Gedenkstätten im Umbruch
Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, im Gespräch mit Henry Bernhard, Deutschlandfunk
Gedenkstätten, die an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnern, befinden sich in einer grundlegenden Umbruchsituation: Erstens ist mittlerweile das seit den 1990er Jahren angekündigte Ende der Zeitzeugenschaft wirklich gekommen: Es gibt kaum noch jemanden, der als Zeuge über die Verbrechen berichten kann. Auch für die Adressaten dieser Berichte, jugendliche Gedenkstättenbesucherinnen und -besucher, rückt die Zeit des Nationalsozialismus immer weiter weg. Sie erleben den oftmals vorgetragenen Appell, sich an etwas „erinnern“ zu sollen, was selbst ihre Großeltern nicht mehr unmittelbar erlebt haben, als moralisch aufgeladene Überforderung. Zweitens hat sich seit einigen Jahren das politische Klima in Deutschland und Europa mit dem Erstarken rechtsextremer und -populistischer Parteien deutlich geändert. Gedenkstätten sind zunehmendem Geschichtsrevisionismus ausgesetzt – eine Herausforderung, auf die sie reagieren müssen. Drittens verändert die Digitalisierung die Wissensaneignung und die Meinungsbildung in der Gesellschaft radikal. Auch das erfordert neue Bildungskonzepte und -formate. Viertens leben wir in einer Migrationsgesellschaft. Damit stehen Gedenkstätten vor der Aufgabe, sich auch mit anderen Gesellschafts- und Regimeverbrechen auseinanderzusetzen, ohne die Verbrechen im Nationalsozialismus zu relativieren und ihre Opfer zu instrumentalisieren.
Die Veranstaltung findet in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung statt.
Die Zahl der Teilnehmenden ist begrenzt. Eine Anmeldung per E-Mail unter Angabe der Telefonnummer oder der Anschrift ist erforderlich.