Überwachungsplan für Störfallanlagen

Störfallanlagen müssen regelmäßig überwacht werden. Der Überwachungsplan soll eine planmäßige und nachvollziehbare Überwachung der unter den Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung fallenden Anlagen in der Stadt Erfurt sicherstellen.

Überwachungsplan

für Störfallanlagen in der Stadt Erfurt; Vollzug des § 17 der Störfall-Verordnung (12. BImSchV)

Der Überwachungsplan soll eine planmäßige und nachvollziehbare Überwachung der unter den Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung fallenden Anlagen in der Stadt Erfurt sicherstellen.

1. Zuständigkeit und Geltungsbereich

Die Stadt Erfurt ist zuständige Überwachungsbehörde für nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsbedürftige Anlagen in Erfurt. Sie sind insbesondere zuständig für die Durchführung der Überwachung gemäß Störfall-Verordnung.

Eine oder mehrere Anlagen, in denen gefährliche Stoffe ab einer bestimmten Menge vorhanden sind oder bei einem Störfall entstehen können, fallen unter den Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung. Sie werden als Betriebsbereiche bezeichnet.

2. Allgemeine Beurteilung der Anlagensicherheit

Industrieanlagen sind Ausdruck des technischen Fortschritts. Aufgrund gefährlicher Stoffe, technischer Vorgänge oder Zustände können sie aber auch ein Gefahrenpotenzial darstellen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der schwere Chemie-Unfall in einer Fabrik der italienischen Stadt Seveso im Jahr 1976: Ein sechs Quadratkilometer großes, dicht bevölkertes Gebiet wurde hier mit Dioxin vergiftet. In diesem Zusammenhang ist auch der Brand einer Lagerhalle des Chemieunternehmens Sandoz in Basel 1986 zu nennen, bei dem durch ablaufendes Löschwasser mindestens 20 Tonnen hochgiftige Stoffe, insbesondere Pestizide und Insektizide, aber auch 150 Kilogramm Quecksilber in den Rhein gelangten und ihn auf einer Länge von 400 km schädigten. Auch natürliche Gefahrenquellen wie Hochwasser oder Erdbeben können zu gefährlichen Umweltauswirkungen von Industrieanlagen führen. Für die Akzeptanz industrieller Anlagen ist von erheblicher Bedeutung, dass Mensch und Umwelt vor ihren potenziellen Gefahren hinreichend geschützt sind.

Ziel der Anlagensicherheit ist es, schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhindern beziehungsweise deren Auswirkungen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Weil der Stand der Sicherheitstechnik sich ständig weiterentwickelt, müssen Vorschriften und Maßnahmen zur Anlagensicherheit kontinuierlich überprüft und gegebenenfalls fortentwickelt werden.

Um Unfälle zu verhindern, werden hohe Anforderungen an die Sicherheit bestimmter Anlagen gestellt. In Deutschland ist Grundlage hierfür die Störfall-Verordnung. Industrieanlagen und Lager können aufgrund des Umganges mit gefährlichen Stoffen ein bedeutendes Gefahrenpotential für Mensch und Umwelt in sich bergen. Relevante Umweltprobleme können durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs von Anlagen entstehen.

Für Betriebsbereiche, in denen bestimmte gefährliche Stoffe in größeren Mengen vorhanden sind, müssen Vorkehrungen getroffen werden, um Störfälle zu verhindern. Darüber hinaus sind Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten.

An die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Betriebsbereichen werden durch die Störfall-Verordnung besondere Anforderungen gestellt.

Zur Sicherstellung der Einhaltung des Standes der Sicherheitstechnik sind neben regelmäßigen Prüfungen durch den Betreiber sowie durch unabhängige amtlich zu-gelassene Sachverständige regelmäßige Überwachungen durch die Behörden erforderlich.

3. Betriebsbereiche in Erfurt

Für Betriebsbereiche hat die Überwachungsbehörde bereits seit dem Jahr 2000 ein Überwachungssystem eingerichtet. Dieses Überwachungssystem ermöglicht eine planmäßige und systematische Prüfung der technischen, organisatorischen und managementspezifischen Systeme dieser Betriebsbereiche.

Anhang 1a enthält das Verzeichnis der in den Geltungsbereich dieses Überwachungsplans fallenden Betriebsbereiche.

Anhang 1a  enthält ebenso das Verzeichnis der Betriebsbereiche, in denen besondere umgebungsbedingte Gefahrenquellen die Wahrscheinlichkeit eines Störfalls erhöhen oder die Auswirkungen eines solchen Störfalls verschlimmern können. Für Thüringen wird die Wahrscheinlichkeit eines erhöhten Risikos durch umgebungsbedingte Gefahrenquellen generell bei Standorten von Betriebsbereichen in folgenden Gebieten angenommen:

  • Erdbebengebiet
  • Lage in einem durch die TLUG festgestellten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet (ÜSG)
  • Lage in einem Überflutungsgebiet gemäß Gefahrenkarte HQ 100 des Hochwassermanagements Thüringen

4. Verfahren zur Aufstellung von Überwachungsprogrammen

Für die zu überwachenden Betriebsbereiche werden die Zeiträume, in denen Vor-Ort-Besichtigungen stattfinden müssen, ermittelt. Zur Überwachung gehören alle Maßnahmen, die von der zuständigen Behörde oder in ihrem Namen durchgeführt werden, um die Einhaltung der Bestimmungen der Störfall-Verordnung zu überprüfen, einschließlich der Vor-Ort-Besichtigungen, der Überprüfungen von internen Maßnahmen, Systemen, Berichten und Folgedokumenten sowie alle notwendigen Folgemaßnahmen.

Die Überwachungsprogramme sind regelmäßig zu überprüfen und aus gegebenem Anlass, z. B. bei einer Änderung des Anlagenbestandes zu aktualisieren. Die festgelegten Überwachungsintervalle werden, abhängig von den Ergebnissen durchgeführter Vor-Ort-Besichtigungen, vom Betreiberverhalten, von Erkenntnissen aus Störfällen und Beinahestörfällen regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst.

4.1 Bewertungsschema für die regelmäßige Überwachung

Der Gesetzgeber sieht für Betriebsbereiche eine risikobasierte Anlagenüberwachung vor. Der Zeitraum zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen darf ein Jahr bei Betriebsbereichen der oberen Klasse und drei Jahre bei Betriebsbereichen der unteren Klasse nicht überschreiten, es sei denn die zuständige Behörde hat auf der Grundlage einer systematischen Beurteilung der mit den Betriebsbereichen verbundenen Gefahren von Störfällen andere zeitliche Abstände erarbeitet.

Das in Anhang 2 beigefügte Bewertungsschema wird für die Ermittlung der Überwachungsintervalle der regelmäßigen Überwachung der Betriebsbereiche im Geltungsbereich des Überwachungsplans herangezogen. Für die systematische Bewertung des Gefährdungspotentials eines Betriebsbereichs sind folgende Kriterien heranzuziehen:

  • Mengenschwellenquotient / Stoffmengen
  • Art und Komplexität der Verfahren
  • Örtliche Umgebung
  • Sicherheitsrelevante Teile eines Betriebsbereichs
  • Umgebungsbedingte Gefahrenquellen
  • Dokumentenmanagement
  • Erfahrungen mit dem Betreiber

Die Bewertung der einzelnen Kriterien erfolgt mittels eines Punktesystems, wobei die zu vergebenden Punkte ein Maß für die Wertigkeit darstellen. Aus der Summe der einzelnen Bewertungen wird das Überwachungsintervall nach folgender Klassifizierung festgelegt: bei 3 bis 6 Punkten innerhalb von 5 Jahren, bei 7 bis 10 Punkten innerhalb von 3 Jahren und bei 11 bis 17 Punkten innerhalb eines Jahres.

Zusätzlich gilt für Betriebsbereiche der oberen Klasse jedoch ein maximales Überwachungsintervall von 3 Jahren.

Wird bei einer regelmäßigen Überwachung festgestellt, dass der Betreiber einer Anlage in schwerwiegender Weise gegen die Genehmigung verstößt, ist innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verstoßes eine zusätzliche Vor-Ort-Besichtigung (Überwachung aus besonderem Anlass) durchzuführen.

4.2. Überwachung aus besonderem Anlass

Eine Überwachung aus besonderem Anlass ist entsprechend der jeweiligen Situation durchzuführen und kann insbesondere in folgenden Fällen erforderlich sein:

  • bei schwerwiegenden Beschwerden wegen Umweltbeeinträchtigungen
  • nach nicht bestimmungsgemäßem Betrieb
  • bei bedeutenden Verstößen gegen Vorschriften der Störfall-Verordnung oder anderer für die Anlagensicherheit relevanten Rechtsvorschriften
  • Anzeige einer durchgeführten störfallrelevanten Anlagenänderung

Hierbei kommen im Wesentlichen folgende Maßnahmen in Frage:

  • unverzügliche Prüfung von Meldungen und Unterlagen
  • Vor-Ort-Besichtigungen
  • Prüfung und ggf. Veranlassung von Abhilfemaßnahmen
  • Information anderer betroffener Behörden.

4.3. Zusammenarbeit mit anderen Überwachungsbehörden

Die Überwachungen in Störfallbetrieben werden je nach Schwerpunkt als integrierte Überwachungen durchgeführt. Vor-Ort-Besichtigungen sollen, wenn möglich, mit Überwachungsmaßnahmen im Rahmen anderer Rechtsvorschriften koordiniert und ggf. miteinander verbunden werden. Das bedeutet, dass andere Behörden, die ebenfalls wichtige Überwachungsaufgaben wahrnehmen, eingeladen werden, an der Überwachung teilzunehmen. Dazu zählen u. a. die zuständigen Behörden für die Rechtsbereiche Brand- und Katastrophenschutz, Bau, Arbeitsschutz, Abfälle, Luftreinhaltung und Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Auch wenn diese Verfahrensweise zu einem erhöhten Abstimmungs- und Koordinierungsaufwand führt, wird der Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung von Vor-Ort-Besichtigungen für die Behörden insgesamt und insbesondere für den Anlagenbetreiber deutlich reduziert.

5. Überwachungsbericht

Der Anlagenbetreiber erhält spätestens vier Monate nach Durchführung einer Überwachung einen zusammengefassten Bericht.

6. Geltungsdauer

Der Überwachungsplan gilt zeitlich unbegrenzt und ist regelmäßig zu aktualisieren. Eine Aktualisierung ist z. B. bei einer Änderung des Anlagenbestands oder der Gesetzeslage erforderlich.

7. Anhänge zum Überwachungsplan

Anhang 1:

Verzeichnis der in Erfurt zu überwachenden Betriebsbereiche und der Betriebsbereiche, in denen besondere umgebungsbedingte Gefahrenquellen die Wahrscheinlichkeit eines Störfalls erhöhen oder die Auswirkungen eines solchen Störfalls verschlimmern können, sowie der Überwachungsintervalle.

Anhang 2:

Bewertungsschema zur Ermittlung des Überwachungsintervalls