Erste Elefantengeburt im Thüringer Zoopark Erfurt steht bevor

29.07.2020 15:19

Der Thüringer Zoopark Erfurt wartet jeden Tag auf die erste Elefantengeburt in seiner 60jährigen Elefantenhaltung. Die 17jährige Chupa ist trächtig. Und keiner weiß genau, wann ihr Nachwuchs kommt. Elefanten haben eine Tragezeit von 20 bis 22 Monaten, zwischen 620 bis 670 Tagen. Chupa hat den 660. Tag erreicht. Wie es Chupa geht, und wie sich der Zoo auf die Geburt vorbereitet, verrät Zootierärztin Tina Risch im Interview.

Interview mit Zootierärztin Tina Risch

Eine blonde Frau lächelt, im Hintergrund sind Elefanten in einer Anlage zu sehen.
Foto: Zootierärztin Tina Risch sieht der bevorstehenden Elefantengeburt entgegen. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Die Niederkunft von Chupa steht bevor. Wie ist die Lage?

Entspannt! Wir haben ein super Gefühl im Moment. Die Kuh ist ganz ruhig, ganz aktiv und verhält sich außerordentlich normal, als wäre überhaupt nichts. Wir machen auch regelmäßig unsere Tests. Da ist auch nichts auffällig. Jetzt muss das Kalb nur noch kommen.

Was kann bei einer Elefantengeburt schief gehen?

Es besteht die Gefahr, dass der Geburtsprozess ins Stocken gerät. Das Kalb kann relativ groß sein. Oder die Kuh zeigt bei zu langen Wehen eine gewisse Schwäche. Da können wir aber eingreifen. Darauf sind wir vorbereitet. Einen Kaiserschnitt kann man nicht machen bei einem Elefanten. Das hat man zwar mal probiert in anderen Zoos, ging aber nie gut.

Wieso geht ein Kaiserschnitt nicht?

Die Masse der Organe würde so stark auf die Haut drücken, so dass sie nicht heilt. Weltweit wurde es bei sieben Elefanten versucht. Alle sind anschließend verstorben.

Wenn das Jungtier zur Welt kommt, steht natürlich immer noch die Frage, wie geht die Mutter mit ihm um.

Es sind relativ große Schmerzen, die das Tier in der Geburt hat. Projiziert sie diese Schmerzen auf das Jungtier? Greift sie es vielleicht an nach der Geburt? Zeigt sie irgendwelche Aggressionen? Manchmal kann das auch sein, wenn die Nachgeburt rauskommt. Das ist noch einmal sehr schmerzhaft Event. Auch da kann sich die Kuh aggressiv gegenüber dem Jungtier verhalten. Das versuchen wir möglichst gut einzuschätzen. Wenn wir ein bisschen Glück haben, dann können wir auch eingreifen. Natürlich kann es auch passieren, dass die Kuh dem Jungtier zwar nicht aggressiv gegenüber steht, es sich aber nicht dafür interessiert. Manchmal hält das nur wenige Tage an, so dass wir da am Anfang nur ein bisschen unterstützen müssen, zufüttern beispielsweise. Wenn wir das Jungtier mit Milch versorgen müssen, versuchen wir, dass sich Kuh und Jungtier nach und nach annähern. Das sind die Probleme, die passieren können.

Warum ist eine Geburt für den Elefanten so schmerzhaft?

Geburten sind generell unfassbar schmerzhaft, für fast jedes Tier. Jede Mutter kann wahrscheinlich davon ein Lied singen. Beim Elefanten liegt das Jungtier liegt mit dem Rücken unten im Bauch. Der Geburtskanal ist  zwischen den Beinen und ziemlich lang. Das Jungtier schiebt sich dann irgendwann während der Vor- oder Stellwehen bis nach oben ins Becken. Erst dann öffnet sich der Muttermund. Dann fällt das Junge sozusagen in diesen langen Geburtskanal nach unten. Man muss sich das wie eine Art Rutsche vorstellen, die ist ungefähr eineinhalb Meter lang ist. Es ist anders als bei anderen Säugetieren, wo das Jungtier eigentlich schon fast in der richtigen Stellung liegt. Bei manchen muss es sich dann einfach nur einmal um die eigene Achse drehen. Der kleine Elefant muss dagegen fast eine Körperwanderung vollziehen, bis er an der richtigen Stelle ist. Er wiegt 100 Kilo, Pi mal Daumen. Das ist natürlich schmerzhaft.

Wie groß sind die Chancen, dass alles gut geht? 50:50?

Das ist schwierig zu sagen. Also fifty-fifty finde ich relativ pessimistisch. Wir, also die Pfleger und ich, sind eigentlich guter Dinge, dass die Kuh ohne Geburtsprobleme das Kalb bekommt. Sie ist körperlich in einem super Zustand, sie ist sehr fit. Sie bewegt sich immer noch sehr aktiv, badet, rennt die ganze Anlage hoch und runter. Sie ist sehr jung, im besten Alter. Wir glauben, dass vom Körperlichen her keine Probleme auftreten werden. Anderseits ist Chupa natürlich auch eine kleines Charaktertier, hat schon ein bisschen Feuer, hat aber auch eine sehr, sehr enge Bindung zur den Pflegern. Diese können sie gut beruhigen. Wir gehen erst davon aus, dass alles gut geht. Aber es kann natürlich passieren, dass sie sich doch anders verhält und sich aggressiv gegenüber dem Jungtier verhält. 

Wird Chupa derzeit beobachtet?

Seit Ende Mai ist immer abends ein Pfleger hier im Elefantenhaus. Einige Pfleger wachen im Pflegergang direkt bei Chupa. Andere sind in einem speziellen Pflegerzimmer und kucken auf der Überwachungskamera, wie es der Kuh geht. Und ich hab zu Hause auch eine Kameraübertragung, die bei mir auf dem Laptop die ganze Nacht läuft. Somit sind wir da gut aufgestellt.