Podcast Seelische Gesundheit für Schulen: Einsamkeit

07.03.2024 13:12

Im Rahmen der „Woche der seelischen Gesundheit 2023“ entstanden Podcasts für Kinder und Jugendliche zur seelischen Gesundheit. In diesem Podcast geht es um das Thema Einsamkeit gesprochen von Karoline Vogel.

Audio: Seelische Gesundheit für Schulen_Podcast: Einsamkeit © Stadtverwaltung Erfurt

Der Podcast zum Nachlesen

Alles rund um das Thema Einsamkeit

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Hey! Hallo. Bei mir soll sich heute alles um das Thema Einsamkeit drehen. I'm so lonely, einsam und allein.

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Ihr kennt bestimmt alle das Buch „Pippi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren. Dort gibt es eine Stelle, die ich euch kurz vorlesen möchte: Am Rande der kleinen, kleinen Stadt lag ein alter verwahrloster Garten. Im Garten stand ein altes Haus, und in dem Haus wohnte Pippi Langstrumpf. Sie war neun Jahre alt und sie wohnte ganz allein. Sie hatte keine Mutter und keinen Vater.

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Und eigentlich war das sehr schön, denn so war niemand da, der ihr sagen konnte, dass sie zu Bett gehen sollte, gerade wenn sie mitten im schönsten Spiel war. Ja, genau. Pippi Langstrumpf war allein. Sie hatte keine Familie, aber auch alle Freiheiten, die wir uns alle als Kinder so gewünscht haben. Aber war Pippi auch einsam? Muss sie denn nicht einsam gewesen sein?

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Die meisten Menschen verwenden beide Begriffe, als würden sie ein und dasselbe bedeuten. Aber das ist nicht so, denn Einsamkeit kann krank machen. Alleinsein dagegen kann auch glücklich machen. Alleinsein und einsam sein ist nicht dasselbe. Ob wir allein sind, kann jeder von außen sehen. Alleinsein ist ein Zustand. Ich bin allein zu Hause. Ich bin ganz allein in meinem Zimmer.

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Einsamkeit dagegen, das ist eine schmerzhafte Empfindung, ein unangenehm drückendes Gefühl. Wir fühlen uns innerlich isoliert. Man kann sich also auch in einem Raum voller Menschen aufhalten und trotzdem einsam sein. Es ist ein Gefühl, das wir erleben, wenn wir mit unseren sozialen Beziehungen nicht zufrieden sind, sie als unzureichend bewerten. Wenn uns, wenn uns etwas fehlt.

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Sowohl in Bezug auf Qualität: Ich habe keine engen Freunde, zum Beispiel. Oder auch in Bezug auf Quantität: Ich, ich habe zu wenig Freunde. Ich möchte mehr Freunde haben. Wie schnell wir uns einsam fühlen, aber auch, wie gut wir alleinsein können. Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Es gibt Menschen, die sich beim Gedanken, für längere Zeit allein an einem Ort oder in einem Raum wie Pippi Langstrumpf zu sein, einsam fühlen oder Beklemmungen bekommen.

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Sie müssen immer von anderen Menschen umgeben sein, damit sie sich wohlfühlen. Andere Menschen hingegen brauchen regelmäßige Zeiten, an denen sie ganz allein sind, um sich zu erholen. Der entscheidende Faktor, der entscheidende Unterschied, ist die Freiwilligkeit. Wer sich von sich aus für das Alleinsein entscheidet, handelt selbstbestimmt. Soll heißen: Ich bin allein, weil ich es so will. Ich bin allein, weil ich etwas nur für mich machen möchte. Ein Buch lesen, meine Lieblingsmusik hören oder mich einfach nur ausruhen und meinen Gedanken nachhängen.

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Anders ist es bei Menschen, die sich echten Kontakt wünschen, aber nicht bekommen. Die für sich feststellen, dass sie zwar von vielen Menschen umgeben sind, aber die Verbindung irgendwie fehlt. Problematisch wird es, wenn das Gefühl der Einsamkeit nicht mehr aufhört. Einsamkeit macht dann nicht nur unglücklich, sondern auch krank. Betroffene Personen berichten, dass dieses Gefühl so stark werden kann, dass es innerlich wehtut.

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Als Gefühl ist Einsamkeit etwas, das von jedem Menschen unterschiedlich erlebt wird. Jeder Mensch kann sich also unterschiedlich schnell einsam fühlen und unterschiedlich stark oder intensiv einsam fühlen. Einsamkeit ist nicht messbar. Daher gibt es auch keine pauschalen Ratschläge oder Lösungen gegen Einsamkeit bzw. das eigene Gefühl, einsam oder gar isoliert zu sein.
Es werden verschiedene Arten von Einsamkeit unterschieden. Es gibt die sogenannte emotionale Einsamkeit.

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Diese Einsamkeit beschreibt das Sehnen nach einer Person, mit der man sehr vertraut interagieren, mit der man über alles reden kann, die einem Halt gibt, wenn das Leben schwierig wird. Die eine Stütze ist, wenn man sie braucht. Es fehlt eine Person, die einen genauso gut kennt, wie man sich selbst kennt und die einen genau so akzeptiert, wie man ist.

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Und es gibt die soziale Einsamkeit. Diese Einsamkeit beschreibt das Sehnen nach einer Clique, einem Freundeskreis, einem Netzwerk, mit welchem man etwas unternehmen kann. Mit welchem man Hobbies teilt, mit welchen man feiern, diskutieren, Freude haben kann. Es fehlt eine Gruppe, zu der man sich zugehörig fühlt. Hat man das nicht, empfindet man sich als eine Art Außenseiter und passt irgendwie nirgends dazu.

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Eine große Krankenkasse hat in einer deutschlandweiten Befragung im Jahr 2020 erhoben, dass sich 17 Prozent der befragten Personen in ihrem Leben häufig bis sehr häufig einsam fühlen. 30 Prozent der Befragten fühlten sich zumindest manchmal einsam. Die Befragten waren zwischen 16 und 69 Jahren alt. Das heißt 47 Prozent der Befragten fühlten sich also mindestens manchmal einsam. Einsamkeit, wenn auch in den verschiedenen Facetten, ist also ein großes Thema für viele von uns.

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Es betrifft uns mehr, als wir wahrhaben wollen. Denn oft wird Einsamkeit nicht thematisiert. Wir reden nicht darüber, wenn wir uns einsam fühlen. Aber warum ist das so?

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Wie gesagt, Einsamkeit empfindet jeder von uns anders. Es ist ein Gefühl. Gefühle sind schwer zu beschreiben. Gefühle werden als Ursache oft nicht ernst genommen. Gerade wenn es darum geht, dass Gefühle wie Einsamkeit auch krank machen können.

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Es gibt viele Ursachen oder starke Indikatoren, wie man in der Wissenschaft sagt, die für die wachsende Einsamkeit in unserer Gesellschaft genannt werden können. Vorab gilt aber noch einmal: Natürlich treffen diese Gründe nicht auf alle Menschen zu. Und jeder Mensch fühlt anders. Welche Indikatoren gibt es also? Zum Beispiel leben wir zunehmend anonym. Nur weil wir vielleicht in einem großen Wohnblock wohnen, wissen wir noch lange nicht, wie unsere Nachbarn heißen.

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Wir kennen unser Wohnumfeld immer seltener. Wir gehen morgens in die Schule oder zur Arbeit, kommen abends nach Hause. Aber es gibt kaum eine Verbindung, kaum eine Information zu unserem direkten Wohnumfeld. Dies kann aber dazu führen, dass uns das Gefühl abhanden kommt, in einem sicheren Umfeld zu sein oder zu leben und Menschen um uns zu haben, die uns kennen und die wir kennen, mit denen wir Zeit verbringen.

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Es kann dazu führen, dass wir uns isoliert fühlen, auch wenn wir von vielen Menschen umgeben sind, zu denen wir aber keinen Zugang finden. Und ob ihr es glaubt oder nicht auch die sozialen Medien haben einen Einfluss auf unser Empfinden von Einsamkeit. Der Begriff „Soziale Medien“ täuscht mitunter vor, dass wir in einem großen Netzwerk sind.

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Wie viele Freunde hast du auf Facebook? Wie viele Freunde hast du auf Instagram? Wie viele Likes gibt es unter deinen Posts? Aber sind das wirklich alles deine Freunde, die dich kennen, mit denen du Zeit verbringst, die dir das Gefühl vermitteln, miteinander verbunden zu sein? Oder sammeln wir nicht einfach doch nur Bekannte, damit es so aussieht, als hätten wir viele Freunde?

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Aber uns verbinden eigentlich keine Interessen, keine Erlebnisse, keine gemeinsame Zeit. Ich wiederhole meinen Satz vom Anfang: Man kann sich auch in einem Raum voller Menschen einsam fühlen, wenn man keine Verbindung zu ihnen herstellen kann.

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Soziale Medien können uns also zunächst den Glauben lassen, dass man dazugehört. Aber wenn man gar keine Gemeinsamkeiten hat oder es einem eben gar nicht um das Miteinander geht, dann kann man auch mit vielen sozialen Kontakten schnell einsam sein oder sich einsam fühlen. Manchmal ist es aber auch unsere eigene Veranlagung, die Einsamkeit befördern kann. Wenn man sich zum Beispiel nicht so wohl fühlt, auf andere Menschen zuzugehen.

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Wenn wir vielleicht gern jemanden ansprechen würden, uns aber nicht trauen. Ihr kennt das. Je mehr man zögert, desto schwieriger wird es meist. Und dann lässt man es meistens ganz, weil man vielleicht glaubt, dass man für manche Menschen schnell eine Belastung ist oder zu einer Belastung werden kann. Wir tendieren manchmal auch dazu, uns selbst klein zu machen. Bin ich wirklich cool genug für diese Person, mit der ich Zeit verbringen möchte?

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Ich kann mit denen doch gar nicht mithalten. Niemals wollen die Zeit mit mir verbringen. Das ist einfacher, wenn ich für mich selbst bleibe. Manchmal ist es auch genau das Gegenteil. Es kann auch schwierig sein, wenn man sehr viele Kontakte, sehr viel Zeit mit Menschen braucht, damit man sich wohlfühlt und sich andere Menschen vielleicht genau deshalb zurückziehen oder auf Distanz gehen, weil es einfach zu viel Austausch ist, zu viel gemeinsame Zeit, die man einfordert.

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Bist du vielleicht schon einmal genervt gewesen, weil eine Person einfach immer da ist und du keine Zeit für dich hast? Also nur für dich?
Eine Verbindung mit anderen Menschen einzugehen, mit jemandem befreundet oder eng verbunden zu sein, ist ein Risiko. Wenn man sich einer Person öffnet, ihr erzählt, welche Probleme man hat, Geheimnisse anvertraut, Hilfe sucht, dann ist man verletzlich.

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Und diese verletzliche Seite zeigt niemand gern. Wenn man sich dann trennt oder getrennte Wege geht, weil man umzieht oder eben aus anderen Gründen keine Zeit mit der anderen Person verbringt, dann bedeutet dieses Verlassenwerden immer einen Schmerz. Man ist immer enttäuscht, man hat Angst. Es tut immer weh, wenn man eine vertraute Person verliert. Egal, welche Gründe es für diesen Verlust gibt.

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Man denkt so was wie: Was passiert, wenn diese Person, der ich vertraut habe, meine Geheimnisse, meine Gedanken, meine Probleme weitererzählt? Was werden die Leute von mir denken? Das kann dazu führen, dass einige Menschen, gerade wenn der Verlust, der Schmerz schon einmal sehr groß gewesen ist, es vermeiden, überhaupt wieder enge Kontakte mit anderen Personen einzugehen aus Schutz davor, dass man seinen großen Trennungsschmerz nicht noch einmal erleben will.

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Und dieses Vermeiden kann natürlich auch schnell zu Einsamkeit führen. Wir ziehen uns bewusst zurück, weil wir einmal erfahren haben, wie schmerzvoll es ist, wenn man sich trennt oder von einem geliebten Menschen getrennt wird oder ihn verliert. Es ist manchmal ein Kreislauf, aus dem man ganz schwer wieder allein herauskommt.
Ich denke, es ist deutlich geworden. Es gibt ganz viele Facetten und ganz viele Gründe, warum man sich einsam fühlen kann.

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Da Einsamkeit ein Gefühl ist und jeder von uns anders fühlt, gibt es kein pauschales Rezept, wie man Einsamkeit vermeiden könnte. Und niemanden ist geholfen mit dem Ratschlag: „Hey, wenn du einsam bist, dann melde dich doch einfach in einem Sportverein an!" Nein, so einfach ist das eben nicht. Natürlich kann ein Sportverein oder eben auch jeder andere Verein oder soziales Projekt ein guter Ort sein, um Kontakte zu knüpfen, um gemeinsam Zeit zu verbringen und vielleicht auch festzustellen, dass diese gemeinsame Zeit guttut.

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Aber es ist eben nicht die pauschale Lösung für alle Menschen, die sich einsam fühlen. Jeder braucht etwas anderes, um weniger einsam zu sein. Wichtig ist daher, sich zu fragen: „Was vermisse ich denn eigentlich?“ Vermisse ich einen engen Freund, mit dem ich über alles reden kann? Vermisse ich eine Gruppe von Menschen, mit denen ich Zeit verbringen kann? Vermisse ich eine Beziehung, die mir Sicherheit gibt?

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Und dabei müssen wir uns immer bewusst machen: Es ist anstrengend, etwas gegen das Gefühl der Einsamkeit zu tun. Man muss mutig bleiben, dass sich ein Treffen mit Menschen lohnt. Auch wenn ich nicht immer gleich enge Freunde finde. Und auch wenn es einige Fehlversuche braucht, bevor ich die Gruppe Menschen gefunden habe, die mir guttut. Es ist wichtig, darauf zu vertrauen, dass sich das Leben verändert und dies nicht immer bedeutet, dass alles schlechter wird, sondern vielleicht schon morgen der Mensch in mein Leben tritt, der mir gefehlt hat.

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Es ist wichtig zu wissen, dass die Trennung von einem geliebten Menschen wehtun kann. Aber eine enge Verbindung zu Menschen, so viel Freude, so viel Geborgenheit und Glück bringt, dass man das Risiko nicht scheuen sollte, nach einem schmerzvollen Abschied einen neuen Versuch zu wagen.

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Keine Person auf dieser Welt ist aus eigenem Antrieb einsam. Man kann freiwillig allein sein wollen, aber niemand ist freiwillig einsam. Überlegt doch mal für euch Wo sind die Menschen gerade, die euch wirklich wichtig sind? Welche Menschen würdet ihr gerne mal wieder sehen oder hören? Wer kennt das nicht? Eigentlich würde ich ja gern, aber ich habe keine Zeit für ein Telefonat oder ein Treffen.

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Was soll ich denn in eine WhatsApp-Nachricht schreiben? Wir haben doch schon so lange nicht geschrieben. Ihr kennt das. Wenn man es nicht gleich macht, dann macht man es nie. Je länger man sich nicht meldet, desto schwerer wird es. Denkt nicht nach und schreibt einem für euch wichtigen Menschen eine Nachricht. Ruft ihn an, vereinbart ein Treffen und schaut, was passiert.

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Zum Abschluss des Podcasts habe ich eine Bitte. Ich habe gesagt, dass eine Befragung ergeben hat, dass 47 Prozent der Menschen, die gefragt wurden, sich manchmal einsam fühlen. Wir reden immer noch viel zu wenig darüber, wenn wir uns einsam fühlen, nur weil wir Angst haben, was andere von uns denken. Wieso findet der oder die denn keine Freunde? Was ist falsch mit der Person?

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Menschen, die in der heutigen Zeit mit all den sozialen Medien einsam sind, die machen was falsch. Wenn ihr glaubt, dass jemand einsam ist oder sich einsam fühlen könnte, dann macht ihm oder ihr ein Gesprächsangebot. Ladet die Person ein, ein Teil eurer Gruppe zu sein oder macht ein anderes Angebot, welches zeigt, dass die Person willkommen ist. Dieser für euch vielleicht winzig kleine Schritt kann für diese eine Person ein wichtiges Signal sein, welches ihr hilft, eine schwierige Situation oder ein unangenehmes Gefühl zu überwinden und neuen Mut zu fassen.

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Niemand ist freiwillig einsam!