"Totentanz": Übergabe eines Bronzereliefs und Gedenkgottesdienst in der Ruine der Barfüßerkirche

20.11.2012 16:19

Hans Walthers Bronzeguss-Relief aus dem Zyklus "Totentanz" wurde von Kunstfreunden aus Deutschland 2012 gestiftet. Übergabe des Bronzerelief und Gedenkgottesdienst am Sonnabend, 24.11.2012, um 18 Uhr in der Ruine der Barfüßerkirche, Barfüßerstraße 20, 99084 Erfurt.

Das Leben des 1888 in Apolda geborenen Hans Walther verlief ohne die Flucht- und Emigrationsdramatik vieler seiner Künstlerkollegen im 20. Jahr­hundert, war aber von politischem Druck, Isolation und Existenzangst gezeichnet.
Das Studium an der Berliner Kunstakademie ab 1910 und ein Studienaufenthalt in Paris bewirkte Walthers Näherung an expressionistische Kunst und weiteten nachdrücklich sein Blickfeld. Der Kriegsdienst bis 1918 schnitt zunächst diese Entwicklung ab, entließ ihn aber gereift als Pazifisten. In Erfurt bestärkten nach 1920 der Mäzen Alfred Hess und sein linksliberaler Freundeskreis nachdrücklich Walthers Suchen nach seiner eigenen Formensprache. Mit dem Machtantritt der Nazis wird dieses Bezugsfeld zerstört; zahlreiche seiner Arbeiten   fielen dem nationalsozialistischen Zugriff zum Opfer. Von 1942 bis 1945 wurde der Mittfünfziger erneut in den Kriegsdienst einberufen. Nach seiner Rückkehr wurden ihm öffentliche Aufträge zuteil. Bis zum Tod 1961 suchte er zwischen seinen vor 1933 gereiften Möglichkeiten und einem veränderten öffentlichen Kunstverständnis nach seinem unverwechselbaren Ausdruck. Sein Nachlass verzeichnet 133 Arbeiten. Viele kennen wir nur als Fotografie andere, Plastik und Bauplastik, existieren noch an den Sparkassen, am Neuen Hospital, am Hörsaalgebäude der ehemaligen Pädagogischen Hochschule und im Angermuseum.
1947/48 schuf Hans Walther, zweifellos in Auseinandersetzung mit den beiden Weltkriegen, fünf Tafeln zum uralten Thema des Totentanzes – eine seit dem 14. Jahrhundert aufgekommene Darstellung der Gewalt des Todes über das Menschenleben. Zumeist ist die Darstellung von Tanz und Tod gemeinsam verbildlicht. Vier der fünf Tafeln Hans Walthers "Totentanzreliefs" befinden sich im Angermuseum Erfurt. Sie zeigen den Schrecken des Krieges: Der als Skelett personifizierte Tod ist der Beherrscher des Chaos und Dirigent der Menschen.

Totentanzrelief an der Barfüßerkirche - Foto: Karsten Horn

Die fünfte Tafel galt als verschollen und existierte nur als Fotodokument. Sie zeigt die Zerstörung der Barfüßerkirche in der Regie des Todes und ist nun gleichsam wieder auferstanden: Im Sommer 2011 schenkte ein großherziger Kunstfreund dem Initiativkreis Barfüßerkirche einen Abguss des Originals. Der Initiativkreis beschloss, das für Erfurt so wichtige Kunstwerk 65 Jahre nach seiner Entstehung und 68 Jahre nach der Zerstörung der Barfüßerkirche in Bronze umgießen zu lassen und die Arbeit Hans Walthers so zum guten Ende zu führen.
Dem Engagement der Erfurter Bürger und dem Initiativkreis Barfüßerkirche ist es zu verdanken, dass die 5. Tafel des "Totentanzzyklus" als bisher einziges Relief in Bronze gegossen werden konnte. Hans Walthers Kunstwerk erhält nach 65 Jahren seiner Entstehung seinen endgültigen Platz an der Barfüßerkirche in Erfurt. Mit der feierlichen Enthüllung und der ständigen Präsenz der Bronzeplastik, verknüpft der "Initiativkreis Barfüßerkirche" auch die Hoffnung, dass das Bauwerk mit seiner bewegten Vergangenheit neue Aufmerksamkeit geschenkt und stärker im Bewusstsein der Erfurter verankert wird.
Der feierlichen Enthüllung der Tafel am 24. November, 18 Uhr, mit dem Oberbürgermeister Andreas Bausewein, geht ein Gedenkgottesdienst im zerstörten Langhaus der Barfüßerkirche mit dem Pfarrer der Predigergemeinde Dr. Holger Kaffka voraus.

Abb. rechts: Hans Walther, Relief aus dem Zyklus "Totentanz", 1947, als Bronzeguss gestiftet von Kunstfreunden aus Deutschland 2012. Foto: Karsten Horn

Initiativkreis Barfüßerkirche

Unter dem Dach des Fördervereins "Freunde des Angermuseums e. V." bildeten engagierte Erfurter Ende 2007 die Arbeitsgruppe Barfüßerkirche, aus deren Mitgliederkreis im April 2010 der Initiativkreis Barfüßerkirche als eigener Verein gegründet wurde. Ziel des Vereins ist es die Barfüßerkirche stärker im Bewusstsein der Erfurter zu verankern und neue Nutzungsmöglichkeiten zu erschließen sowie die historische Substanz zu schützen. 
Barfüßerkirche

In unmittelbarer Nähe der Brücke, die die Schlösserstraße über den Breitstrom führt, steht die 1944 zum großen Teil zerstörte Barfüßerkirche. Noch in ihren Resten ist sie ein großartiges Beispiel deutscher Bettelordensbaukunst des 14. und 15. Jahrhunderts.
Von ihrem ersten Kirchenbau sind nur die Glasmalereien (um 1235) erhalten. Mit der Reformation (Luther hatte 1529 hier gepredigt) war das Kloster aufgehoben worden. Der heutige Zustand des Bauwerks geht auf die Detonation einer Luftmine in der Barfüßerstraße am 26. November 1944 zurück. Ihr fiel die gesamte Südfront und das Dach des Langhauses samt der Gewölbe zum Opfer. Bis 1977 war die Kirche Gotteshaus der evangelischen Barfüßergemeinde. Nach umfangreicher Rekonstruktion ist der Chor seit 1982 als Außenstelle des Angermuseums für Besucher zugänglich. Neben den ältesten erhaltenen Glasmalereien in Erfurt und den beiden Altären findet vor allem die Grabplatte der Cinna von Vargula († 1371) internationale Beachtung.

Grab von Hans Walther

Initiativkreis ehrt das Andenken des Künstlers

Zum Totensonntag ehrt der Initiativkreis das Andenken des Künstlers an seinem Grab am Sonntag, 25.11.2012, um 14 Uhr auf dem Hauptfriedhof, Erfurt. Treffpunkt ist der Haupteingang.

Abb. rechts: Grabanlage Hans Walther / Hauptfriedhof Erfurt