Versteckt und gerettet in Thüringen: Podiumsgespräch zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus heute im Erinnerungsort Topf & Söhne
Mehr als zehntausend deutsche Juden versuchten, im Nationalsozialismus der Deportation zu entkommen, indem sie untertauchten. Nicht einmal die Hälfte von ihnen schaffte es, sich vor den nationalsozialistischen Häschern bis Kriegsende zu verbergen.
Dem 1939 im thüringischen Tautenhain geborene Peter Sörgel wurde es als kleinem Jungen plötzlich verwehrt, bei seinen Großeltern auf dem Dachboden zu spielen. Den Grund dafür erfuhr er erst Jahrzehnte später: Von Februar 1943 bis zum Frühjahr 1945 versteckten Peter Sörgels Großeltern die 1930 geborene Rivkah Piork und ihre Eltern auf diesem Dachboden. Die drei Menschen lebten dort in einer Kammer von 6m², die sie in 26 Monaten kein einziges Mal verlassen konnten. Ihre Retter hatten sie vor der drohenden Deportation nur von den Urlauben gekannt, die die jüdische Familie aus Leipzig in Tautenhain machte.
Möglich war das Überleben im Versteck überhaupt nur, wenn sich nichtjüdische Helfer fanden, die zu dem Risiko bereit waren, untergetauchte Juden zu verstecken und zu versorgen – wie die Großeltern von Peter Sörgel. In diesem Jahr widmet der Erinnerungsort Topf & Söhne seine Veranstaltung zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus dem besonderen Schicksal der wenigen Verfolgten, die im Versteck überlebten und würdigt den Mut der Retter und der Geretteten.
Moderiert durch Dr. Annegret Schüle sprechen am 27. Januar um 19 Uhr Rivkahs Tochter Rachel Schneider und Peter Sörgel über das Schicksal und die Verbundenheit ihrer Familien. Rachel Schneider war sich immer bewusst, dass sie und ihre Kinder ohne die Zivilcourage des Ehepaars aus Tautenhain nicht existieren würden. In der Familie von Peter Sörgel war das Wissen um den Mut seiner Großeltern dagegen verloren gegangen. Der Großvater wurde nach Kriegsende verhaftet, weil er im Nationalsozialismus als stellvertretender Bürgermeister von Tautenhain amtierte. Er starb 1946 im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen. Rivkah Piork ging nach dem frühen Tod ihrer Eltern 1948 nach Hamburg. Erst das Ende der Teilung Deutschlands und die Neugier von Rachel Schneiders Tochter brachten die beiden Familien nach über 50 Jahren wieder zusammen. Nun erfuhr Peter Sörgel von der Rettungskation seiner Großeltern.
Ergänzt wird die Gesprächsrunde durch den Berliner Historiker Dennis Riffel, der das Thema »Judenrettung« erforscht und dabei fragt, wie sich die Gesellschaft daran erinnerte und warum die Helfer selbst solange schwiegen.
Yakov Geller begleitet den Abend musikalisch auf der Querflöte. Der gebürtige Weißrusse ist Mitglied der jüdischen Landesgemeinde Thüringen und hat für den Gedenktag ein ganz besonderes Programm zusammengestellt.