Chic aus Bonn und Ostberlin. Zwei Welten - zwei Moden?

21.05.2010 14:48

Am Mittwoch, dem 26. Mai 2010, wird Dr. Marina Moritz, die Direktorin des Museums für Thüringer Volkskunde Erfurt, zur Pressekonferenz im Museum die Ausstellung "Chic aus Bonn und Ostberlin. Zwei Welten - zwei Moden? vorstellen.

Zumindest in einem stimmten Ost und West völlig überein: Was kleidungsmäßig   wirklich en vogue war, das entschied die Weltmodemetropole Paris! Das gemeinsame Vorbild einte, und so ähnelten sich ost- und westdeutsche Moden frappierend.

Doch war Mode in beiden deutschen Staaten natürlich mehr als eine Geschmacksfrage: Sie stand immer auch im Zeichen von Systemkonkurrenz. Im Wirtschaftswunderland demonstrierte man per Mode Wohlstand und Weltläufigkeit ebenso wie Überlegenheit auf allen Ebenen. Zwei Designer prägten maßgeblich den Stil der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft: Uli Richter, der späterhin Kanzlergattin Rut Brandt einkleidete, sowie der weithin als der deutsche Modeschöpfer geltende Heinz Oestergaard. Beide schufen eine glamouröse, dennoch tragbare Mode und   machten – in Anknüpfung an große Traditionen – Westberlin zur Modemetropole der jungen Republik. Mit dem Mauerbau 1961 allerdings verlor die Stadt ihr Renommee an Düsseldorf und München. (Insofern ist das im Ausstellungstitel genannte Bonn als Metapher zu verstehen.) Das zum Synonym deutsch-deutscher Teilung gewordene Ereignis verhinderte gleichsam die ganz großen Karrieren. Pariser Stars wie Christian Dior,   Yves Saint Laurent oder André Courrèges blieben unerreichbar; erst in den 1980er Jahren gelang mit Wolfgang Joop und Jil Sander zwei westdeutschen Modemachern der internationale Durchbruch. Im Arbeiter-und-Bauern-Staat versuchte man sich anfänglich an einer fortschrittlichen Bekleidungskultur , die die werktätige Frau mit schöner und vor allem praktischer Garderobe versorgen sollte. Dazu wurde 1952 in Ostberlin ein Institut für Bekleidungskultur gegründet, welches verbindliche Musterkollektionen für die Bekleidungsindustrie zu entwickeln hatte. Daraus erwuchs 1957 das Deutsche Modeinstitut (ab 1972: Modeinstitut der DDR), womit das SED-Regime auch den modischen Wettstreit mit dem "Klassenfeind" gewinnen wollte. Vergeblich!
Das lag zuallerletzt an den gut ausgebildeten und zumeist anonym in Gestalterkollektiven agierenden Modemachern. Ihre alles andere als biederen Kreationen brauchten den internationalen Vergleich ebenso wenig zu scheuen wie die seit 1956 erscheinende   Modezeitschrift Sibylle . Verantwortung trugen vielmehr unsinnige politische Vorgaben,   engstirnige Bürokraten und – daraus resultierend – die sozialistische Planwirtschaft, die alles reglementieren wollte und im Ergebnis doch bloß Mangel erzeugte. Viele Ideen wurden gar nicht oder nur rudimentär umgesetzt. Entsprechend trist sah das Angebot in den Läden aus, was für zunehmenden Unmut in der Bevölkerung sorgte. Deshalb wurden bereits ab 1962 unter der Bezeichnung Exquisit   besondere Läden eingerichtet, woraus 1970 das mit Sonderkonditionen ausgestattete Volkseigene Produktions- und Handelsunternehmen gleichen Namens erwuchs. Dort gab es schicke Sachen Made in GDR und Westimporte –   zu exorbitanten Preisen. Wer weder hier einkaufen noch auf "Westpakete" hoffen konnte, musste, um modisch auf der Höhe zu sein, selbst aktiv werden: Eine Nähmaschine gehörte deshalb zum Grundausstattung vieler DDR-Haushalte. Aber auch in der Bundesrepublik, wo alles möglich und verfügbar war, blieb Designermode   für die Masse unerschwinglich. Eine (höchst erfolgreiche) Lösung bot der 1949 von Aenne Burda gegründete Burda-Moden-Verlag : Haute Couture zum Selbermachen mit klar verständlichen Schnittmustern. Außerdem gab es genug Modisches günstig zu kaufen. Was dabei beide Seiten gern verschwiegen: Vieles war in der DDR produziert und entworfen worden – etwa vom "roten Dior" Heinz Bormann, der bis zur Zwangsverstaatlichung 1972 in Magdeburg ein privates Modeatelier betrieb und Lotte Ulbricht zu seinen Kundinnen zählte. Doch für die jungen Leute diesseits und   jenseits der Mauer waren weder Pariser Modeidole noch ideologische Differenzen maßgebend. Sie unterwarfen sich immer weniger dem Modediktat, setzten dafür eigene Trends. Das althergebrachte Verständnis von Chic und Etikette befand sich also schon in Auflösung, als 1989/90 das modische Kräftemessen der Systeme endete. 

Die Ausstellung bietet eine ernste wie vergnügliche Annäherung an das Thema und riskiert dabei natürlich auch einen Blick in die Kleiderschränke von Ost- und West-Frauen.