Tagebücher jüdischer Jugendlicher im Nationalsozialismus

01.06.2023 07:00

Im Zentrum der neuen Sonderausstellung „Miriams Tagebuch. Die Geschichte der Erfurter Familie Feiner“ im Erinnerungsort Topf & Söhne steht eine deutsch-jüdische Familiengeschichte, die exemplarisch ist für Verfolgung und Selbstbehauptung im Nationalsozialismus. Die jüngere Tochter Marion (später Miriam) schrieb ab ihrem 14. Geburtstag ein Tagebuch, das sie bei ihrer Auswanderung zwei Jahre danach mit nach Palästina nahm. Nun kehrt es 87 Jahre später für eine Ausstellung als ein außergewöhnliches Zeugnis der Shoah nach Erfurt zurück.

Lesung und Buchvorstellung im Erinnerungsort Topf & Söhne

fünf Mädchen in weißen Blusen, eines von ihnen liest aus einem Buch vor
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Im Begleitprogramm zu dieser Ausstellung finden am 8. Juni 2023 zwei Veranstaltungen im Erinnerungsort Topf & Söhne statt. Um 18:30 Uhr lesen Jugendliche des Theaters Die Schotte Auszüge aus dem Tagebuch. Sie lassen damit ein heranwachsendes Mädchen im gleichen Alter wie sie selbst zu Wort kommen. Sie berichtet über ihren Alltag, ihre Wünsche und ihre Entscheidungen in einer Zeit, in der Antisemitismus und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden vom nationalsozialistischen Staat organisiert und von vielen in der Gesellschaft mitgetragen und umgesetzt wurden.

Um 19:00 Uhr stellt Dr. Wolf Kaiser die von ihm herausgegebene Anthologie „Der papierene Freund. Holocaust-Tagebücher jüdischer Kinder und Jugendlicher“ vor. Auf der Flucht, in Verstecken, in Ghettos und Lagern war es vielen jüdischen Kindern und Jugendlichen aus West-, Mittel- und Osteuropa ein tiefes Bedürfnis, ihre Erlebnisse und Gefühle schriftlich festzuhalten. Die Auszüge aus in neun Sprachen verfassten Tagebüchern spiegeln die Hoffnungen und Ängste der jungen Autorinnen und Autoren, ihre Verzweiflung ebenso wie den Lebenswillen, den Mut und die Tatkraft wider, die sie der tödlichen Bedrohung entgegensetzten. Sie zeigen, so der Historiker und frühere Leiter der Bildungsabteilung im Haus der Wannsee-Konferenz Wolf Kaiser, „wie die jüdische Jugend Europas die auf ihre Vernichtung zielende Verfolgung erlebt hat und wie sie sich dazu verhielt.“