Stadtgoldschmiedin Vera Siemund: 5. Mai 2025

05.05.2025 16:09

Schmuckkünstlerin Vera Siemund aus Hamburg schreibt über ihre Zeit als Erfurter Stadtgoldschmiedin 2025.

Seit heute bin ich Erfurter Stadtgoldschmiedin, nachdem ich so viel gefragt wurde, was das eigentlich sei, ein „Stadtgoldschmied“: „Ist das sowas wie ein Stadtschreiber?“ „Bist Du dann so eine Art Karnevalsprinz?“ (Die Frage kam allerdings von einem Rheinländer, also war das kein despektierlicher Vergleich, so hoffe ich.) Ein symbolisches Amt ist das, so hörte ich heute, als eine Art Arbeitsstipendium sehe ich es, sowie es das für bildende Künstler häufig gibt, für uns Schmuckmacher selten… Dank einiger sehr engagierter Leute gibt es das in Erfurt, ich habe heute schon ein paar von ihnen getroffen – wohltuend, da die angewandte Kunst es anderenorts sehr schwer hat gerade. In meiner Wahlheimat Hamburg zum Beispiel.

Nun erkunde ich Erfurt. Ähnlich wie Halle ist die Stadt, wenn man Essen, Hanau und Pforzheim kennt, unglaublich reich an historischer Bausubstanz, der „moderne“ Gegenentwurf ist räumlich separiert.

Wie jeder Tourist hier bewundere ich die mittelalterliche Architektur. Trotzdem setzte ich mich erstmal aufs Fahrrad, ich durchradelte die verschiedenen ringartigen Schichten der Stadt. Mittelalter im Inneren, Historismus gefolgt von Gründerzeitvillen, zwischendrin bisschen Bauhaus, weiter außen einfachere Wohnhäuser aus den 20er/30er Jahren, dann die DDR- Bauten.

Ich habe in meiner Zeit in Halle eine Art Ikonoklasmus erlebt. Alle Kunst im öffentlichen Raum aus DDR-Zeiten stand zur Disposition oder konnte gar nicht schnell genug beseitigt werden. (Auch die Gotik wurde ja mal als scheußlich empfunden, wie die unvollendete Ruine des Kölner Doms.) In den letzten Jahren kippt die Wahrnehmung der DDR-Kunst und Architektur, so ist mein Eindruck. Das Wandbild von Josep Renau ist restauriert, das Gebäude, das es schmückte, abgerissen …

Ich flüchte mich wieder zurück ins Mittelalter.