Gedenken an die Zerstörung der Barfüßerkirche vor 76 Jahren

27.11.2020 13:21

Seit seiner Gründung 2010 erinnert der Initiativkreis Barfüßerkirche jährlich im November mit einer Andacht an die Zerstörung der Barfüßerkirche. In diesem Jahr bleiben die Türen geschlossen. Nur das Licht im Turm der heutigen Ruine lädt zu einem Moment stillen Gedenkens ein.

die Ruine einer Kirche nach einem Bombenangriff im 2. Weltkrieg
Foto: Die Barfüßerkirche nach ihrer Zerstörung im Jahr 1944 Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Am 27. November 1944 ertönt wieder Fliegeralarm in Erfurt. In der Nacht zuvor hatte es bereits die Schlösserbrücke getroffen und das Kaufhaus Reibstein, an dessen Stelle sich heute Breuninger befindet, stand in Flammen. Die Menschen eilen erneut in die Luftschutzkeller.

eine Bronzetafel auf Stein
Foto: Der Bildhauer Hans Walther, 1946 aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, verstand das Zeichenhafte des Geschehens. Auf der letzten Tafel seines Totentanz-Zyklus winkt Spielmeister Tod seine Monster über die schon zerstörte Barfüßerkirche heran. Sie werden unterschiedslos alles unter sich begraben, auch die instrumentalisierten Reste deutscher Kultur. Der Bronzeguss hängt seit November 2012 neben dem Gittertor der Langhaus-Ruine. Foto: © Michael Klehm

Nur der Mond beleuchtet die Szenerie der gewundenen Gassen in der Innenstadt mit ihren kleinen rötlichen Dächern, dem glitzernden Flusslauf der Gera und dem langgestreckten, riesigen Dach der Barfüßerkirche. Es herrscht eine gute Sicht für die drei Moskito-Bomber, welche sich Erfurt nähern. In Sekunden verwandelt sich der Gewölbehimmel des Langhauses der Barfüßerkirche in einen strukturlosen Trümmerberg. Von den umliegenden Wohnhäusern bleibt nur Schutt übrig, durch den sich die entsetzten Menschen aus ihren Kellern ins Freie arbeiten. Das Ausmaß der gesamten Zerstörung offenbart sich erst am nächsten Morgen.

Aber warum traf es die Barfüßerkirche? Vor einigen Jahren schilderte ein alter Herr, wie er als Halbwüchsiger im Frühherbst 1944 den zackigen Stechschritt frisch geweihter Rekruten beim Auszug aus der Barfüßerkirche vor ihrem Fronteinsatz bestaunt hatte. Seit 1850 war die größte Erfurter Gemeindekirche die Garnisonskirche der Stadt. Die Gemeinde hatte sich seinerzeit vehement, aber erfolglos gegen den Einzug des Militärs in ihre Kirche gewehrt. Sie erinnerte sich wohl noch des Friedensgrußes der Kirchengründer, an das „pace e bene“ („Frieden und Gutes“) des Heiligen Franziskus. Der Gedanke der Friedfertigkeit aber war hundert Jahre später in der nationalsozialistischen Ideologie getilgt worden.