Information zur Freistellung der Werkleitung des Theaters Erfurt sowie Stand der Untersuchungsergebnisse

22.01.2024 17:00

Die Stadtverwaltung informiert nach der Freistellung der Werkleitung des Theaters Erfurt über das weitere Vorgehen sowie über den Stand der Untersuchungsergebnisse.

Vorübergehend wird das Theater Erfurt vom Stellvertretenden Generalintendanten Malte Wasem und dem Beigeordneten für Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe, Dr. Tobias J. Knoblich, geleitet. Der komplette Leitungskreis des Theaters hat heute getagt und das operative Geschäft geordnet. Die Mitarbeitenden wurden bereits am 19. Januar 2024 vom Beigeordneten über die Freistellung der Werkleitung informiert. Der laufende Betrieb des Hauses ist gesichert, ebenso die Premiere der Oper „Rusalka“ am 27. Januar 2024 sowie deren weitere Aufführungen.

Heute ist die arbeitsrechtliche Bewertung des Untersuchungsberichts in der Stadtverwaltung eingegangen. Damit kann auch das weitere Vorgehen abschließend festgelegt und über zentrale Ergebnisse und ihre Einordnung in groben Zügen berichtet werden. Die vollständige Dokumentation mit Beschlussvorschlag bleibt dem dafür in nicht öffentlicher Sitzung tagenden Organ gemäß Thüringer Eigenbetriebsverordnung vorbehalten, dem Werkausschuss Theater. Außerdem muss über das weitere Vorgehen gemäß Finanzierungsvereinbarung zwischen Freistaat Thüringen und Landeshauptstadt Erfurt vor der Sitzung mit der Thüringer Staatskanzlei Einvernehmen hergestellt werden. Die vertiefte Abstimmung darüber ist für den 23. Januar 2024 terminiert. Eine schriftliche Stellungnahme des Landes ist erforderlich.

Zu Ergebnissen und Feststellungen des Untersuchungsberichts und weiteren Defiziten

In Auftrag gegeben wurde bei der Kanzlei FS-PP Berlin Part mbB eine Compliance-Untersuchung vor dem Hintergrund von Vorwürfen sexueller Belästigung und des Machtmissbrauchs am Theater Erfurt. Die Bewertung der zu treffenden Feststellungen sollte in erster Linie mit Blick auf die künftige Gewährleistung von Rechts- und Regeleinhaltung in der Organisation erfolgen. Deshalb waren auch Verdachtsfälle in die Untersuchung einzubeziehen, die strafrechtlich verjährt oder mangels rechtzeitig gestellten Strafantrags nicht verfolgbar sind und möglicherweise wegen der seitdem verstrichenen Zeit heute auch keinen Anlass für reaktive dienstrechtliche oder arbeitsrechtliche Maßnahmen mehr geben könnten. Es war zudem festgelegt, dass die arbeitsrechtliche Vertiefung durch die Stadtverwaltung erfolgen würde. Ferner sollte auch das Verhalten der Stadtverwaltung als Rechtsträger des Theaters untersucht werden.

Festgestellt wurden im Ergebnis Rechts- und Regelverstöße im Theater Erfurt, aber keine verfolgbaren Straftaten. Gravierend ist die Erkenntnis, dass die Organisationskultur Vorgänge, wie sie im Untersuchungsbericht aufgedeckt wurden, zulässt: „Im Theater Erfurt ist keine Compliance-Kultur etabliert, die der Begehung von Taten der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs entgegenwirken würde. Wir mussten im Gegenteil einen klar negativen Tone from the Top feststellen.“

Gegen den Generalintendanten bestehen Verdachtsfälle, durch unangemessenes Verhalten gegenüber Beschäftigten schuldhaft seine dienstlichen Pflichten bzw. seine Fürsorgepflicht verletzt zu haben. Gleichwohl kann nicht von einem Tatnachweis oder auch nur hinreichendem Tatverdacht im engeren strafprozessualen Sinne gesprochen werden, weil dies eine vollständige Ausschöpfung der Beweismittel erfordern würde. Entscheidend aber ist, dass diese Art der Führungskultur, die ganz offensichtlich ein nicht zeitgemäßes Verhaltensmilieu prägt, abgestellt werden muss. Auch anderen Mitarbeitenden und Gästen des Hauses werden derartige Regelverstöße zugewiesen.

Weiterhin hält der Bericht fest, dass die Leitungskräfte des Theaters, nämlich die beiden Werkleitungen und der langjährige Personalleiter, es versäumt hätten, ein auf Prävention von Diskriminierung, insbesondere Diskriminierung auf sexueller Grundlage, ausgerichtetes Konzept zu etablieren und fortzuentwickeln. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit wären intern gegeben gewesen.

Die organisatorisch durch zwei gleichgeordnete Werkleitungen vorgesehene Machtbegrenzung durch Arbeitsteilung und Funktionstrennung habe sich vollkommen in Richtung des Generalintendanten verschoben. Es sei mindestens eine neue Aufsichtsfunktion erforderlich, das bisherige System sei nicht mehr zeitgemäß.

Der sorgfältige Aufbau eines Compliance-Management-Systems sei dringend geboten. An dem dafür erforderlichen Prozess zur Identifikation gemeinsamer Werte seien die Beschäftigten zu beteiligen. Außerdem wird empfohlen, die Rechtsform und die Kontrollgremien zu überprüfen; ein Eigenbetrieb in dieser Form wird als nicht zeitgemäß erachtet.

Schließlich habe die Untersuchung keine Feststellungen ergeben, welche die Schlussfolgerung tragen würden, die Verwaltung der Landeshauptstadt Erfurt in der Person des zuständigen Beigeordneten oder des Oberbürgermeisters habe vor Juli 2023 Kenntnis von Verdachtsfällen gehabt. Es habe keine Feststellungen gegeben, welche die kolportierte Vermutung tragen würden, ab Juli 2023 seien durch die städtische Verwaltung Vorfälle vertuscht oder eine sachgerechte Aufklärung unterlassen, behindert oder verhindert worden.

Einen Neustart mit der bisherigen Werkleitung sieht die Kanzlei als nicht möglich an.

Diese summarische Ergebnisveröffentlichung ist mit der Kanzlei FS-PP abgestimmt.

Unabhängig von der Compliance-Untersuchung hat das Dezernat Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe im Zuge des Theatertransformations-prozesses Defizite in der Betriebsführung festgestellt. Da eine kooperative Abstellung der Mängel nicht gelungen ist, werden diese dem Stadtrat ebenfalls zur Kenntnis gebracht. Darüber hinaus hat das Dezernat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Werkleitung in Fragen des Personalvertretungsrechts bearbeitet und wird die Ergebnisse seiner Untersuchung ebenfalls einspeisen.

Nächste Schritte

Die Beschlussvorlage der Stadtverwaltung Erfurt wird nach Auswertung aller maßgeblichen Informationen eine Bewertung der Betriebsführungskompetenz der Werkleitung vornehmen und angemessene Konsequenzen ableiten. Diese können derzeit aus rechtlichen Gründen nicht medienöffentlich dargestellt werden und stehen unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Gremienentscheidung. In Rede steht aber bereits jetzt öffentlich eine Abberufung der Werkleitung durch den Stadtrat, was den Möglichkeiten dieses Gremiums entspricht. Die sofortige Freistellung der Werkleitung als politisches Misstrauenszeichen aus der Mitte des obersten Kontrollgremiums des Theaters ist gemeinsam mit der Stadtspitze umgesetzt worden ist.

Auf der Sitzung des Werkausschusses am 31. Januar 2024 werden die Vertreterinnen und Vertreter der Kanzlei FS-PP Berlin Part mbH, des Personalrats des Theaters Erfurt sowie die Werkleitung selbst angehört und befragt werden.