Erika Schüßling – „Meine Zeit als Ausbildungsleiterin“

01.09.2017 06:50

Begonnen und aufgebaut wurde diese Ausbildung von Erika Schüßling. Sie war bis 2006, fast 30 Jahre lang, erfolgreich und mit dem größten Engagement als Ausbildungsleiterin in der Stadtverwaltung tätig. Sie machte es sich täglich zur Aufgabe jungen Menschen das nötige Wissen zu vermitteln, damit sie mit bestmöglichen Ergebnissen ihren Abschluss erreichen.

40 Jahre Ausbildung der Landschaftsgärtner

Ein Porträtfoto einer älteren Dame, die im Grünen sitzt und in die Kamera lächelt.
Foto: Erika Schüßling Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

„Für mich begann es 1976 im Volkseigenen Betrieb ‚Grünanlagen Erfurt‘.

Eine Auflage des Ministerrats der DDR besagte: „Die Berufsausbildung muss entwickelt und gefördert werden“. Meine Aufgabe im kommunalen Bereich Örtliche Versorgungswirtschaft war, eine Landschaftsgärtnerausbildung mit der Berufsbezeichnung „Facharbeiter für Grünanlagen” aufzubauen – obwohl uns Gärtnern diese Bezeichnung eigentlich nicht so gefiel. Mit entsprechenden Qualifikationen und Berufserfahrung konnte ich die fachliche Voraussetzung vorweisen.

Ein Erfahrungsaustausch begann mit Ausbildungsstätten verschiedener Bezirksstädte der „Republik”, zum Beispiel mit Halle, Leipzig, Berlin, Potsdam, Magdeburg und Cottbus, bei denen diese Ausbildung schon lange Tradition war. Ihre Erfahrungen konnte ich mir zunutze machen und Vieles für mich, die praktische Ausbildung und letztendlich die Berufsfachkommission übernehmen, bei der ich Mitglied wurde und die an einem neuen Lehrplan und Lehrbuch für den grünen Beruf arbeitete.

In Erfurt war die Zierpflanzen- und Saatzucht-Ausbildung in langer Tradition angesiedelt, sogar mit einer Betriebsberufsschule. Die damalige Leitung dieser Schule hielt von unserer Fachrichtung vorerst gar nichts, der weltbekannte Zierpflanzenbau in Erfurt konnte sich nicht mit den „Grünanlagenbauern” anfreunden. Das bedeutete für mich manches Kopfzerbrechen.

Die Lösung: Der theoretische Unterricht musste vorerst an einer überbetrieblichen Berufsschule in Leipzig-Markkleeberg stattfinden - ein ziemlicher Aufwand zu Beginn. Es ergab sich aber auch ein nutzbringender Erfahrungsaustausch mit den Lehrern.

Nachdem die Voraussetzungen für die praktische Ausbildung geschaffen wurden - Ausbildungspersonal, Räumlichkeiten für Arbeitsgeräte, Umkleiden, Transportfahrzeuge etc. - begann am 1. September 1977 unsere erste Lehrgruppe mit ihrer Ausbildung.

Auch das „Wo?“ und „Wie?“ war im Großen und Ganzen geklärt. Mit Unterstützung der Fachleute im Betrieb und mit viel Improvisation ging es voran. Auch der theoretische Unterricht konnte schließlich in Erfurt stattfinden.

Heute ist der Garten- und Landschaftsbau einer der Hauptzweige an der Erfurter Berufsschule. Zu Beginn waren die Pflegeobjekte im Erfurter Norden, nahe dem ersten Ausbildungsstützpunkt im Rieth angesiedelt, wie das FZR (Freizeitzentrum Rieth), Moskauer Platz, Warschauer Platz, Vilniuser Platz und Berliner Platz. Bauprojekte wie Neubauten und Rekonstruktionen von Parkanlagen inklusive Spielplätzen gab es in ganz Erfurt. Große Baumpflanzprojekte wurden ebenfalls im gesamten Stadtgebiet verwirklicht. Das bedeutete zu der Zeit, mit gering vorhandener Technik viel Handarbeit und verlangte eine hohe körperliche Anstrengung.

Ein älterer Mann erklärt einer Gruppe jüngerer Menschen den Rosenschnitt. Fast alle Personen sind in Arbeitskleidung mit grüner Latzhose zu sehen.
Foto: Das Lehrgespräch am Praxisbeispiel erklärt: Der Pflegeschnitt bei Rosen. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Im Laufe der Jahre entstand im Gartenamt ein respektables Ausbildungszentrum für die Region. Lehrlinge aus verschiedenen Städten Thüringens wurden zur praktischen Ausbildung nach Erfurt geschickt, wie zum Beispiel Eisenach, Schmalkalden, Suhl, Gotha, Heiligenstadt oder Meiningen. Die Praktischen Prüfungen wurden unter der Regie der Erfurter Ausbildungsstätte durchgeführt.

1990 begann auch für mich und meine Mitarbeiter in der Berufsausbildung eine neue Zeitrechnung. Wir staunten nicht schlecht über die perfekte technische Ausstattung der Berufsschulen und Ausbildungsstätten in Hessen und anderen Bundesländern.

Vieles wurde verändert, einiges verbessert, neue Bau- und Arbeitsmaterialen sowie Maschinen und Geräte standen nun zur Verfügung. Es gab andere Lehrpläne und aus zwei wurden drei Ausbildungsjahre. Ohne Probleme konnten wir uns umstellen und kamen mit den neuen Bedingungen gut zurecht. Der Landschaftsgärtner blieb sich treu, ergänzt von mehr Inhalt.

Auch der wirtschaftliche Aufschwung wurde spürbar. Unserem Ausbilderteam wurden immer häufiger interessante Aufgaben für die Verschönerung und Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt übertragen, da besonders kostengünstig neu gebaut, rekonstruiert und aufgewertet und dabei alles flexibel und unkompliziert organisiert werden konnte.

Unser Team bestand in der Zwischenzeit neben mir aus zwei Lehrmeistern und vier Lehrfacharbeitern. Alles Fachleute, die aus den eigenen Reihen herangebildet wurden und ihr Wissen und Können weitergaben. Dass sie erfolgreiche Auszubildende hervorbrachten zeigte zum Beispiel die Platzierung beim Berufswettbewerb für junge Gärtnerinnen und Gärtner: Bei diesem alle zwei Jahre stattfindenden Wettkampf waren unsere Auszubildenden immer auf den vordersten Plätzen anzutreffen und sie konnten von Landesebene bis hin zum Bundesentscheid großartige Erfolge erzielen.

Die Liste der von den Auszubildenden geschaffenen Objekte ist mittlerweile sehr umfangreich.

Woran kann ich mich noch besonders erinnern?

  • Naturteichanlage im Schulgarten der Gemeinschaftsschule am Johannesplatz
  • Kindergarten-Außenanlagen, errichtet in der Fröbelstraße, Bleichenstraße, Kita „Rasselbande” in der Espachstraße, Dittelstedt
  • Neugestaltung von Spielplätzen im Stadtgebiet Erfurt, Am Drosselberg, Tettaustraße am Benary Platz, Südpark und Kerspleben
  • Außenanlagen am Schottenhof, errichtet am Jugendtheater „Die Schotte”
  • Friedhöfe im Stadtgebiet, die Rekonstruktion und Neuanlagen von Grabfeldern in Vieselbach, Linderbach, Waltersleben sowie dem Hauptfriedhof (Urnengemeinschaftsanlage)
  • Innenhofgestaltung vom Frauenzentrum in der Pergamentergasse
  • Kleinere Einzelobjekte
    • Herstellung Anlage „Wegekreuz” in Hochheim,
    • Brühler Garten „Rosengarten”,
    • Festung Petersberg: Teilrestaurierung Friedenspulvermagazin

Eine Besonderheit: Unser Hauptprojekt

Das Gartendenkmal „Botanisch-Dendrologischer Garten - Garten der Rosaceae“

Schon seit 1996 führen wir mit den Auszubildenden die ständigen Werterhaltungsmaßnahmen an den Pflanzungen und Sanierungen am Gartendenkmal durch. „Dendro“ (wie wir in nennen) ist unterhalb des Igaparks gelegen.
Die besondere Vielfalt an Blütengehölzen in dieser Parkanlage ist beeindruckend und hatte seinen Ursprung zwischen 1959 und 1961. Die Architekten Walter Funcke und Hermann Göritz hatten die Idee, mit der Anlage ein Arboretum zu schaffen, das mit verschiedensten Bäumen und Gehölzen zu Studienzwecken dienen sollte.
In den 60er Jahren erfolgte ein umfassender Ausbau zur Darstellung der Familie der Rosaceae. Besonders in Szene gesetzt: Die Blütenkirschen. Ab 2002 wurde die Hauptanlage mit Treppe und Sitzterrassen, Wegen und Ruheplätze, sowie den Pergolen aufwendig saniert.

Viele notwendige Ausbildungsinhalte können hier praxisnah vermittelt und in hoher Qualität gelehrt werden, so wie:

  • das Pflanzen von Rosen, Stauden, Gehölzen und Bäumen
  • die Pflege der Vegetationsflächen, Hacken und Jäten, Graben und Bodenverbesserung
  • Müll und leider öfter Schäden des Vandalismus beseitigen
  • Rasenflächen pflegen durch mähen, ausbessern und je nach Bedarf auch Neuanlage
  • Wege, Mauern und Treppen sanieren

Weitere Projekte

  • Der Wigbertihof im Innenhof des Personalamts der Stadtverwaltung, Meister-Eckehart-Straße 2:
    Der ehemalige Klosterhof der Pfarrkirche „St. Wigbert“ wurde 2004 - 2005 durch die Lehrausbildung umgestaltet und auch seitdem durch uns gepflegt.

  • Das Erfurter Rad beim Aufgang des Petersbergs:
    Saisonale Bepflanzung und ständige Pflege

Ich hoffe auf den langen Fortbestand der Institution Lehrausbildung.

Es wäre schade, wenn diese funktionierende Gärtnerausbildung mit so langer Tradition mit hoch motivierten, fachlich qualifizierten Ausbildungskräften und mit eigenem Ausbildungsstützpunkt, sowie mit interessanten und anspruchsvollen Bau- und Pflegeprojekten dezimiert werden würde.

Ich kann auch beobachten, dass in absehbarer Zeit einige Mitarbeiter durch demografischen Wandel fehlen werden. Die Verantwortlichen müssen erkennen, dass nur über die eigene gezielte Ausbildung dem Fachkräftemangel entgegengesteuert werden kann. Junge Fachkräfte sind eben kostenneutral und somit lohnenswert.

Wie ich hörte sind heute noch mindestens 110 Ehemalige im Garten- und Friedhofsamt tätig.
Ein großer Teil der Absolventen nutzte ihre erworbenen Grundkenntnisse um sich weiterzubilden und zu studieren.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie oft man Ehemalige als Geschäftspartner oder bei Fachveranstaltungen antrifft. Viele von ihnen sind in hoher Anzahl als leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gartenamt tätig, aber auch als Gärtner in der Grünpflege, freischaffende Landschaftsarchitekten, Angestellte von Landschaftsbaubetrieben oder Firmeninhaber unserer Branche.

Auch bei Open Gardens im Ausbildungsstützpunkt im Südpark kam ich mit Teilnehmern und altbekannten Gärtnern ins fachsimpeln. Dieser öffnet jährlich für Besucher, die dort den Ausbildungsberuf Gärtner FR Garten- und Landschaftsbau kennenlernen können. Die Außenanlagen sind interessant gestaltet: Mit Natursteinen gepflastert und gemauert, ein Sitzplatz im Hinterhof, Hochbeet, Kräutergarten, Schattenpflanzen, Teich- und Steingartenareal und Fassadenbegrünung und natürlich sind die Pflanzen bestens ausgeschildert mit ihren botanischen Fachbegriffen.

Sinn und Zweck der betrieblichen Ausbildung ist es guten Nachwuchs heranzubilden. Ich denke, das ist im Erfurter Gartenamt gelungen und ich bin ehrlich stolz auf das Erreichte. Auch auf meine Nachfolgerin bin ich stolz, die die Ausbildungsleitung kompetent weiterführt und so für die besten Gärtner Erfurts sorgt.“