Flüchtlingskinder an Erfurter Schulen: 50 Kinder und Jugendliche auf Warteliste / zahlreiche Hilfsangebote aus der Bevölkerung

31.08.2015 14:25

In Reaktion auf den offenen Brief von Oberbürgermeister Andreas Bausewein an Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, in dem der OB unter anderem darauf hinweist, dass die Erfurter Schulen überlastet sind und deshalb ein Aussetzen der Schulpflicht für Kinder aus sicheren Herkunftsländern bis zur Feststellung des Aufenthaltsstatus anregt, haben die Stadt Erfurt zahlreiche Hilfsangebote erreicht. Institutionen ebenso wie Privatpersonen haben sowohl Räume in Aussicht gestellt als auch ehrenamtliche Hilfe bei der Beschulung von Kindern und Jugendlichen.

Die aktuelle rechtliche Lage stellt sich wie folgt dar: Für alle Kinder zwi­schen 6 und 16 Jahren besteht Schulpflicht, diese Pflicht greift drei Monate nach Einreise. In Thüringen gibt es für Kinder ohne Deutschkenntnisse be­sondere Sprachklassen. Die Idee ist, dass die Kinder zunächst ein Schulhalb­jahr intensiv Deutsch lernen, damit sie a) die Schule und die schulischen Abläufe kennenlernen und b) ausreichend Deutschkenntnisse erlangen um am regulären Unterricht teilnehmen können. Die Lehrer dieser Sprachklas­sen werden vom Land Thüringen angestellt. Laut Thüringer Schulgesetz muss die Schulpflicht in einer Schule absolviert werden. Private Initiativen für den Sprachunterricht sind daher keine Alternative, sondern maximal ein Ergänzungsangebot zur Schulpflicht. Eine vorübergehende Sonderregelung des Thüringer Schulgesetzes könnte hier für Entlastung sorgen.

Und eine Entspannung der aktuellen Situation ist dringend nötig. Die Sprachklassen werden von Lehrern mit der Ausbildung Deutsch als Zweit­sprache (DAZ) geführt. Dazu helfen Erzieher mit DAZ-Erfahrung und/oder Migrationshintergrund, Sozialarbeiter und Integrationshelfer. In den Sprachklassen lernen durchschnittlich 10 bis 15 Kinder. Im Jahr 2012 gab es in Erfurt eine Sprachklasse an einer Erfurter Schule. Im aktuellen Schuljahr 2015/16 sind es 19 Sprachklassen, in denen zum aktuellen Zeitpunkt 220 Flüchtlingskinder lernen. Vier weitere Sprachklassen sind in Vorbereitung für Oktober. Diese werden aller Voraussicht nach nicht ausreichen, da bereits heute aufgrund fehlender Räume und Lehrer 50 Kinder und Jugendliche auf einer Warteliste stehen.

Hier könnte der Freistaat Thüringen einen wesentlichen Beitrag leisten, in­dem er, was er bereits in Teilen tut, weitere DAZ-Lehrer einstellt. Eine weitere Option wäre die Zulassung privater Initiativen für den Sprachunterricht im Rahmen der Schulpflicht. Darüber hinaus ist es notwendig, die Haupt-Ursache – die Dauer der Asylverfahren – zu verkürzen. Würden die Verfahren beschleu­nigt, würde die Anzahl der aktuell schulpflichtigen Flüchtlingskinder und Jugendlichen mindestens halbiert werden. Hier ist der Bund in der Pflicht.

In der Stadt Erfurt gibt es 62 staatliche Schulen sowie das landeseigene Sportgymnasium. Die Stadt Erfurt ist Schulträger der 62 Schulen. Das heißt, sie kümmert sich um die Räumlichkeiten, die Ausstattung, die Schülerbeför­derung, die Mittagsversorgung, aber auch um Lernmittel zur Unterrichtsge­staltung.

An den Erfurter Schulen werden rund 1500 Kinder mit Migrationshinter­grund unterrichtet, täglich erreichen neue schulpflichtige Kinder und Jugendliche Erfurt. Im aktuellen Schuljahr wurden bisher 220 Schüler aus Flüchtlingsfamilien eingeschult: Grundschulen 72, Regelschulen 60, Gemeinschaftsschulen 40, Berufsschulen 32, Förderzentren 5 sowie Gym­nasien 11. Die Sprachklassen werden gefüllt, bei Ausreise von Kindern bzw. Abschiebung, Umzug, werden diese Klassen entsprechend aufgefüllt.