Erfurter Stadtklima

Allgemeines

Das Stadtklima von Erfurt ist geprägt durch seine Lage im Erfurter Becken, abgeschirmt durch die Höhenzüge im Westen, den Steiger im Süden und den Hochflächen im Osten. Diese Talkessellage hat einen großen Einfluss auf die Klimaelemente, wie Lufttemperatur, Wind, Niederschlag, Strahlung und Luftfeuchtigkeit.

Die Kernstadt von Erfurt liegt tiefer im Erfurter Becken (ca. 190 m ü. NN), die fast vollständig von Höhenzügen (bis 440 m ü. NN) umgeben ist. Nur nach Norden ist die Kessellage geöffnet. Aus Südwesten verläuft das Geratal, das für die Belüftung von Erfurt mit Frisch- und Kaltluft eine gesamtstädtische Bedeutung hat. Die westlichen und östlichen Hangbereiche sowie die Brühler Hohle sind ebenso von stadtklimatischer Relevanz.

Grundsätzlich ist das Klima im Umland weitgehend von natürlichen Gegebenheiten abhängig, während sich in der Stadt ein durch Bauwerke und Versiegelung beeinflusstes Stadtklima ausgebildet. Wesentliche Ursachen liegen in der Veränderung des Wärmehaushalts und des örtlichen Windfeldes. Hinzu kommt die Anreicherung der Stadtluft mit Schadstoffen, Abwärme und Aerosolen. Wie deutlich das Stadtklima gegenüber dem Umlandklima ausgeprägt ist, hängt zusammen mit der Ausdehnung, der Dichte und der Höhe der Bebauungsstruktur und dem Freiflächen- und Grünanteil sowie von den Emittenten (Verkehr, Industrie). Die größten räumlichen Unterschiede bestehen bei der Lufttemperatur (Wärmeinseln) und bei den Windverhältnissen (Windstille, Windkanalisierung).

Lufttemperatur

Im Jahresmittel hat Erfurt auf den Höhenzügen eine Temperatur von 8,5 °C (im Bezugszeitraum von 1981 bis 2010) und in der Kernstadt höhere Werte von 10,5 °C. Erfurt ist eines der wärmsten Gebiete in Thüringen. Wärmster Monat mit 17,8 °C ist der Juli, während der Januar der kälteste Monat mit -0,3 °C ist. Im langjährigen Mittel treten 90 Frosttage (Tagesminimum bei unter 0 °C) und 32 Sommertage pro Jahr auf (Tagesmaximum bei über 25 °C). Durch den Wärmeinseleffekt ist in der Kernstadt mit weniger Frosttagen und mehreren Sommertagen zu rechnen. Zum Beispiel im Sommer 2018 wurden in der Kernstadt insgesamt 51 Hitzetage (Tagesmaximum bei über 30 °C) registriert, während im Umland 17 Hitzetage vorkamen. Auch Tropennächte (Tagesminimum bei über 20 °C) können im Gegensatz zum Umland ein Vielfaches in der Kernstadt erreichen.

Wind

Richtung und Geschwindigkeit des Windes ist entscheidend für die Ausbreitung und den Abtransport von Wärme und Luftschadstoffen aus belasteten Stadtgebieten. Die Hauptwindrichtung ist Südwest, gefolgt von West und Süd. Ein Nebenmaximum ist die Windrichtung Nordost. Eine Besonderheit des Erfurter Stadtklimas ist die Windarmut, die zum einen auf die doppelt abgeschirmte Tallage im Thüringer sowie Erfurter Becken und zum anderen auf die Bebauungsstruktur zurückzuführen ist. Folgen sind niedrige Windgeschwindigkeiten und die größere Häufigkeit von Windstille. Diese Schwachwindsituationen treten in 31 % aller Stunden im Erfurter Becken auf, während auf den Höhenzügen diese nur in 9 % auftreten. Das Kernstadtgebiet ist somit von Windstille bzw. Schwachwind dreimal so häufig betroffen wie das Umland. Mit zunehmender städtebaulicher Dichte steigt die Barrierewirkung, so dass die Luftströmung zum Stadtkern weiter absinkt.

Inversion

Eine Inversionswetterlage herrscht vor, wenn die Temperatur mit ansteigender Höhe zunimmt, statt (wie normalerweise) abnimmt. Der Luftaustausch mit der freien Atmosphäre ist durch diese Sperrschicht verhindert. Luftschadstoffe werden nicht mehr ausreichend abtransportiert und können sich in der Dunstglocke anreichern. Bei länger anhaltender Inversion führt dies zu Überschreitungen der Luftschadstoffgrenzwerte. Die Tallage Erfurts sowie die Windarmut sind inversionsfördernd, so dass innerstädtische Inversionen auftreten, die räumlich auf Erfurt begrenzt sind. Im Jahr entstehen im Mittel 80 Inversionen durch nächtliche Auskühlung in den Morgenstunden. Ca. die Hälfte dieser Inversionen lösen sich tagsüber nicht auf. Zusätzlich können im Zusammenhang mit stabilen Großwetterlagen auch überregionale Inversionen, die Schadstoffanreicherung in Erfurt begünstigen. Diese treten im langjährigen Mittel an weiteren 15 Tagen auf.

Niederschlag

Niederschläge sind bedeutsam für die Vegetation, für die Dimensionierung wassertechnischer Anlagen (Kanalisation, Rückhaltebecken, etc.) und für die Reinigung der Atmosphäre durch Nassdeposition (Auswaschen von Schadstoffen). Erfurt zählt zu den niederschlagsärmsten Gebieten in Deutschland, was durch die Leelage (Thüringer Wald) und durch die Tallage hervorgerufen wird. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt bei 539 mm. Der Hauptteil der Niederschläge fällt im Sommerhalbjahr. Die höchsten, monatlichen Niederschlagsmengen und Starkregenereignisse treten zwischen Mai und Juli auf. Ca. 270 Tage im Jahr sind als niederschlagsarm zu bezeichnen, an diesen Tagen treten keine bzw. marginale Niederschlagsmengen (bis zu 1 mm) auf. In den letzten 10 Jahren gab es in der Vegetationsperiode mindestens ein Dürremonat auf (d. h. weniger Niederschlag als bei 10 % aller monatlichen Niederschlagsmengen im langjährigen Mittel).

Sonnenscheindauer

Durch die Wirkung des Thüringer Waldes werden großräumig Wolken abgeschirmt und Erfurt erreicht eine relativ hohe Anzahl an Sonnenstunden von durchschnittlich 1.659 Stunden pro Jahr. In den Wintermonaten (Dez., Jan. und Feb.) werden im Mittel 183 Sonnenstunden erreicht, während in den Sommermonaten (Jun., Jul. und Aug.) 640 Sonnenstunden vorliegen. Die Strahlungsverhältnisse können im Stadtgebiet trotzdem räumlich sehr unterschiedlich ausfallen, da Hangneigung und Hangexposition, Verschattung durch Bebauung oder Bewuchs die direkte Einstrahlung abmindern.

Bioklima

Auf den Menschen wirken die genannten Klimaelemente zusammen. In Kombination (z. B. hohe Temperatur und wenig Wind) wird der Wärmehaushalt des Menschen direkt beeinflusst. Das thermische Empfinden ist abhängig von der Lufttemperatur, der Sonnenstrahlung, der Windgeschwindigkeit und dem fühlbaren und latenten Wärmfluss. Die Überwärmung der Stadt wirkt sich negativ auf das Bioklima aus. Neben der Wärmebelastung am Tag beeinflusst insbesondere die Fähigkeit der nächtlichen Abkühlung den Schlaf, das Wohlbefinden sowie die Leistungsfähigkeit. Sensitive Gruppen wie ältere, kranke, bewegungseingeschränkte Menschen, Kleinkinder und Schwangere können sich meist schlechter anpassen und sind stärker betroffen.

Klimawandel

Die mittlere jährliche Lufttemperatur steigt trotz Schwankungen auch in Erfurt kontinuierlich. In der aktuell gültigen Referenzperiode (1961 bis 1990) liegt die Lufttemperatur im Jahresmittel bei 7,9 °C (Station am Flughafen Erfurt-Weimar). Beim Blick auf die letzten 30 Jahre (1989 bis 2018) liegt die Lufttemperatur im Jahresmittel bei 9 °C. Die Folgen durch die Erderwärmung sind für Erfurt vielfältig: zunehmende Hitzebelastung im Sommer, wärmere Übergangsjahreszeiten, milde, schneefreie Winter, häufigere Starkniederschläge und lang anhaltende Trockenperioden. Die veränderten Klimaparameter wirken sich dabei auf unterschiedliche Handlungsfelder der Stadt Erfurt aus (Gesundheit, Wasserwirtschaft, Natur und Landwirtschaft, u. a.), zu denen eine Wirkungsabschätzung und Anpassungsmaßnahmen abzuleiten sind. Diese bilden die Grundlage einer nachhaltigen, städtischen Entwicklung.