Artikelreihe zum Stadtumbau - Nr. 5
Der letzte Beitrag hat sich mit den unterschiedlichen Einwohnerentwicklungen in den einzelnen Siedlungstypen beschäftigt. Heute möchten wir auf die besonderen Rahmenbedingungen für den Stadtumbau eingehen, die in den Großsiedlungen bestehen.
Seit 1996 sind die Erfurter Großsiedlungen zunehmend von Leerständen betroffen. Steigende Leerstände bedeuten, dass die Mieteinnahmen ausfallen, viele Nebenkosten aber weiterlaufen: Auch leerstehende Wohnungen müssen kontrolliert werden, es fallen Grundkosten für die Wärme an, die nicht umgelegt werden können. Hinzu kommen Tilgungen von Modernisierungsdarlehen und die sogenannten Altschulden, mit denen die Gebäude nach der Wende anstelle von Neubaukrediten belastet wurden. Schon wenn ein Fünftel der Wohnungen in einem Haus leer steht, ist sein Weiterbetrieb unwirtschaftlich.
Die Erfurter Großsiedlungen liegen fast ausschließlich in der Hand dreier Wohnungsbaugenossenschaften und des kommunalen Wohnungsunternehmens. Durch die große Menge an ähnlichen Wohnungsbeständen können diese Unternehmen Umzugsmanagement betreiben: In den einen Häusern füllen sie leerstehende Wohnungen auf und können damit in anderen die Leerstände konzentrieren, um das Haus schließlich stillzulegen. Das ist zwar wirtschaftlich sinnvoll, kann aber einen lebendigen Stadtteil auch schwer beeinträchtigen: Wer möchte schon gegenüber von einem vermauerten leeren Gebäude wohnen?
Angesichts der Leerstandsproblematik haben Bund und Länder vor einigen Jahren das Förderprogramm "Stadtumbau Ost" aufgelegt. Damit kann der Rückbau leerstehender Wohngebäude zu 100 Prozent gefördert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen werden für rückgebaute Gebäude auch die Altschulden erlassen. Solange unsanierte Objekte zurückgebaut werden, müssen keine Kapitalmarktdarlehen zurückgezahlt werden. Dadurch ist ein Rückbau für die großen Wohnungsunternehmen zwar noch immer schmerzlich, weil sie ihr Eigentum aufgeben müssen, kann aber wirtschaftlich für das Unternehmen sinnvoll sein.
Die vier großen Erfurter Wohnungsunternehmen haben sich schon früh mit der Stadt an einen Tisch gesetzt, um die Rahmenbedingungen für den Stadtumbau in den Großsiedlungen festzulegen. Dabei ging es nicht nur um einen städtebaulich verträglichen Rückbau, sondern auch um die Fortsetzung der erfolgreichen Verbesserungen im Wohnumfeld. Das Ergebnis ist im Masterplan "Erfurter Großsiedlungen" dokumentiert worden. Seit 2002 wurden auf dieser Grundlage etwa 1000 Wohnungen pro Jahr zurückgebaut. Trotz rückläufiger Einwohnerzahlen in den Großsiedlungen hat das zu einer deutlichen Reduzierung der Leerstände von 15 Prozent im Jahr 2002 auf heute nur noch 8 Prozent geführt. Unterstützt durch geförderte Wohnumfeldmaßnahmen haben sich dadurch viele Stadtteile inzwischen stabilisiert.
Warum lässt sich dieses Erfolgsmodell nicht auf die ganze Stadt übertragen? Die Antwort ist einfach: In den anderen Stadtteilen gibt es Tausende von verschiedenen privaten Kleineigentümern und Vermietern. Diese haben schlicht keinen Vorteil von Leerstandskonzentration oder Rückbau. Häufig ist die Wohnung die Alterssicherung für den Eigentümer, oder das Haus ist bereits durch Grundschulden belastet. Wenn die Eigentümer ihre Wohnungen nicht mehr vermieten können, sind sie im wirtschaftlichen Wettbewerb gegenüber den Wohnungsunternehmen benachteiligt. Müssen sie Insolvenz anmelden, gehört das Haus der kreditgebenden Bank, die es auch nicht abreißen wird.
Selbst wenn es in einzelnen Fällen gelänge, einen Eigentümer zum Rückbau zu bewegen, so wäre das doch nur ein einzelnes Haus mit acht Wohnungen mitten in einem geschlossenen Häuserblock. Wenn die meisten Nachbargebäude saniert und vermietet sind, würde das Gebiet durch eine neue Baulücke nur unattraktiver werden und nicht aufgewertet werden.
Damit sind wir schon mitten im Thema des nächsten Artikels: Welche Voraussetzungen für den Stadtumbau bestehen überhaupt außerhalb der Großsiedlungen?