27. Januar 2025 | Gedenkstunde am „Stein der Erinnerung“ anlässlich des Holocaust-Gedenktags

Am Erinnerungsort Topf und Söhne betont Oberbürgermeister Andreas Horn das Erinnern, die Demokratie und vor allem die Aufklärung gegen Hass und Ausgrenzung.

Mann spricht an Mikro
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Skript der Rede

Meine sehr geehrten Gäste,

Heute vor 80 Jahren um 15 Uhr befreiten die sowjetischen Truppen das Vernichtungslager Auschwitz. Dieser Ort des nationalsozialistischen Völkermordes an den europäischen Jüdinnen und Juden und den Sinti und Roma ist untrennbar mit Erfurt verbunden, hier mit diesem ehemaligen Firmengelände von Topf & Söhne. Von hier kamen die Öfen, die in den vier großen Krematorien dazu dienten, die Leichen der Ermordeten spurlos verschwinden zu lassen. Und von hier kam die Lüftungstechnik für den Luftaustausch in den Gaskellern, die nur mit dieser Technik als kontinuierliche Einrichtung des Massenmordes betrieben werden konnten.

Seit 1996 wird der 27. Januar in Deutschland als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Von den Vereinten Nationen wurde er 2005 zum internationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust erklärt. Es ist wichtig, dass wir an diesem Tag in unserem Alltag innehalten und an die grenzenlose Gewalt und die millionenfache Vernichtung von Menschenleben erinnern, die im Nationalsozialismus von Deutschen verübt wurde und unermessliches Leid verursachte.

Deshalb danke ich Ihnen allen, sehr geehrte Anwesende, für Ihr Kommen. Ich begrüße herzlich den Staatsminister Carsten Schneider, Ministerpräsident Dr. Mario Voigt, Christian Tischner, den Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, den Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde, Prof. Dr. Reinhard Schramm, den Kantor der jüdischen Gemeinde Milán Andics, Dr. Annegret Schüle, die Leiterin des Erinnerungsortes Topf & Söhne, und Rüdiger Bender, den Vorsitzenden des Förderkreises Erinnerungsort Topf & Söhne.

Was vor 80 Jahren geschah, ist lange her, sagen manche. Das würde uns doch heute nicht mehr betreffen. Wer so spricht, hat eins nicht verstanden: Es braucht das öffentliche Gedenken und die historische Aufklärung, um den Menschen, die die Nationalsozialisten aus ihrer sogenannten Volksgemeinschaft ausgestoßen und um all ihre Rechte beraubt haben, ihre Würde und ihren Platz in der Geschichte zurückzugeben.

Doch sind wir nicht nur den Opfern das Gedenken schuldig, sondern auch uns selbst. Wir alle, die gesamte Gesellschaft, brauchen das Gedenken, um aus der Geschichte zu lernen, dass Demokratie und Rechtsstaat wehrhaft sein müssen. Das gilt erst recht angesichts des Erstarkens rechtsextremer, menschen- und demokratieverachtende Kräfte heute. 

Deshalb bin ich dankbar für die vielfältigen Bildungsangebote hier im Erinnerungsort Topf & Söhne, in dem Jugendliche selbst in der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen aktiv werden können. Sie werden dabei gestärkt, sich für ein menschliches Miteinander und gegen Entwertung und Ausgrenzung von Menschen einzusetzen. Deshalb wünsche ich der gerade eröffneten Sonderausstellung „Verfolgen und Aufklären. Die erste Generation der Holocaustforschung“ des Erinnerungsortes viele Besucherinnen und Besucher. Die Ausstellung erinnert daran, dass es jüdische Überlebende waren, die noch unter den lebensfeindlichen Bedingungen in den Ghettos und Lagern und unmittelbar nach der Befreiung Fakten sammelten und Spuren sicherten. Sie handelten, um das präzedenzlose Verbrechen der Shoah zu verstehen, die Täter vor Gericht zu bringen und einen erneuten Genozid unmöglich zu machen. Ihre Lebensleistung schuf die Basis für unser heutiges Wissen über dieses Menschheitsverbrechen.

Ich wünsche uns allen viel Kraft, Mut und Haltung für eine wehrhafte Erinnerungsarbeit.

Engagieren wir uns täglich in dieser Stadt für Demokratie und Rechtsstaat, für ein menschliches Miteinander ohne Antisemitismus und Rassismus, ohne Hass und Hetze.

Das ist mir als Ihr Oberbürgermeister ein tiefes Bedürfnis.

Ich danke Ihnen.