Älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge eröffnet als Museum

20.08.2009 13:00

Baudenkmal wird zugleich Exponat Nummer Eins

Das zugleich "älteste und jüngste Museum der Stadt", wie es Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein formulierte, wird am 27. Oktober 2009 eröffnet. Die Stadt, die in den letzten Jahren ihre Altstadt aus dem grauen Schmuddellook vergangener Jahrzehnte befreite, hat damit nicht nur ein neues Museum vorzuweisen, sondern stieß auf eine sensationelle Historie. Mit der Alten Synagoge kann Erfurt die älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge in Mitteleuropa vorweisen. Und es rücken immer mehr Zeugnisse aus der Geschichte einer der wichtigsten jüdischen Gemeinden des Mittelalters in den Blickpunkt.

Die von Bauhistorikern und Denkmalpflegern in den letzten Jahren intensiv untersuchte und sanierte Alte Synagoge birgt nach der Museumsöffnung einen in der Nachbarschaft gefundenen Gold- und Silberschatz sowie hebräische Handschriften Erfurter Herkunft als wichtigste Exponate in sich. Aber vor allem verbirgt und enthüllt es viele Schichten der Nutzung und die beispiellose Renaissance eines fast vergessenen Ortes. Von der Alten Synagoge waren bis Ende der 90er Jahre nur die Spitzen zweier Giebel sichtbar, welche aus einem Gewirr von Anbauten herausragten. Nur wenige Fachleute waren sich der Bedeutung bewusst, man erhoffte den Rest einer mittelalterlichen Synagoge zu finden. Nach dem Abriss einiger Bauten ringsum konnte ein Bauforscher klar vier Bauphasen unterscheiden, dessen älteste um 1100 zu datieren ist. Die heute sichtbare Westfassade mit der Maßwerkrosette von 1270 wurde nach Norden erweitert. Spolien verweisen auf einen Vorgängerbau, der wahrscheinlich bei einem Pogrom gebrannt hat.

Die Synagoge diente bis 1349 als Gotteshaus. In diesem Jahr löschte ein barbarisches Pestpogrom die erste jüdische Gemeinde Erfurts aus. Die Stadt verkaufte das Gebäude an einen Händler, der es als Speicher umbauen ließ. Dabei wurde der hohe Raum mit Balkendecken unterteilt, ein breiterer Eingang an Stelle des Thoraschreins geschaffen und die Synagoge unterkellert. Im Erdgeschoss zeugen noch einige Spuren von der Erstnutzung, so lässt sich ein Lichtergesims nachweisen.

Das Erdgeschoss mit der wuchtigen gotischen Balkendecke und der Keller werden ebenso wie das Obergeschoss, welches von der Festkultur des 19. Jahrhunderts zeugt, museal genutzt. Wer heute den Saal betritt, der fühlt sich in die vergangene Welt von Tango und Foxtrott unter Gouvernantenaufsicht zurückversetzt. Die freigelegte und mit einer Sichtachse konstruierte Schablonenmalerei sowie einige Tapetenreste schmücken die Wände.

Im Erdgeschoss wird die Baugeschichte thematisiert, der Keller ist für den Erfurter Schatz aus Münzen, Gefäßen, gotischem Schmuck und dem jüdischen Hochzeitsring vorbehalten. Im Saal zeigt das Haus eine Sammlung von hebräischen Handschriften. Diese Hebraica sind im Umfeld der Synagoge entstanden, sie gehören heute der Staatsbibliothek Berlin. Abwechselnd können sie in Erfurt als Original oder Faksimile bestaunt werden.

Mit der Alten Synagoge und einer 2007 an der Krämerbrücke gefundenen Mikwe aus der Gotik, deren wissenschaftliche Erforschung noch andauert, kann Erfurt einmalige und faszinierende Zeugnisse einer noch wenig bekannten Geschichte einer mittelalterlichen Gemeinde vorweisen.

Alte Synagoge Erfurt, geöffnet ab 27. Oktober 2009