Entsetzen in Erfurt: Dachstuhl vom Haus Dacheröden stand in Flammen - Großer Schaden am kulturhistorisch bedeutsamen Gebäude

24.08.2006 00:00

Entsetzlich, schrecklich, unglaublich, einfach zum Heulen – mit diesen Worten kommentieren die Erfurterinnen und Erfurter die schrecklichen Ereignisse um das Haus Dacheröden. Gestern Abend 18:48 Uhr ging bei der Feuerwehr ein Anruf ein mit dem Hinweis, dass im Haus Dacheröden ein Feuer ausgebrochen sei. Flammen schlugen meterhoch in den Abendhimmel, dicke Rauchschwaden drängten aus dem Dachstuhl. Um 20:30 Uhr war das Feuer unter Kontrolle.

Das Dachgeschoss mit seinen Gauben und Türmchen wurde gerade saniert. Erst kürzlich fiel das Gerüst. Gemeinsam mit der Fassade verschlangen die Baumaßnahmen bisher rund 1,3 Mio Euro. Oberbürgermeister Andreas Bausewein, der derzeit mit seiner Familie in Ungarn weilt, wurde umgehend telefonisch unterrichtet, "Ich bin geschockt. Dieses für Erfurt so markante und geschichtsträchtige Haus ein Opfer des Feuers, das ist unfassbar", so die erste Reaktion des Stadtoberhauptes. Seine Frage nach Personenschäden konnte zum Glück verneint werden.

Da sich das Haus in der Sanierung befand, war es zum Zeitpunkt des Unglücks leer. Möbel oder Gemälde wurde daher nicht zerstört. Inwieweit die wertvollen Stuckdecken durch das Löschwasser in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist derzeit noch unklar.

Klar ist hingegen die Brandursache: Beim Verschweißen von Bitumenbahnen auf dem Giebel des Nachbarhauses hat sich das Feuer entweder unter den Bitumenbahnen oder durch herunterfallende Teile entzündet. Die Polizei hat die Ermittlungen vor Ort abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Brandstiftung.

Der entstandene Schaden kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden. Bereits am Abend erreichten Bürgermeister Dietrich Hagemann Anrufe von Bürgern und Institutionen, die ihr Spendeninteresse bekundeten. Umgehend wurde ein Spendenkonto eingerichtet. "Vieles erinnert an den Brand der Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Auch wenn hier keine historisch bedeutsamen Bücher zu Schaden gekommen sind, das Haus ist für uns gleichsam von Bedeutung", so der Bürgermeister bei einer weiteren Vor-Ort-Begehung heute Mittag. Wer den Wiederaufbau des Hauses Dacheröden unterstützen möchte, hier die Nummer des Spendenkontos: 600 105 105 bei der Sparkasse Mittelthüringen, BLZ 820 510 00, Stichwort Haus Dacheröden, Kontoinhaber ist die Stadt Erfurt. Auf dem Spendenkonto sind bereits 10.000 Euro von der Sparkasse Mittelthüringen eingegangen. Die Geschäfte im Einkaufcenter Anger 1 haben sofort Spendendosen aufgestellt. "Ich bin sicher, die Erfurterinnen und Erfurter werden mit Herz und Seele den Wiederaufbau des Hauses begleiten", so Hagemann weiter.

Das Haus Dacheröden gehört zu den kulturhistorisch wertvollen und geschichtsträchtigen Gebäuden Erfurts. Die historischen Wurzeln des prächtigen Hauses am Anger 37 reichen weit bis ins späte Mittelalter zurück. Schon um 1300 wurden erste Steinbebauungen auf den beiden Flurstücken vermutet, auf denen zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Häuser "Zum güldenen Hecht" und "Zum Schiffchen" errichtet wurden. Seine heutige äußere Erscheinung verdankt das Haus dem wohlhabenden Waidhändler Heinrich Vasoldt, der im Jahre 1557 den Erker und das prächtig geschmückte, pilastergefasste Hochstandportal, beides im Renaissancestil, errichten ließ. 1833 war es ein weiterer wohlhabender Bürger Erfurts, der Garnwarengroßhändler Sebastian Lucius, der die Häuser im Inneren zur Wohn- und Produktionsstätte verband. Das geistig-kulturelle Gepräge des Hauses bestimmten gegen Ende des 18. Jahrhunderts Karl Friedrich Freiherr von Dacheröden und seine Tochter Caroline.

Im Haus Dacheröden verkehrten die Intellektuellen dieser Zeit, unter ihnen Dalberg, Schiller und die Brüder von Humboldt. Der Geist derer von Dacheröden blieb über die Jahrhunderte erhalten und spiegelt sich heute in der Nutzung des Hauses als öffentliches Kulturforum wider.