Schulsanierung in Erfurt – Interview mit Dr. Torben Stefani

23.08.2019 00:00

Die Stadt Erfurt hat mit ihrem Schulnetzplan ein riesiges Schulsanierungs- und Schulneubauprogramm auf den Weg gebracht. Knapp eine halbe Milliarde Euro wird es kosten und die zuständigen Ämter mindestens zehn Jahre beschäftigen. Eine Vielzahl der rund 60 Schulstandorte im Stadtgebiet müssen saniert oder erweitert werden. Dazu sind auch ein paar komplette Schulneubauten geplant. Wie ist das Mega-Programm angelaufen? Welche Probleme gibt es? Wo wird was gebaut oder saniert? Wann ist mit Fertigstellungen zu rechnen? Dr. Torben Stefani, der das zuständige Amt für Grundstücks- und Gebäudeverwaltung leitet, gibt Erfurts Stadtsprecher Daniel Baumbach in einem umfangreichen Interview Auskunft.

Video: Schulsanierung in Erfurt – Interview mit Dr. Torben Stefani © Stadtverwaltung Erfurt

Das Interview

Was tut die Stadt, damit die Erfurter Kinder in gute Schulen gehen können?

Der Stadtrat hat in seiner Mai-Sitzung den neuen Schulnetzplan beschlossen, mit einer Geltungsdauer von fünf Jahren. Danach sollen zum einen neue Schulstandorte entstehen, voraussichtlich an der Mühlhäuser Straße und der Greifswalder Straße, wo jeweils 3-zügige Gemeinschaftsschulen vorgesehen sind. Außerdem erhalten eine Vielzahl von Schulen Erweiterungsbauten in Modulbauweise.

Wird schon gebaut?

Im Moment noch nicht. Wir bereiten noch vor. Die ersten zwei Standorte in Hochheim und in Kerspleben werden gleichzeitig ausgeschrieben, um Kostenvorteile zu erzielen.

Das heißt, in 2 bis 3 Jahren können die Schüler dort einziehen?

Laut Plan sollen die Standorte zum Schuljahresbeginn 2021/2022 zur Verfügung stehen. Wenn wir gut sind, sind wir auch schneller.

Wo überall wird es Ergänzungsbauten geben?

Ergänzungsbau heißt, dass wir an einem bestehenden Schulstandort einen Modulbau hinsetzen. Ein Modulbau ist ein moderner Plattenbau, der immer wiederkehrende Elemente hat und sehr kompakt ist. Durch diese serielle Bauweise erhoffen wir uns erhebliche Kosteneinsparungen. Drei verschiedene Typen sehen wir vor. Die ersten zwei wird es in Hochheim und in Kerspleben geben. In Hochheim sollen 18 Klassenzimmer untergebracht werden. In Kerspleben werden 16 Klassenzimmer plus Speiseraum entstehen. Des Weiteren wollen wir in der Grundschule 29 einen Ergänzungsbau hinsetzen, an der IGS, der Integrierten Gesamtschule am Johannesplatz, ebenso an der Grundschule 30, an der Goethestraße. Es wird aber noch weitere geben.

Viel diskutiert wird der Schulneubau in Vieselbach. Wie ist da der aktuelle Stand? Wer baut dort? Die Stadt oder eine Stiftung?

Der Ortsteilbürgermeister von Vieselbach will einen Antrag in den Stadtrat einbringen, damit die Bauherrenschaft von der Stiftung wieder an die Stadt zurückgeht. Die alte Schule im Ort soll dann abgerissen und eine zweizügige Grundschule neu errichtet werden. Wegen der hohen Bau- und Planungssummen und der europäischen Richtlinien sind wir verpflichtet, die üblichen Vergabeverfahren durchzuführen. Das wird eine gewisse Zeit brauchen. Wir planen, die Schule zum Schuljahresbeginn 2022/2023 fertig zu stellen.

Die Vieselbacher müssen sich also noch ein bisschen gedulden. Dafür kriegen sie dann aber auch eine tolle Schule.

Die Schule wird richtig schön. Wir müssen noch ein paar Fragen klären. Das Grundstück ist nicht gerade groß. Aber wir sind zuversichtlich. Es gab schon eine bestätigte Bauvoranfrage. Die können wir aufgreifen. Wir wollen auch den Wunsch des Ortsteilrates umsetzen und für die Bauphase ausnahmsweise ein Ausweichobjekt in Vieselbach schaffen. Gerade prüfen wir da die Möglichkeiten.

Gegenüber von der Gemeinschaftsschule Hochheim wird im Vereinsheim gebaut. Was geschieht da?

In Hochheim entsteht ein ganz neuer Schulstandort. Das ist die Gemeinschaftsschule 6, und die soll bis zur 10. Klasse dreizügig werden und die 11./12. Klasse zweizügig. Die Schule soll schneller wachsen, als wir hier einen Ergänzungsbau hingesetzt bekommen. Gemeinsam mit der Schulleitung haben wir den Plan entwickelt, dieses gegenüber liegende Vereinsheim zu ertüchtigen für maximal zwei Jahre. Dort werden zwei Schulklassen interimsweise untergebracht. So kann die Schule wachsen. Und wenn wir den Ergänzungsbau zum Schuljahr 2021/2022 fertig haben, kann diese Interimsnutzung wieder aufgegeben werden.

Jetzt sollen die Schüler möglichst den gesamten Tag an diesem Platz verbringen, damit sie nicht immer über die Straße wechseln müssen. Das wäre ja mit einer gewissen Gefährdung verbunden.

Hört sich so an, als ob Sie sich viel Mühe geben, um das Schulproblem zu lösen.

Das ist so. Aber wir haben sicherlich noch Luft nach oben. Alles hängt davon ab, kriegen wir die Finanzmittel vom Stadtrat bestätigt? Auch haben wir einen erheblichen Bedarf an neuen Fachkräften im Amt. Doch im Moment leidet die gesamte Baubranche unter Fachkräftemangel. Und dann kommt es darauf an, ob sich an den Ausschreibungen auch tatsächlich Firmen beteiligen. Die Baubranche ist sehr angespannt. Durch diese Baukonjunktur wird es immer schwieriger, ausreichend gute Firmen zu finden.

Und wird es auch schwieriger, die Kosten im Rahmen zu halten?

Ja, leider. Wir erleben tatsächlich eine Explosion der Baukosten. Unsere erstellten Unterlagen, die Kostenberechnung, das verpreiste Leistungsverzeichnis – oftmals wird das alles bei der Vergabe der Bauleistungen überholt. Durch die Konjunktur haben wir deutliche Preissteigerungen.

Wie geht die Stadtverwaltung die umfangreichen Sanierungen an?

Wir bereiten gerade ein Schulsanierungsprogramm vor. Allerdings wird meist gar nicht wahrgenommen, dass auch schon Sanierungen laufen. So wird zurzeit die Grundschule 1 in der Rosa-Luxemburg-Straße komplett saniert. Dann stehen die energetischen Sanierungen in der Grundschule 30 und der Gemeinschaftsschule 2 kurz vor Fertigstellung. Darüber hinaus ertüchtigen wir ein Ausweichobjekt in der Magdeburger Allee. Vorbereitet werden auch die Grundschulen 20 und 28 sowie die Regelschule 23. In der Grundschule 34 ist eine Generalsanierung geplant. Da gehen die Bauarbeiten los, wenn die Grundschule 1 aus dem Ausweichobjekt in der Hermann-Brill-Straße ausgezogen ist. Das passiert voraussichtlich Anfang/Mitte 2020.

Zwei Ausweichschulen stehen der Stadt demnächst zur Verfügung. Warum sind die so wichtig?

Beispiel Grundschule 30: Dort haben wir energetisch saniert und den Haus- und Krisenalarm installiert. Im belebten Objekt hat sich das zweieinhalb Jahre hingezogen. Es wäre schneller gegangen, wenn wir den vollen Zugriff gehabt hätten. So mussten wir Bauabschnitte bilden. Sowas hat natürlich auch erheblichen Einfluss auf die lernenden Kinder und die Lehrer. Lärmbelästigung, Staubbelästigung. Durch Gerüste sind die Schulhöfe nur eingeschränkt nutzbar. Wir haben gesagt, dass sich dieser Zustand möglichst nicht wiederholen soll. Für umfassende Sanierungsmaßnahmen brauchen wir künftig Ausweichobjekte.

Welche Zeitpläne haben Sie für die Schulsanierungen?

Ursprünglich war vorgesehen, dieses Sanierungsprogramm in 10 Jahren umzusetzen. Bei den derzeitigen Rahmenbedingungen ist das schwierig. Je mehr Ausweichobjekte wir haben, desto mehr Schulen können wir gleichzeitig sanieren. Im Moment haben wir wie gesagt zwei. Gern hätten wir noch zwei weitere. So könnten wir möglichst viele Schulen gleichzeitig sanieren. Wenn wir mal eine Baufreiheit haben, wenn die Schüler ausgezogen sind, rechnen wir mit eineinhalb bis zwei Jahren Bauzeit.

Wie schnell ginge das Sanierungsprogramm bei vier Ausweichquartieren?

Sicherlich doppelt so schnell. Wir entwickeln das Programm gerade. Eine gewisse Grundlage haben wir. Diese müssen wir jetzt verfeinern. Ziel ist, dieses Sanierungsprogramm der Verwaltungsspitze vorzustellen und den Stadtrat zu beteiligen.

Welche anderen Ausweichobjekte haben Sie im Blick?

Die August-Schleicher-Straße ist gerade in der Prüfung. Das ist westlich der Nordhäuser Straße, ein relativ großes Grundstück. Da wollen wir eine neue Schule als Ausweichobjekt bauen. Und wir wollen die ehemalige Albert-Einstein-Schule am Wiesenhügel ausbauen. Im Moment ist das eine Art Rohbau, aber mit guter Bausubstanz. Mit den zwei Standorten hätten wir dann vier Ausweichobjekte.

Wann könnten diese Ausweichobjekte gebaut werden?

Im Moment warten wir darauf, dass über den Nachtragshaushalt die Planungsmittel bereitgestellt werden. Wenn es gut läuft, könnten wir zum Schuljahresbeginn 2023/2024 beide Ausweichobjekte haben. So könnten wir dann mit voller Kraft ab 2023 das Schulsanierungsprogramm umsetzen.

Generell – gibt es eine Prioritätenliste bei Schulsanierungen?

Die Prioritätenliste richtet sich nicht nach Schulart, eher nach baulichem Zustand. Ziel ist, diese Prioritätenliste noch einmal zu verfeinern. Das hängt auch von den Ausweichobjekten ab. Nicht jedes ist für jede Schulart geeignet. Es geht auch darum, welcher Schulweg bei Bezug eines Ausweichobjekts zumutbar ist für die Kinder.

Stichwort Schulweg: Es gibt in Erfurt eine Straßenbahnklasse.

Das ist richtig. Die Grundschule 1 an der Rosa-Luxemburg-Straße seit letztem Schuljahr jeden Morgen in unser Ausweichobjekt in der Hermann-Brill-Straße. Die Kinder treffen sich am Straßenbahnbetriebshof in der Magdeburger Allee und fahren in Begleitung von Lehrern Straßenbahn. Die Erfahrungen sind durchaus positiv. Für die Schüler ist das ein Highlight, wenn sie ein bisschen bespaßt werden. Ohne Halt fährt die Bahn dann durch zur Hermann-Brill-Straße und nachmittags wieder zurück.