Tamara Thierbach: Rückblick der Bürgermeisterin auf das Kulturelle Jahresthema 2014

07.01.2015 14:34

„Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen! Indes ihr Komplimente drechselt, kann etwas Nützliches geschehen.“ Dieser bekannte und viel zitierte Satz aus Goethes „Faust“ wird oft darauf reduziert, dass Handeln besser sei als viele Worte. Indes kann man ihn bezogen auf unser Jahresthema auch anders deuten: Erstens sind dem Motto „Wie viele Worte braucht der Mensch?“ sehr viele Taten gefolgt, nämlich konkrete Projekte; zweitens stehen die Worte ja für die Erzeugung von Welt, von Kreativität, sie sind Bestandteil des Handelns und gehen diesem durchaus nicht als leeres Gerede nur voraus.

Rückblick der Bürgermeisterin auf das Kulturelle Jahresthema 2014

Portrait Tamara Thierbach
Foto: Tamara Thierbach; Bürgermeisterin und Beigeordnete für Soziales, Bildung und Kultur Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Die Sprache ist ein hohes Gut, sie erlaubt die Kommunikation von Ideen und ist unser Werkzeug Nummer 1, wenn es um die Planung und Realisierung komplexer Vorhaben geht. Aber – hier muss man Goethe uneingeschränkt Recht geben – bei Worten kann man nicht immer stehen bleiben, Worte allein genügen nicht. Und auch Komplimente will ich durchaus „drechseln“, sie sind hier wichtig und stehen dem Nützlichen nicht im Wege, denn das Nützliche sind die vielen Projekte, die in diesem Jahr wortreich stattfanden. Sie muss und will ich loben: Ein Kompliment also all jenen, die unbeirrbar, mit Ideenreichtum und Geschick unser wortzentriertes Jahresthema für sich entdeckten und ein Publikum für sich gewinnen konnten!

Das Kulturelle Jahresthema 2014 bestand nicht nur aus ungewöhnlichen Projekten, es wurde auch erstmalig auf ungewöhnliche und experimentelle Weise finalisiert. Veranstaltungsort der Abschlusspräsentation und -feier war die „Insel“ in der Erfurter Hohenwindenstraße 17, besser bekannt als ehemaliger Altstoffhandel und heute Industriebrache. Sie ist keine Versammlungsstätte, keine eigentliche Kultureinrichtung, sondern ein noch zu entwickelnder Ort. Aber sie hat Esprit, Aura oder wie immer man es nennen will. Die „Insel“ wird von einem Künstler verwaltet, Herrn David Prien, der hier arbeitet und bereits phantasievolle Konzepte für die Zukunft entwickelt hat. Ihm und dem von ihm vertretenen Eigentümer dieses Hauses gilt unser Dank, dass wir dort sein durften und den Zauber des Ortes, seinen noch morbiden Charme, als Kulisse für die Präsentation der Projektergebnisse nutzen konnten.

Abschlussveranstaltung im Norden: Ort mit Bedeutung

Die „Insel“ steht aber auch symbolisch für den Aufbruch, für die Erkundung neuer Wege, die Verbindung historischer Relikte mit alternativen Nutzungsideen, die Magie der Räume und freies künstlerisches Arbeiten, Industrie und Kultur, die Erfahrung von Stadträumen, die nicht jeder kennt oder in ihrem Potential erkennt. Wir sind als Stadtverwaltung nicht zuletzt deshalb an diesen Ort gegangen, um eine Lanze für die freie Kulturszene, die Raumpioniere, die Neuentdecker und jungen Mutigen dieser Stadt zu brechen. Vielleicht auch für das Verrückte in der Kultur, denn Neues findet man nicht immer in etablierten Strukturen, sondern manchmal gerade da, wo der „Normalbürger“ nicht unbedingt kulturelle Aufbrüche vermutet. Unser Jahresthema lebt von neuen Ideen, Wagnissen, neuen Bündnissen und Kooperationen. Die etwas skurrile Abschlussveranstaltung lebte Kooperation im umfassenden Sinne: zwischen jenen, die diesen Ort gestalten wollten, jenen, die ihre Projektergebnisse des Kulturellen Jahresthemas 2014 präsentierten, und der Stadtverwaltung, die sich auf solch einen Veranstaltungsort einmalig eingelassen hat, Strom legte, Toiletten aufstellte, Fluchtwege markierte und vor allem heizte. Exklusivität ist nicht immer ein Begriff sozialer Ausgrenzung: hier vereinte er alle, die gemeinsam etwas Besonders auf den Weg gebracht, die die Stadt Erfurt in diesem Jahr unter einem Motto ausgestaltet, in ihrer Attraktivität gesteigert und sich selbst um wichtige Erfahrungen bereichert hatten.

Vielfalt der Projektträger – Gemeinsames Engagement zum Abschluss

Aber es war nicht nur die freie Kulturszene, die der Frage „Wie viele Worte braucht der Mensch?“ nachgegangen ist. Es waren auch städtische Kultureinrichtungen, Kirchen und Orchester oder Vereine im Sozialbereich. Die Vielfalt der Träger ist fast so groß wie die Vielfalt der Projekte, die entstanden sind. Aber darüber kann und will ich nicht im einzelnen berichten, denn wir haben eine feine Auswahl an jenem Abend in der „Insel“ erlebt und sind miteinander ins Gespräch gekommen. Eine Fotodokumentation liegt ebenfalls vor und wird u. a. ins Netz gestellt. Dieser Abend, er ist auch ein Projekt, hat eine eigene Qualität im Kalendarium des Kulturellen Jahres 2014. Mein herzlicher Dank gilt nochmals allen, die sich beteiligten und den Abend vorbereitet, zum Teil vorproduziert und diesen Ort ausgestaltet haben. Eine Dramaturgie war zu erarbeiten, mit allen Projektträgern zu reden und der Abend abzustimmen. Das lag in den Händen des Künstlers und Kulturmanagers C. W. Olafson, dem mein besonderer Dank gilt.

Wie viele Worte braucht der Mensch?

Ich brauche im Moment nur ein Wort, ein durchaus großes Wort: Danke! Und das ist nicht nur an diejenigen adressiert, die den Abschlussabend möglich gemacht haben, sondern an alle Projektträger. Aber ich sage auch: Weiter so mit dieser Möglichkeit, kreative Menschen zu stimulieren, sie in Verbindung zu bringen und mit einem Motto Sichtbarkeit, Nachdenklichkeit in der Stadt Erfurt zu provozieren. Davon profitieren schließlich alle Bürgerinnen und Bürger. Die Projekte verstärken einander wechselseitig, geben sich Energie und uns kulturpolitisch die Schubkraft, für das Budget, das der Stadtrat immer wieder neu beschließen muss, zu kämpfen. 200.000 Euro sind in die Projekte geflossen. Damit leistet die Stadt Erfurt einen wichtigen und wirkungsvollen Beitrag zur Vielfältigkeit von Kultur in dieser Stadt und auch zur Lebensfähigkeit vor allem freier Kulturträger, die von Projekten und ihrer Finanzierung leben. Das Jahresthema ist Bestandteil unseres kommunalen Kulturkonzeptes, wir werden für seinen Fortbestand eintreten. Und jeder städtische Euro wird durch Drittmittel, die die Projektträger eingeworben haben, noch multipliziert: das alles nenne ich kulturelle Wertschöpfung für diese Stadt!

Ausblick 2016: „Mach dir ein Bild!“

Abschließend möchte ich auf das Jahr 2016 verweisen. Vom Stadtrat beschlossen ist bereits, dass es unter dem Motto „Mach dir ein Bild!“ ein weiteres künstlerisch recht offenes Jahresthema geben soll. Den Aufruf, sich an der Entwicklung einer Wort-Bild-Marke dafür zu beteiligen, hat die Stadt bereits herausgegeben. Und Förderanträge können auch schon gestellt werden. Ich hoffe, dass sich wieder viele beteiligen werden und schon jetzt Lust haben auf ein neues, kreatives Miteinander!

Tamara Thierbach
Bürgermeisterin und Beigeordnete für Soziales, Bildung und Kultur