Artikelreihe zum Stadtumbau - Nr. 3
Im letzten Beitrag ist bereits deutlich geworden, dass Einwohnerentwicklung und Wanderungsbewegungen eine besonders wichtige Rolle bei der Erarbeitung des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts spielen. Deshalb möchten wir Ihnen heute und im nächsten Beitrag die wichtigsten Fakten und Prognosen dazu erläutern.
Vor 100 Jahren hat sich die Einwohnerzahl von Erfurt noch rasant entwickelt. Jede Frau brachte im Durchschnitt 4,7 Kinder zur Welt. 1906 hatte sich binnen 25 Jahren die Einwohnerzahl auf mehr als 100000 verdoppelt, das Bevölkerungswachstum setzte sich weiter fort.
Für die zahlenmäßige Bestandserhaltung der Bevölkerung ist eine mittlere Geburtenzahl von 2,1 Geburten pro Frau erforderlich. Seit Anfang der 70er Jahre haben sich die mittleren Geburtenzahlen in Deutschland mit etwa 1,4 Geburten pro Frau auf ein viel zu niedriges Niveau eingepegelt, so dass seit dem die Zahl der deutschen Bevölkerung schrumpft. Eine Stabilisierung der Einwohnerzahl durch Zuwanderung aus dem Ausland hat diese Entwicklung nur zeitweilig verlangsamt.
Nach der Wende war die Stadt Erfurt zusätzlich gleich von mehreren Entwicklungen betroffen, die sich weiter negativ auf die Bevölkerungszahlen ausgewirkt haben. Insgesamt hat die Stadt dabei über 30000 Einwohner verloren. Grund dafür war zu Beginn der 90-er Jahre die starke Abwanderung in die alten Bundesländer und die deutliche Verringerung der mittleren Geburtenzahl pro Frau. Außerdem gab es Mitte bis Ende der 90er Jahre eine ausgeprägte Stadt-Umland-Wanderung, die inzwischen aber stark zurückgegangen ist.
Positiv wirken sich gegenwärtig Wanderungsgewinne aus fast allen Kreisen Thüringens aus, insbesondere von jungen Erwachsenen, die zur Ausbildung oder ersten Berufstätigkeit in die attraktive Landeshauptstadt ziehen. Damit kann die Erfurter Einwohnerzahl vorübergehend auf dem jetzigen Niveau von etwa 200000 gehalten werden.
Alle langfristigen Prognosen kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass es zu einer Überalterung der Bevölkerung kommen wird und die Bevölkerungszahlen in Deutschland auch langfristig immer weiter schrumpfen werden. Diese Entwicklung macht auch vor Erfurt nicht halt. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Erfurter Einwohnerzahl bis zum Jahr 2020 auf etwa 181000 zurückgeht. Da aber auch das Jahr 2020 nur eine Zwischenstation darstellt, wird man sich auf eine nachfolgende weitere Schrumpfung einstellen müssen.
Um daraus Rückschlüsse auf die tatsächlich zu erwartenden Leerstände zu ziehen, muss die Einwohnerprognose auf die Zahl der Haushalte umgerechnet werden. Denn die Zahl an Kindern ist zwar für die Zukunft der Stadt wichtig, Wohnungen werden aber nur von Erwachsenen gemietet. Für die künftige Anzahl an nachgefragten Wohnungen ist also vor allem entscheidend, wie viele junge Menschen einen eigenen Haushalt neu gründen werden und wie viele Haushalte altersbedingt aufgelöst werden. Dies wird dann überlagert durch die Haushaltsgründungen und -auflösungen aufgrund von Zuzug und Fortzug.
Nach dem Jahr 2008 kommen die nach der Wende geborenen, zahlenmäßig schwachen Jahrgänge in das Alter der Haushaltsgründung, während die Sterbeziffern etwa gleich bleiben. Wurden bis dahin immer noch mehr Haushalte neu gegründet als aufgelöst, wird sich das schlagartig in das Gegenteil umkehren. Damit wird die Wohnungsnachfrage also deutlich zurückgehen, eine Trendwende ist auch hier nicht in Sicht. Natürlich sind davon genauso diejenigen betroffen, die bisher aus den übrigen Kreisen Thüringens nach Erfurt zuziehen. Deshalb ist zu erwarten, dass in wenigen Jahren die Leerstände wieder deutlich anwachsen werden. Dann ist auch nicht mehr auszuschließen, dass manche Stadtteile außerhalb der Großsiedlungen von starken Einwohnerrückgängen betroffen sind.
Im nachfolgenden Artikel (Nr. 4) möchten wir darüber berichten, wie unterschiedlich die Entwicklung in den Siedlungstypen dennoch abläuft und welche Ursachen es dafür gibt.