Rudolf Franke (Farblinolschnitte) und Fritz Gundermann (Malerei und Textil): 2 Ausstellungen im Kulturhof Krönbacken

18.03.2008 00:00

Die Erfurter Kunstgewerbeschule, schon 1898 andernorts in Erfurt als "Staatlich-städtische Handwerker- und Kunstgewerbeschule Erfurt" gegründet, jedoch erst seit 1904 in dem eigens dafür errichteten prachtvolle Jugendstil-Gebäude mit eigenen Werkstätten u. a. für Metall und Schmuck, Holz und Textil, aber auch mit Ateliers für Malerei und Grafik unter der Adresse Am Hügel 1 untergebracht, wurde nach Beseitigung zahlreicher Kriegsschäden 1946 in eine Fach- und Meisterschule für angewandte Kunst umgewandelt, die diese Tradition der anspruchsvollen Verknüpfung von Handwerk und Kunst fortsetzte und für den Thüringer Raum hervorragende Kunsthandwerker und Gebrauchsgrafiker ausbildete.

Rudolf Franke und Fritz Gundermann absolvierten dort gemeinsam um 1948 eine Ausbildung im Bereich Gebrauchsgrafik. Damals war nicht zu ahnen, dass beider Wege, die sich zu Lebzeiten Frankes nicht mehr kreuzen sollten, einander nun erneut in ihren Werken begegnen und auch die Betrachter nachdrücklich an diese Wurzeln erinnern würden.
Das Haus selbst führt bis heute die künstlerischen Intentionen seiner Begründer auf besondere Weise fort. Schon 1953 wurden in den Hügelräumen die ersten Kunsterzieher für die DDR-Schulen ausgebildet, ab 1955 war es Lehrgebäude für die Kunsterzieherausbildung am damaligen Pädagogischen Institut - ab 1969 an der Pädagogischen Hochschule Erfurt mit einem breit gefächerten kunstpraktischen wie kunsttheoretischen Profil.
Rudolf Franke lehrte fast 30 Jahre lang selbst im auf dem Gebiet der angewandten Grafik an seinem einstigen Ausbildungsort. Heute ist der "Hügel", wie das geschichtsträchtige Haus am Breitstrom liebevoll nicht zuletzt noch immer auch von seinen zahlreichen Absolventen genannt wird, ein universitärer Ausbildungskomplex, wo noch immer Kunsterzieherinnen und Kunsterzieher ausgebildet und wechselnde Ausstellungen ihrer Arbeiten gezeigt werden, aber seit 1997 auch das Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien sein Domizil hat.
Rudolf Franke "Das innere Auge" - Farblinolschnitte
"Es ist kein Geheimnis, dass ich ein großer Verehrer und Bewunderer der Druckgrafik allgemein und der Grafik des 20. Jahrhunderts im Besonderen bin", notiert Rudolf Franke 1984. Der Erfurter Grafiker widmete sein künstlerisches Schaffen mehr als ein halbes Jahrhundert dem Linolschnitt, einer Hochdruck-Technik, die bereits von Künstlern des Expressionismus wie Christian Rohlfs oder August Macke große Wertschätzung erfahren hatte. Im Gegensatz zum Holz-Druckstock bietet das Linoleum mit seiner weichen und daher leicht zu bearbeitenden Oberfläche eigenständige Möglichkeiten der Gestaltung. In den fünfziger Jahren noch dem traditionellen Schwarz- bzw. Weißlinienschnitt verpflichtet, beschäftigt sich Rudolf Franke (1925-2002) seit den Sechzigern - und damit parallel zu internationalen Kunsttendenzen - mit der experimentellen Erprobung des Farblinolschnitts. Er druckt seine Werke eigenhändig und unter Verwendung von anfänglich zwei oder drei, später von bis zu 15 Linol-Platten. Zum bestimmenden Element seiner Gestaltungen wird die Farbe, die er nicht nur mit der Walze, sondern zunehmend auch mit dem Pinsel auf die Druckform bringt. Wie fast alle Serien sind sie motiviert durch eine von Franke als existentiell erlebte Naturbetrachtung und entstehen meist infolge mehrwöchiger Sommeraufenthalte in einsamen, klaren Bergwelten der ehemaligen ČSSR, an der Ostsee oder im Thüringischen. "Die Landschaft ist der Ausdrucksträger für meine persönlichen Empfindungen, für mein Verhältnis zur Welt", schreibt er 1984, wohl auch im Blick auf seine von zwei Diktaturen geprägte Biografie. Nach 1990 entdeckt Franke das Sauerland oder die Landschaften Italiens und Norwegens. Suchen, Finden und Erfinden werden zu Synonymen seiner Arbeit, was sich eindrücklich in den vielen Werken zum Thema "Findungen" dokumentiert. Bereits in den späten sechziger Jahren zeichnet sich ab, dass er dem reinen Farblinolschnitt eine im engen Wortsinne zeichnerische Komponente hinzufügt. Mit Feder, Stift und Pinsel, nicht selten auch mit aufgeklebten Papieren, bearbeitet er die Drucke weiter, variiert, akzentuiert, verdichtet. Er spielt mit den Möglichkeiten differenzierter Farb- und Formgebung ebenso wie mit dem kalkuliert Zufälligen, sucht gezielt nach der "raffiniertesten" Gestaltungslösung. Die Farben in den Arbeiten von Miró und Chagall begeistern ihn ebenso wie die japanische und chinesische Druckkunst. Pablo Picasso zählt zu den wichtigen Anregern seiner Kunst, auch Max Ernst, HAP Grieshaber oder Karl Rössing, von denen Franke Werke für seine eigene Grafiksammlung erwarb.
Bis 1990 lehrte Rudolf Franke als diplomierter Gebrauchsgrafiker (Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig) angewandte Kunst an der Pädagogischen Hochschule Erfurt. Sowohl sein Engagement für die legendäre Erfurter Ateliergemeinschaft (1963 bis 1974), deren Mitbegründer er war, als auch seine als "Fest der Augen" berühmt gewordenen Kunstbetrachtungen blieben in jenen Jahren von der Staatssicherheit nicht unbeäugt.
Das Angermuseum Erfurt, mit dem sich Franke Zeit seines Lebens und insbesondere durch die Freundschaft zu Direktor Herbert Kunze eng verbunden fühlte, bewahrte bisher nur wenige Werke des Künstlers, deren Erwerbung in die 1970er Jahre fällt. Ilse Franke, Ehrenbürgerin der Landeshauptstadt Erfurt, stellt für die Ausstellung 50 Arbeiten aus dem Nachlass zur Verfügung. Einige der schönsten werden in die Sammlung des Museums aufgenommen.
Wegen Sanierungsarbeiten im Rahmen der Neugestaltung des Angermuseums ist die Ausstellung im Kulturhof zum Güldenen Krönbacken Erfurt zu sehen.
Fritz Gundermann "Die Poesie des Abstrakten" -Malerei und Textil
Fritz Gundermann, 1922 in Erfurt geboren, gehört wie Rudolf Franke einer Generation an, die durch Krieg, Gefangenschaft und Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft geprägt ist. Nach seiner Übersiedlung nach Hannover 1951 und Studium der freien Malerei in Hannover bei Professor Rhein schlug er eine berufliche Laufbahn als Designer und konzeptioneller Berater für führende deutsche Unternehmen ein.
Er folgte parallel dazu seiner Berufung als freier Maler, die ihn von expressionistischen Landschaftsgemälden und figürlichen Zeichnungen zunehmend zu abstrakten Ausdrucksformen führte.
Farbe und Natur waren immer zentral im Leben des Künstlers; und die Abstraktion der ‘greifbaren’ Wirklichkeit durch Farbe und Form schafft einen unmittelbaren Zugang zu dem, was uns Menschen intuitiv berührt - das Bild wird somit zum Spiegel unserer eigenen Emotionen, es kann Lupe oder Horizont sein, Herausforderung oder Friedensort.
Seit 1990 arbeitet Fritz Gundermann volltätig als freier Künstler. Er erforschte in diesen Jahren zunehmend neue Ausdrucksmedien und fand in der Ryaknüpftechnik eine farblich differenzierte und zugleich taktile Ausdrucksmöglichkeit.
Großformatige, in den Farben förmlich vibrierende Wandteppiche wurden so ein bedeutender Teil seines künstlerischen Schaffens.
Die Ausstellung in Erfurt, wohin er nach langen Jahren mit seinen Arbeiten erstmals zurückkehrt und auf besondere Weise seinem zeitweiligen Mitstudenten an der Erfurter Kunstgewerbeschule Rudolf Franke wieder begegnet, zeigt neben einer Auswahl jüngerer malerischer Arbeiten und Wandteppiche auch einige dokumentarische Erinnerungen an die Studienzeit in Erfurt aus seiner Sammlung von Archivmaterial.
28.03.2008, 11:00 Uhr: Pressegespräch
29.03.2008, 18:00 Uhr: Vernissage Rudolf Franke (Galerie Waidspeicher/OG)
29.03.2008, 19:00 Uhr: Vernissage Fritz Gundermann (Galerie Waidspeicher/UG)
Beide Ausstellungen dauern bis 27.04.2008
Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag 11 - 18 Uhr.