Rede des Beigeordneten für Finanzen, Wirtschaft und Digitalisierung zum Haushalt 2022/2023

16.12.2021 11:20

Die Finanzexperten und Finanzexpertinnen der Stadtverwaltung haben es mit einer großen Kraftanstrengung geschafft, so zeitig wie selten, einen Haushaltsentwurf für die kommenden zwei Jahre vorzulegen. Bereits Anfang Januar startet die Haushaltsanhörung in den Ausschüssen und Ortsteilen.

Porträtfoto eines Mannes
Foto: „Erfurt ist keine arme Stadt“, so der Finanzbeigeordnete Steffen Linnert Foto: © Stadtverwaltung Erfurt / Matthias Eckert

Anfang März kann der Haushalt dann mit Änderungen und Ergänzungen beschlossen werden! In der Stadtratssitzung am 15. Dezember 2021 hat Erfurt Finanzbeigeordneter Steffen Linnert seine traditionelle Haushaltsrede gehalten, die an dieser Stelle in der Originalfassung veröffentlicht wird.

Haushaltsrede 2022/2023

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Stadtratsmitglieder, liebe Kollegen, nun stehe ich hier zum zweiten Mal in diesem Jahr und darf einen Haushalt einbringen. Das ist sicher noch nicht so vielen meiner Vorgänger gelungen.

Letzte Woche habe ich den Haushalt quasi über die Thüringer Allgemeine bereits der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei werde ich zitiert mit der Aussage „Die Stadt hat ausreichend Geld.“ Bei dieser Aussage hat der fragende Journalist Holger Wetzel, eher verwundert als erfreut geschaut. Schließlich titelt er seit Jahren „Stadt ist pleite“, „Finanzprobleme der Stadt“ und und und. Ich glaube aber tatsächlich, wir haben viel Geld! Erfurt ist vielleicht keine reiche Stadt aber eben auch keine arme.

755 Mio. Euro! Das sind die laufenden Einnahmen, die uns im Jahr 22 im Verwaltungshaushalt zur Verfügung stehen. 2023 sind es sogar 768 Mio. Euro.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenig ist das nicht! Und die Beträge steigen seit Jahren kontinuierlich. Corona hin, Corona her! Bei meinem ersten Haushalt waren es noch 700 Mio. Euro.

Wer jetzt schnell mitgerechnet hat, kommt zu einer Steigerung von 10 Prozent über fünf Haushaltsjahre. Vor einem Jahr, ach was, selbst vor einem halben Jahr, war ich nicht so optimistisch. Die Auswirkungen von Corona waren noch sehr unklar. Wir mussten  mit dramatischen Einbußen rechnen. Das ist auch in dem ein oder anderen Bereich eingetreten. Denken Sie nur an den Unterabschnitt „Feste und Märkte“ – an das Krämerbrückenfest oder den Weihnachtsmarkt.

Aber die großen Einnahmenposten sind äußerst stabil. Sie wachsen sogar wieder, und wir befinden uns vielfach auf einem Entwicklungspfad wie vor der Pandemie. Insbesondere die Gewerbesteuer zeigt wie breit, robust und auch erfolgreich die Erfurter Wirtschaft aufgestellt ist.

Das ist uns manchmal nicht so bewusst. Der Blick von außen ist da jedoch hilfreich. Vor einem halben Jahr durfte ich hier den Rostocker Oberbürgermeister bei einer Tour durch Erfurt begleiten. Die Buga hat ihm gefallen. Begeistert war er aber von X-FAB, Melexis, dem FIZ oder Zalando.

Und diese breite Basis aus Logistik, Industrie und Dienstleistung sorgt dafür, dass wir nicht 92 Millionen Euro Gewerbesteuer, wie im September 2020 geschätzt, sondern 102 Millionen Euro (2022) und 105 Millionen Euro (2023) einnehmen. Auch bei den Anteilen an Einkommenssteuer und Umsatzsteuer mit fast 80 Millionen Euro bzw. 24 Millionen Euro erwarten wir 6 Millionen Euro mehr.

Eine große Hilfe ist auch die geplante Änderung des Thüringer Finanzausgleichgesetzes. Die Schlüsselzuweisungen steigen um 2 Millionen bzw. 5 Millionen von 21 über 22 und 23 auf 175,9 Millionen. Sie sind damit nach wie vor unsere wichtigsten Einnahmen vor den Gewerbesteuern.

Einen großen Zuwachs haben wir beim Mehrbelastungsausgleich. Rund 6 Millionen. Euro. Das sind die Gelder, die wir für die Wahrnehmung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises vom Land erhalten. Die Erhöhung erfolgt auf Grund der Ist-Zahlen der Vergangenheit. Damit hinkt der Freistaat systematisch zu seinen Gunsten der Entwicklung der Ausgaben hinterher. Die 6 Millionen Euro helfen uns aber trotzdem.

Es hilft uns auch die Erhöhung der Bundesbeteiligung bei den „Kosten der Unterkunft“ von 50 auf fast 75 Prozent.

Das sind im Einnahmebereich die wesentlichen Steigerungen. Das sind aber auch schon weit mehr als 50 Prozent der Einnahmen im Verwaltungshaushalt.

Wie sieht es bei den laufenden Ausgaben aus?

Sehr geehrte Damen und Herren,

man spart nicht in die Krise hinein. Das ist die Lehre aus der Weltwirtschaftskrise vor 90 Jahren. Wir haben zwar keine Wirtschaftskrise, aber eine Krise anderer Art in einem Ausmaß, wie wir sie alle noch nicht erlebt und auch nicht erwartet haben.

Es gibt Krisengewinner, es gibt viele, die finanziell von der Krise kaum betroffen sind, und es gibt Verlierer. Und gerade diese Verlierer profitieren davon, dass wir nicht mit einem Haushaltssicherungskonzept in Rasenmäher-Methode die freiwilligen Aufgaben gekürzt haben.

Es gilt da das Wort des Oberbürgermeisters, „Wir kürzen nicht bei den Sachen, die das Leben schön machen“, weil vor allem in diesem Bereich befinden sich die Pandemieverlierer, die Schwachen. Dieser Bereich ist zudem wichtig für die Seele, für das Gemüt. Und auch das sind wir den Erfurtern schuldig. Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird gerade in dieser Pandemiesituation besonders strapaziert. Daher haben wir weder im kulturellen Bereich noch im freiwilligen sozialen Bereich gekürzt.

Gespart haben wir trotzdem. In vielen Bereichen haben wir den Anstieg der Ausgaben begrenzt, haben gebremst und somit Entlastung auch von der Ausgabeseite geschaffen. Wir haben die Mehreinnahmen, wenn man so will, nicht gleich „verfrühstückt“.

Ein besonderes Augenmerk will ich auf Personalausgaben und den Stellenplan richten. Letzterer weist zum ersten Mal seit Jahrzehnten weniger Planstellen auf, als im Vorjahr. Nicht ganz freiwillig! Und wahrscheinlich müssen wir auch mit einem Nachtrag nachsteuern. Aber wir haben über 20 Prozent nicht besetzte Stellen.

Seit Jahren wächst die Lücke zwischen Ist und Soll. Und das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Wir haben nur eingeschränkt Räumlichkeiten, haben im Personalamt nur eingeschränkt Kapazitäten zur Personalbewirtschaftung – und das ist das Wichtigste, wir haben einen ausgeschöpften Arbeitsmarkt.

Es gibt die Arbeitskräfte, die wir suchen, vielfach gar nicht. Wir spüren es täglich bei den Bewerberzahlen, aber auch der Konkurrenz um Arbeitskräfte mit anderen Behörden oder der freien Wirtschaft. Wir müssen selbst besser werden. Peppigere Stellenausschreibungen entwerfen, digitale Kanäle für modernes Personalmarketing erschließen und vor allem schnellere, unbürokratischere Stellenbesetzungsverfahren durchführen.

Aber noch mehr Stellen schaffen, hilft da nicht. Von daher lassen sie uns erst einmal die offenen Stellen besetzen, bevor wir unzählige neue schaffen. Solange Bund, Land, aber auch wir selbst neue Standards und Aufgaben schaffen, wird es allerdings in der Zukunft weiter die Notwendigkeit geben, zusätzliche Planstellen auszuweisen.

Wie wichtig ausreichendes Personal ist, zeigen gerade auch die Sozialausgaben. Ein Thema sind hier die mangelhaften Rückgriffquoten im Unterhaltsvorschuss. Hier haben wir in den letzten Jahren massiv Personal zugeführt, und ich hoffe, dass dies sich auch zeitnah auszahlt. Ausgezahlt hat sich die Personalzuführung bereits in Teilen der Eingliederungshilfe, wo zusätzliches Personal eine bessere Bearbeitung der Fälle, eine kritischere, genauere Bewertung der Bedarfe ermöglicht. 2021 konnten Einsparungen in siebenstelliger Höhe erreicht werden, und der Kostenanstieg konnte für 22 auf fast null reduziert werden.

Insgesamt ist es uns so gelungen, den Anstieg der Sozialausgaben auf insgesamt 7 Prozent über die Jahre des Finanzplanungszeitraums zu begrenzen. Ansonsten halten sich die Anstiege der Ausgaben des Verwaltungshaushalts überwiegend in einem moderaten Umfang. Fortbildungskosten, Mieten, Reinigungskosten, Ausgaben für Beratungsleistungen, Unterhaltungskosten konstant bis leicht steigend. Nur im Bereich der Energiekosten müssen wir jetzt mit der Verwaltungsänderung deutlich nachsteuern. Auch die Verwaltung ist von steigenden Preisen betroffen.

Perspektivisch müssten wir aber auch mehr in Mitarbeiter investieren, mehr für Digitalisierung ausgeben und nicht nur darüber reden, und eigentlich müssten wir vielmehr in unsere Gebäude investieren. Schauen Sie sich mal das Rathaus an, die Büros am Steinplatz oder gar die Räume der Mitarbeiter des Erfurter Sportbetriebes im Gebreite. Hier passiert zu wenig. Hier brauchen wir mehr politische Unterstützung auch aus diesem Hause!

Wo viel passiert, oder ich sollte besser sagen: passieren kann, ist im Vermögenshaushalt. Die gute Einnahmeentwicklung, die disziplinierte Mittelbewirtschaftung und die moderaten Ausgabesteigerungen führen dazu, dass wir eine relativ hohe Zuführung zum Vermögenshaushalt sichern können. Mehr als erwartet! Die guten Haushaltsergebnisse aus 19, 20 und auch 21 haben den Verzicht auf Kreditaufnahmen ermöglicht. Und das sind die zwei wesentlichen Gründe warum wir die Investitionsquote hochhalten können!

Unter Abzug des „Sonderfalls Buga“ investieren wir 22/23 fast genauso viel, wie in den Vorjahren. Und der Schwerpunkt liegt wieder im Bereich Schulbau!

75 Millionen Euro stehen uns im Doppelhaushalt zur Verfügung. Wir machen da schon viel, und wir können auch weiter viel machen. Neben den Schulen stehen Kindergärten, Brücken, Straßen und auch Radwege im Investitionsprogramm. Langweilig wird es den Mitarbeitern im Hoch- oder Tiefbauamt mit diesem Haushalt sicher nicht.

Zwei Investitionen möchte ich besonders herausheben. Nicht nur, weil sie in einem hohen Maße Haushaltsmittel binden, sondern weil sie uns auch über Jahre hinweg begleiten werden. Da sind zum einen der Neubau der Leitstelle Mittelthüringen und der erste Bauabschnitt der Katastrophenschutzhalle. 20 Millionen Euro sieht hier der Finanzplan vor. 70 Prozent gibt es für die Leitstelle Fördermittel vom Land. Für die Katastrophenschutzhalle leider nicht. Aber vielleicht, lieber Andreas Horn, können du und die Kollegen der Feuerwehr hier noch etwas erreichen beim Land. Denn es sollen ja noch ein zweiter und ein dritter Bauabschnitt folgen.

Noch viel mehr Geld soll in das städtebauliche Modellprojekt „Erfurt Südost“ fließen. Mit Bundes- und Landesmitteln bis 50 Millionen Euro. Auch hier laufen die Vorarbeiten auf Hochtouren. Projektgruppen werden gegründet, Planungen begonnen. Langsam nehmen die einzelnen Maßnahmen Kontur an, und ich hoffe, bald gibt es auch verbindliche Fördermittelbescheide.

Es sind also zahlreiche große Aufgaben, die dieser Haushalt enthält. Ich hoffe, Sie vertrauen uns und übertragen uns diese Aufgabe mit dem Haushaltsbeschluss. Diesmal kann ich Ihnen auf jeden Fall den Haushalt schon deutlich eher vorlegen. Zu einem so frühen Zeitpunkt ist das schon lange nicht mehr gelungen. Dafür will ich mich an dieser Stelle besonders bei allen Mitarbeitern der Kämmerei bedanken, aber auch bei meinen Kollegen und ihren Mitarbeitern in den Fachämtern, die angesichts des eingeschlagenen Tempos doch überrascht und vielleicht auch etwas überrumpelt waren. Aber eine so lange haushaltslose Zeit tut keinem gut. Nicht Ihnen, die sie nur zusehen können, was die Verwaltung macht, nicht den vielen Investitionen, Einrichtungen und freien Trägern die vom Haushalt der Stadt abhängen, denen Planungssicherheit fehlt, aber auch nicht der Verwaltung selbst, die nur einen Teil des eigentlich Geplanten und Gewollten umsetzen kann.

Ein so früher Haushalt birgt allerdings auch Risiken. Planungen sind notwendigerweise ungenauer, notwendiges Wissen weniger vorhanden.

Auf drei Risiken will ich ausdrücklich hinweisen.

  1. Die Entwicklung der Preise. Hier haben wir in den letzten Monaten äußerst dynamische Steigerungen erlebt. Benzin, Bau, EDV alles ging nach oben. Bleibt diese Entwicklung, werden nicht überall die geplanten Haushaltsmittel ausreichen.
  2. Die Zinsen! Wir haben uns an Niedrigzinsen gewöhnt. Klagen über Verwahrentgelte. Aber steigende Preise führen über kurz oder lang auch zu steigenden Zinsen. Das belastet den Haushalt vielmehr als Verwahrentgelte, zumal wir uns derzeit bei einem Zins nahe Null bewegen.
  3. Und der Finanzausgleich. 8 Millionen Euro hatte ich gesagt, 8 Millionen Euro mehr in 2022. Aber das steht bislang nur auf dem Papier bzw. in einem Gesetzesentwurf zur Änderung des ThürFAG. Wir können nur hoffen, dass der Thüringer Landtag schnell eine Entscheidung zu Gunsten der kreisfreien Städte fällt. Ansonsten müssen wir richtig sparen, sind einige unserer Haushaltsansätze Makulatur.

Sehr geehrte Damen und Herren,

genug gewarnt. Ich vertage jetzt diese Drucksache, verweise sie in die Ausschüsse zur Beratung. Sie haben auf jeden Fall erst einmal spannende Lektüre für die Weihnachtsfeiertage.
In der 1. Kalenderwoche des Jahres 2022 sehen wir  uns hier hoffentlich wieder zu den Haushaltsanhörungen und Anfang März können wir dann diesen Haushalt mit den von Ihnen vorgesehenen Änderungen und Ergänzungen beschließen!