"Galerie auf Zeit" verabschiedet sich

30.06.2009 15:51

Finissage am 5. Juli mit Weißwurst in der Magdeburger Allee 73-75

Schon zum zweiten Mal nimmt Galerist Gunter Haedke symbolisch seinen Hut und verabschiedet sich mit seinen beiden Künstlern der "Galerie auf Zeit" nach sechs Wochen Laufzeit wieder einmal aus dem Ladenlokal Magdeburger Allee 73-75.

Noch bis einschließlich 05.07., an dem um 11:00 Uhr als Auftakt des letzten Ausstellungstages zum Weißwurstessen eingeladen wird, sind die Exponate zu sehen.

Wie bereits 2008 war Erfurt neben Schwerin und Bad Hersfeld die dritte Stadt, in der sich die "Galerie auf Zeit" präsentiert. In Erfurt ging sie in beiden Jahren mit aktueller Kunst von jeweils zwei Künstlern in ein Gebiet der Stadt, das in der besonderen öffentlichen Aufmerksamkeit der sozialen, ökonomischen, städtebaulichen und kulturellen Entwicklung liegt und daher allerdings auch über das Programm "Soziale Stadt" besondere Förderung erfährt.

Im Rahmen des Projekts "Leere Ladenlokale" wurden deshalb die Ausstellungsräume in der Magdeburger Allee 73-75 als Ausstellungsräume hergerichtet, um dem Ort wie auch dem Kunstprojekt Aufmerksamkeit im Gebiet und darüber hinaus in Stadt und Region zu verschaffen.

Dort waren vom 27.09. bis 08.11.2008 Werner Assenmacher aus Bamberg und Ulrich Rudolph aus Zarrentin in Mecklenburg in ihrer ersten Gemeinschaftsausstellung mit Variationen zum Thema Farbe und Struktur in Objekten, Zeichnungen und Fotoarbeiten präsent, unterstützt auch durch Studenten der Erfurter Universität.

In diesem Jahr stellte sie seit dem 23.05. mit Objekten und Installationen von Volker Dietz aus Bad Hersfeld und mit Malerei und Objekten von Renate U. Schürmeyer (Jeese/Mecklenburg-Vorpommern) erneut aktuelle und anspruchsvolle, auch zeitkritische Kunst in der Magdeburger Allee vor.

Volker Dietz (geb. 1967 in Ochsenhausen/Biberach)

ist als Architekt und als Künstler tätig, wobei seine künstlerische Tätigkeit in den letzten Jahren immer mehr überwiegt. Im Rahmen eines Pilotprojektes der Kunsthochschule Berlin/Weißensee wurde er 1993 ausgewählt ein zweijähriges Aufbaustudium zu absolvieren. Gemeinsam mit 11 anderen Architektenkollegen wurde er persönlich von Daniel Libeskind/USA unterrichtet und betreut von dem ein wesentlicher Einfluss auf die Arbeit von Volker Dietz ausging. Die Themen der Kunst begannen sich für ihn konkreter zu formen. In seine Arbeiten gehen seitdem immer Recherchen in Wahrnehmungspsychologie, Themenassoziationen und Philosophie ein. Der Disziplinen übergreifende Prozess ist heute Grundlage seiner Arbeiten. Die Kunst ist für ihn Medium, die Vielfältigkeit der Welt auszudrücken.

Volker Dietz ist in der Ausstellung mit seinen Zyklen "Kopfbälle" und "Sleep-well-pillows" vertreten. Zudem zeigt er Figuren. Alle Arbeiten setzen sich mit dem Empfinden auseinander, dem Übersetzen von Bildern und Vorstellungen in überraschende Zusammenhänge. So ergeben sich Verbindungen von Gegensätzlichem, ein Weiterdenken, wo sonst die Vorstellung abgeschlossen zu sein scheint. Er nimmt Gegenstände des Alltages, die für Begriffe stehen. Kissen deutet auf Ruhe hin und Ball auf Spiel. Darauf appliziert er Bilder, die in Form und Darstellung auf den ersten Blick nicht dazu passen. Sie sind sind eher zurückweisend, halten Abstand. So unterbricht er in seinen Arbeiten gewohnte Assoziationen, gibt dem Denken eine neue Richtung. Sind die Kissen wirklich zum Ausruhen gedacht, die Bälle zum Spielen? Oder haben wir es uns gemütlich gemacht in unserer kleinen Welt, wo uns das Unerwartete doch wieder einholt? In den Figuren unterbricht und ergänzt er Körperteile. Die Künstlichkeit der Puppe ist eine Abstraktion vom Menschen und dies wird besonders deutlich, wenn das Abbild menschlicher Gliedmaßen gleichsam als Prothese eingefügt wird.

Renate U. Schürmeyer (geb. 1957 in Berlin)

zeigt in Erfurt Objekte aus zwei Werkreihen und Malerei. Die Arbeiten setzen sich in Motiv, Technik und Farbwahl voneinander ab und haben doch ein verbindendes gemeinsames Thema: Erinnerungen an Momente und Erfahrungen. Diese Erinnerungen greifen zurück auf persönlich Erlebtes bis Alltägliches und wirken wie ein Spiegel für den Betrachter. In verschiedenen Variationen nimmt sich die Künstlerin immer wieder dieses Themas an.

In den "Kleinen Gefängnissen" begegnen uns Fetische des Alltages. Indem wir hineinschauen, werden wir Teil von ihnen. Sie halten uns gefangen, berauben uns oft unserer Freiheiten, ohne dass wir uns dessen bewusst werden. Und wenn wir uns selbst anschauen, sehen wir uns eingeschlossen von Objekten, die uns festhalten. Sie bestimmen uns, wir akzeptieren sie, wir machen uns dazu keine Gedanken. Die Künstlerin wählt ein unwirkliches Blau, das Sehnsucht symbolisiert und zugleich friedlich und zurückweisend wirkt.

In der Reihe "Die Süße des Südens" greift sie auf die Verfälschung zurück, die uns so manche Erinnerung beschert. Hier ist es ein lange zurückliegendes Urlaubserlebnis, eine Italienreise. Nur noch unklar und verschwommen ist das Bild davon. Aber es ist in seiner Stimmung präsent: Die Reise war lieblich und angenehm, sie hat im Kopf inzwischen einen Zuckerguss bekommen. Keines der Bilder zeigt Details. Personen und Gegenstände wirken wie Schatten, so wie sie eben im Gedächtnis geblieben sind. Die Bilder sind klein und aneinander gereiht wie eine endlose Kette.

Die Reihe "Tagesbilder" ist das, was der Titel besagt: tägliche Aufzeichnungen. Und so, wie man sich der verflossenen Tage spontan und zufällig erinnert, brauchen auch sie keine Ordnung. Stimmungen, Eindrücke sind zu Farben geworden. Sie bleiben, sie assoziieren sich neu, sie suchen Tage ähnlicher Empfindungen oder der Gegensätze. Was die Künstlerin als persönlichen Weg Tag für Tag fixiert hat, kann für jeden Betrachter eine Spur durch die eigene Vergangenheit weisen.

Renate Schürmeyer setzt auf die Interaktion mit den Betrachtern. Sie geht in Zwiesprache, verweist auf seine Empfindungen und erschafft damit ein zutiefst emotionales Werk.
Als besonders erfolgreich konnte für die Galerie 2009 trotz widrigen Wetters das Magdeburger-Allee-Fest am 6. Juni verbucht werden, denn es bescherte dem Galeristen teils intensive Gespräche mit fast hundert Besuchern. Und die ersten Gedanken für das nächste Jahr kreisen schon - vor allem um ein ganz neues Konzept. Zunächst geht es jedoch wieder auf Wanderschaft - und auch wieder gemeinsam mit Thüringer Künstlern - doch auf wen diesmal nach Dorsten Klauke aus Arnstadt und Anne-Katrin Altwein aus Weimar, die 2009 in Bad Hersfeld vorgestellt wurden, die Wahl gefallen ist, bleibt vorläufig noch ein Geheimnis. Kontakt: Gunter Haedke,