die Innenerneuerung erfolgt von 1982 bis 1984.

1212

In einer Urkunde erscheinen neben Vogt und Viztum 23 Bürger (burgenses) als Aussteller. Sie kündet damit von den Anfängen der Ratsverfassung in Form eines Ausschusses von burgenses, eines bürgerlichen Beirates der erzbischöflich-ministerialischen Stadtherrschaft.

1212

10. Juni: Kaiser Otto IV. verleiht dem Erzbischof von Mainz, wie er demselben vor der Wahl zugesagt hat, die Steuern der Juden in Mainz und Erfurt.

1214

König Friedrich II. hält sich erstmals in der Stadt auf, späterhin noch 1218, 1219, 1220.

1216

Erste urkundliche Erwähnung der Paulskirche in der Predigerstraße. Der Bau des Paulsturmes erfolgt 1465 und 1468 vermutlich ein Neubau der Paulskirche. Ein Brand zerstört 1736 die Kirche, an der bereits 1737 die Wiederherstellung des Turmes und dabei die Erhöhung um ein Stockwerk erfolgt. Der Abbruch der Reste des Kirchenschiffes erfolgt 1759.

1217

Es besteht bereits die Verpflichtung, zu Erhaltung und Bau von Wall und Mauer beizutragen, eine städtische Abgabe (collecta) zu entrichten und Nachtwachen zu übernehmen.

1223

4. Juni: Siegfried II. von Eppstein, Erzbischof von Mainz, verleiht bei der Weihe der Kapelle im Martinshospital auf der Breiten Straße in Erfurt einen Ablass.

1224

Die ersten Franziskaner (Barfüßer) kommen nach Erfurt. Sie ziehen zunächst in das 1196 von den Augustiner-Chorfrauen verlassene Heilig-Geist-Spital. Dann 1231 lassen sie sich im Inneren der Stadt am rechten Geraufer nieder, wo sie ihr Kloster und ihre Klosterkirche errichten (Weihe des gotischen Chores der Kirche 1316).

1227

Erzbischof Siegfried II. von Mainz weiht als Metropolit der Prager Diözese in der Kirche des Erfurter Petersklosters den Prager Bischof Johannes II. Sein Nachfolger Siegfried III. weiht 1236 im Erfurter Dom den Prager Bischof Bernhard.

1229

Vier Dominikaner (Prediger), darunter der erste Prior Graf Elger von Honstein, lassen sich in Erfurt nieder und errichten am linken Geraufer in der Nähe der Paulskirche ihr Kloster und ihre Kirche. Der Chor der Kirche ist 1279 vollendet, der Bau wird aber erst im 15. Jahrhundert mit der Einwölbung und 1447 mit der Errichtung des Glockenturms abgeschlossen.

1234

In den 30er-Jahren flammen die Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Mainzer Erzstift erneut auf. Mit Bann und Interdikt versuchen die Erzbischöfe, die revolutionären, kommunalen Bestrebungen einzudämmen. Die Erfurter Stadt- und Bürgergemeinde tritt 1234 urkundlich als selbstverwaltete Gesellschaft „universitas civium“ ausgebildet in Erscheinung.

1234

Juli: Kaiser Friedrich II. bestätigt die Privilegien der Stadt Erfurt.

10. September: König Heinrich VII. hebt die, über die Stadt Erfurt, verhängte Acht auf, nachdem die Bürger dem Erzbischof von Mainz Genugtuung geleistet haben. Danach bestätigt er der Stadt alle Rechte und Freiheiten am 11. September.

1235

Erste Erwähnung des heutigen Ursulinenklosters auf dem Anger. Seit dem 13. Jahrhundert sind Kirche und Kloster von Magdalenerinnen (Weißfrauen) besetzt. Im 13. Jahrhundert Errichtung des Kirchenschiffes als Saalbau und Anfang des 15. Jahrhunderts Bau des nördlichen Seitenschiffes. Im Jahr 1667 erfolgt die Übergabe an die Ursulinen und im 17. Jahrhundert der Bau der noch bestehenden Klostergebäude. Starke Schäden an den Klostergebäuden und weitgehende Zerstörung der Kirche gibt es 1944 bei einem Bombenangriff. Bereits 1950 erfolgt der Wiederaufbau.

1248/49

Erstmalig sind in den Aufzeichnungen des erzbischöflichen Schreibers Berthold neben der Wollweberzunft Hutmacher, Schilderer (Schildermacher/-maler), Schuhmacher, Schmiede, Bäcker und Fleischhauer als organisierte Zünfte verzeichnet.

1248

Erste urkundliche Erwähnung der Bartholomäuskirche auf dem Anger. Familienkirche der Grafen von Gleichen, die hier ihren Hof hatten. Im Jahr 1412 Beginn des Neubaus des Turmes, der heute noch vorhanden ist. Allerdings 1571 Schließung der Kirche wegen Baufälligkeit und 1660 Zerstörung der Kirche, mit Ausnahme des Turmes, durch einen Brand. Schließlich 1945 Beschädigung des Turmes bei der Beschießung der Stadt und 1992 Wiederaufbau des Turmhelmes.

1248

Erste Erwähnung der Kaufmannskirche (ecclesia mercatorum) am Anger. Im 11. Jahrhundert entsteht hier vermutlich eine erste Kirche im Zusammenhang einer Ansiedlung friesischer Kaufleute. Ende des 13. Jahrhunderts Bau der Kirche als Basilika. Über das gesamte Mittelalter ist sie baulich die größte der nicht an ein Stift gebundenen Pfarrkirchen. Im Jahr 1689 barocker Abschluss des nördlichen Turmes und 1864 Neuaufbau der Obergeschosse des südlichen Turmes. Schließlich 1944 Schäden durch Bombentreffer und bis 1952 Beseitigung der Kriegsschäden.

Vor 1250

Der bürgerliche Einfluss verstärkt sich ständig und noch vor 1250 muss der Erzbischof die Verwaltung der Stadt einem autonomen Rat überlassen, den 14 Gefrunden (Ratsherren) bildeten.